Omega Station (23)

2 1 0
                                    

Brücke AB

Es sollte wohl der glücklichste Tag im Leben des Repräsentanten werden. Nicht nur, dass er in Kain einen neuen Wohltäter gefunden hatte, er bekam durch die Blume mitgeteilt, dass er nicht vergiftet wurde. Während Kain mit ihm durch die Lobby rannte und den übermotivierten Putzmann passierte, überlegte er, wie er am imposantesten seine Frau vor die Tür setzen konnte. Bedurfte es überhaupt eines einzigen Wortes, um die gegenseitige Abneigung klarzumachen? Er könnte einfach ihre Koffer packen und sie mitsamt ihrer überteuerten Designerklamotten vor die Tür setzen - ohne ein Wort zu sagen. Wie ungewohnt cool es doch von ihm wäre. Eine angebrachte Geste für einen der offiziell „mächtigsten" Männer der Welt. Aber wahrscheinlich würde er vor ihr nur rumdrucksen, wenn überhaupt. Vielleicht kommt er auch nur nach Hause und ruft ein freundliches „Schatz, ich bin Zuhaaaauuuuuse!" durch das Haus, worauf nur ein desinteressiertes „Okay" folgen würde. Wahrscheinlich lief es aber ganz anders und er hätte anschließend allen Grund, wieder verheult bei einem Scheidungsanwalt anzurufen. Wie auch immer, ab morgen würde er sein zurückgewonnenes Leben in allen Zügen genießen. Der Gedanke hieran ließ ihn unpassenderweise lächeln.

Kain hatte immer noch die Pistole im Anschlag und lief weiter mit dem Repräsentanten über die Brücke AB. In regelmäßigen Abständen sah er nach hinten, prüfend ob ihm keiner der beiden Gestalten folgte. Sie waren nur noch wenige Meter von A1 entfernt, als über der Pforte auch schon wieder die rotierenden Lichter angingen. Kaum hatten sie die magische Tür passiert, blieb Kain auf einmal stehen. Der Repräsentant sah seinen neuen besten Freund verwundert an. Der Fahrstuhl zu den rettenden Motorbooten war nur noch wenige Schritte entfernt. Erst dann folgte er Kains Blick zur Brücke und erschrak. Eine der schwarzen Witwen war ihnen dicht auf den Fersen gewesen. Sie trug nicht einmal eine Sturmmaske, sondern stellte ihr eiskaltes Gesicht sowie das blonde Haar offen zur Schau. Wenn der Repräsentant etwas zu melden hätte, hätte er ihn gerne angeschrien, er solle doch die Waffe in seinen Händen nutzen und die Verfolgerin erschießen, doch dafür hatte er zu großen Respekt vor seinem letzten Freund auf dieser Erde. Was Kain nicht schaffte, erledigte Walburgas Steuerung. Kaum ein Meter trennte die beiden voneinander, als die Panzerglasscheiben zuschnappten.

Der Repräsentant atmete erleichtert auf. Die letzte Gefahr war gebannt, doch sein Wohltäter wollte sich nicht mehr bewegen. Kain hatte sich umgedreht und sah durch die Panzerglasscheibe hindurch - direkt in Anielas giftgrüne Augen. Nach so langer Zeit standen sie sich wieder gegenüber, auch wenn ein unüberwindbares Hindernis zwischen ihnen stand.

Als Kain einen Schritt in Richtung der Panzerglasmauer machte, war der Repräsentant schwer verwundert, wie sich sein Wohltäter dieser Gefahr noch weiter nähern konnte. Er konnte nicht wissen, dass die beiden nicht immer auf zwei verschiedenen Seiten gestanden hatten. Seine Frau und er hatten wohl in den glücklichsten Zeiten nicht die Verbindung gespürt, die sich zwischen Aniela und Kain selbst noch durch den gläsernen Panzer aufbaute. Die Spannung, auf beiden Seiten der Barrikade, schien den Repräsentanten zu überwältigen.

Kain stellte sich so nah an die Glaswand, wie es ihm möglich war. Vorsichtig streckte er seine flache Hand aus und drückte sie auf seine Seite der Scheibe. Gerne hätte er die Hürde überwunden, doch selbst wenn Aniela keine terroristischen Ziele verfolgte, Walburga hätte in jedem Fall die Mauer zwischen ihnen aufrecht erhalten.

Auf der anderen Seite stand Aniela. Sie biss die Zähne zusammen, ob aus Erschöpfung, Wut oder Enttäuschung konnte Kain nicht erahnen. Als er seine Hand auf das Glas legte und auf ihre wartete, schien ihre Wut die Oberhand zu gewinnen. Sie griff zu ihrem Sturmgewehr und feuerte los. Der Repräsentant sprang sofort verängstigt zu Boden, während Kain regungslos stehenblieb. Die Projektile zerplatzten an der Mauer zwischen ihnen und hinterließen ein Netz aus spinnenwebenförmigen Rissen auf Anielas Seite. Völlig ratlos sah sie in Kains Augen.

Auch Aniela zerbrach an der Blockade zwischen ihnen.

Eden OdysseeDonde viven las historias. Descúbrelo ahora