Larry ~ Ironie des Schicksals (BONUS)

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"Hier, ein Tee." Ich stellte die Tasse vor ihr auf den Couchtisch und sah vor meinem inneren Auge bereits die Wasserränder, also steuerte ich nochmal die Küche an, um Untersetzer zu holen. Ich hatte einmal den Fehler gemacht, und keine benutzt. Harry hielt mir das heute noch vor.
"Und jetzt erzähl in Ruhe: Was ist passiert?"
Gemma war ohne Ankündigung oder Vorwarnung vor unserer Türe aufgetaucht, verheult und bleich und am ganzen Körper zitternd. Selbstverständlich hatte ich sie sofort hereingebeten und auf das Sofa verfrachtet, auch wenn ich eigentlich mitten in einem Workout gewesen war. Also, mitten in einem Workout Tutorial. Mit einen Teller Keksen und einem Apfel, man muss ja gesund bleiben. Eigentlich war das Einzige, was mich zu einem Workout überreden konnte, das Gefühl, wenn ich wieder eine Packung Eis geleert hatte.

"Ich bin schwanger."

Das kam so unerwartet, dass ich die Untersetzer sofort vergaß. "Was?" Ich eilte wieder zu ihr, denn sie sah mich an und brach erneut in Tränen aus. Sofort schlang ich meine Arme um sie und setzte mich dazu neben sie auf die Couch. Gemma war vor wenigen Wochen 17 geworden, ich erinnerte mich daran, wie Harry zu ihr gesagt hatte, dass sie sich mit dem letzten Jahr vor dem Erwachsensein Zeit lassen solle. Als sie mich jetzt umarmte und an meiner Schulter schluchzte, fühlte ich mich wie betäubt. Mein Herz schlug nicht mehr, meine Augen sahen nichts mehr, ich erinnerte mich nur an das letzte Jahr und fühlte Neid, der völlig fehl am Platz war. Also schluckte ich ihn runter.

"Gemma, hast du es euren Eltern schon gesagt?" Sie löste sich ein Stück weit von mir und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Ich konnte es nicht.", gab sie leise zu. "Ich wollte zuerst mit Harry reden, aber er ging nicht ans Telefon. Also bin ich hergefahren." Sie ist in diesem Zustand gefahren? Ich atmete tief durch. "Okay. Seit wann weißt du es?"
"Ich war heute Morgen beim Arzt. Der Test war schon letzte Woche positiv." Ich nickte. Mein Herz hatte wieder angefangen, zu schlagen und mit jedem Schlag drängte es mir Tränen in die Augen. Das durfte verdammt nochmal nicht wahr sein.

"Okay. Alles gut, beruhig dich, ja? Das bekommen wir hin." Sie nickte gezwungen und griff nach dem Tee. Die Untersetzer! Ich nutzte die Gelegenheit und holte nun doch welche aus der Küche. Als ich dort stand, außerhalb ihres Blickfeldes, presste ich die Hände einen Moment lang auf die Augen und ließ einen stummen Schluchzer so viel Druck in mir aufbauen, dass ich das Gefühl bekam, jeden Moment zu bersten. Harry und ich warteten seit zwei Jahren auf ein Kind. Wir hatten Leihmütter gehabt, und Adoptionsargenturen verständigt, waren ins Ausland gefahren. Aber immer war irgendwas dazwischengekommen. Das letzte Jahr war hart gewesen, mit den ganzen Absagen und Müttern, die es sich doch anders überlegt hatten. Harry wäre beinahe daran zerbrochen. Wir hatten uns eine Katze gekauft, uns mehr auf uns konzentriert, auf unsere Beziehung, und den Traum noch nicht vollständig aufgegeben. Und jetzt spazierte seine Schwester hier rein, mit einer ungewollten Schwangerschaft. Die Ironie des Schicksals bekam hier eine völlig neue Bedeutung, und ich hasste mich für den Frust und Neid, den ich spürte.

Als ich wieder zu ihr ins Wohnzimmer ging, hatte sie sich etwas beruhigt. "Tut mir leid, ich wollte nicht so einen Aufstand machen.", entschuldigte sie sich dann und wischte ein paar feuchte Spuren auf ihren Wangen trocken. " Ich lächelte mit schmalen Lippen. "Alles gut, Maus. Weißt du, eigentlich ist das ein Grund zum Feiern." Ich zeigte ihr meine Indoor-Jazzhands und brachte sie damit zum Lachen. "Ich weiß nicht, Louis. Ich bin noch nicht bereit dafür, weißt du? Mein Ex wird das nicht hören wollen, mein Dad wird mich anbrüllen, meine Mum wird weinen, und Harry..." Sie sah mich an. "Es tut mir so leid. Ich kann mir vorstellen, wie sich das anfühlt." Meine harte Miene vertrug sich mit ihrem Mitleid nicht, also sah ich weg.

"Ich hatte einen Plan für mein Leben, weißt du?" Ich nickte und platzierte lächelnd eine Hand auf ihrem Schenkel. "Ich weiß, und das ist auch gut so. Aber so ein Kind ist nicht das Schlimmste auf der Welt. Es bedeutet nur, dass es ein wenig anstrengender wird. Aber ich bin da, und Harry ist da, und eure Eltern sind da. Und du weißt, wie viele Schwestern ich habe." Sie lachte. "Was ich sagen will ist: Es wird alles gut werden. Du bist nicht allein, und wir helfen dir alle."

Abends kam Harry nach Hause. Ich saß auf der Couch und googelte nach Hilfestellen für schwangere Jugendliche, als ich den Schlüssel im Schloss hörte und schnell mein Handy sperrte. Ich hatte Gemma angeboten, zuerst mit Harry zu reden. Sie war im Gästezimmer untergekommen.

"Hey Babe!", begrüßte er mich und küsste meine Wange von hinten. Ich saß mit dem Rücken zur Tür und atmete ein paar mal durch. "Hey. Wie die Arbeit?" Man musste sowas vorsichtig angehen. Ich erinnerte mich daran, wie ich mich gefühlt hatte, und konnte mir nur ausmalen, wie Harry sich fühlen würde.
"Langweilig, wie immer. In der Hauptsaison ist aber ja immer mehr los. Wie war dein freier Tag?" Mein Magen kribbelte vor Aufregung. Harry war in die Küche gegangen, und ich hörte, wie er sich ein Glas Wasser einschenkte. "Ähm, entspannt. Aber auch... überraschend. Deine Schwester ist hier."

"Hm?", kam es aus der Küche und kurz darauf folgte Harry. "Wie 'hier'?"
"Sie ist im Gästezimmer und schläft." Mit einem Eimer neben dem Bett, für morgen früh. Auch mir war schlecht.
"Was? Wieso? Ist irgendwas passiert?" Er sah mich erwartungsvoll an, aber ich konnte nur auf meine Lippe beißen und einige Male durchatmen. "Louis?"

Ich mied seinen Blick. "Es ist unfair. Und es tut weh. Aber... du musst mir versprechen, dass du dich für sie freust okay?" Ich wusste, dass er es ahnte, aber ich musste es aussprechen. "Sie ist schwanger."

Für einen kurzen Moment wurde es still. Ich war wie erstarrt, blieb stehen und starrte auf den Boden vor seinen Füßen. Ich wusste nicht mehr, was ich fühlte. Aber ich wusste, dass es nicht Freude war. Harry kam langsam zu mir und zog mich an ihn. Ich schlang meine Arme um seinen Brustkorb und lehnte meinen Kopf gegen seinen. "Ich wollte Vater werden und werde Onkel.", sagte er leise. "Das ist... okay." Ich spürte, wie er seinen Kiefer anspannte und drückte ihn fester an mich. "Es ist nicht fair.", wiederholte ich. Er nickte. Ein kleiner Teil von mir wünschte sich, doch Workouts gemacht zu haben, denn es wurde anstrengend, ihn so fest zu drücken. Aber vielleicht war es nicht die Kraft in meinen Armen, die mich verließ. Vielleicht war es das Gewicht der Welt, das mich in den Boden schob.

Harry küsste vorsichtig meinen Hals, in dem Versuch, sowohl sich, als auch mich zu trösten. Ich presste mein Gesicht an ihn, sog seinen Duft ein, und erinnerte mich daran, warum ich ihn gewählt hatte, und niemanden sonst. Weil er mein Schutzschild vor der Welt war. "Ich liebe dich.", flüsterte er und ich spürte, wie mein Hals nass wurde. Vorsichtig, als könnte die Luft um uns herum zerbrechen, legte ich meine Stirn an seine und nahm meine Hände hoch an seine Wangen. "Wir werden Eltern werden, okay?", flüsterte ich und spürte seinen Brustkorb an meinem beben. "Nein, hör mich zu. Wir werden Eltern werden. Aber jetzt müssen wir erstmal Onkel werden, für ein Kind ohne Vater." Er nickte leicht und lehnte sich ein Stück nach vorne, um mich zu küssen. Er schmeckte salzig und klebrig, von der Spucke, die mit dem Weinen so zäh wurde. Ich öffnete meine Augen und sah ihn an, wie er die Lider zusammenpresste. Ich wischte ein paar Tränen von seinen Wangen. Ich lächelte. "Bist du okay?" Mit einem tiefen, langen Seufzen öffnete auch Harry seine Augen.

"Ja, ich bin okay." Dann küsste ich ihn noch einmal und   legte mich danach wieder in seine Arme, weil das das Einzige war, was ich noch tun konnte, um mich besser zu fühlen. Es war schrecklich, sich nicht freuen zu können, nicht die Unterstützung sein zu können, die Gemma gerade brauchte. Aber es war auch schrecklich, kein Kind zu bekommen, egal, wie sehr man es auch versuchte. Mir blieb nur noch er, und ich blieb ihm. Und vielleicht, irgendwann, würde sich das ganze Warten auszahlen.

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Unkontrolliert

Ungeplant

Unbeholfen

:)

AOF

One Direction: Another OS BxB - Book (80% Larry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt