Himmelfahrtskommando (7)

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„Ich hasse dich", sagte Odin.

Nicht nur, dass der arme Muskelberg immer noch gefesselt war, nein, zu aller Schande befand sich nun um seinem Hals eine hohenheim'sche Konstruktion aus einer Blutkonserve, die mittels Klebeband an dem speckigen Nacken befestigt wurde. Zudem stand er auch unerwarteterweise an dem von Nero und Sheytan vereinbarten Übergabeort.

„Das ging ja schneller als gedacht", sagte Nero lächelnd.

Sie befanden sich immer noch auf derselben Landstraße, von wo sie nur fünf Kilometer in Sheytans Richtung zurückfahren mussten. Die Straße war wie leergefegt. In der Ferne stiegen die orangefarbenen Rauchsäulen zum Himmel empor, Blaulichter kreisten um die Stadt der Engel. Die Hubschrauber schwärmten aus.

Die schwarze Limousine, die als Sheytans kugelsicheres Fahrzeug diente, parkte fünfzig Meter von Nero entfernt. Als die Fahrertür aufging und Sheytan ausstieg, klopfte Nero Odin auf den Rücken und gab ihm damit das Signal loszugehen.

„Gehe in ruhigen Schritten geradeaus", sagte Nero. „Bleibe zwischen beiden Fahrzeugen in der Mitte stehen, dann warte die Verhandlungen ab. Wenn du Faxen machst, werde ich die Blutkonserve an deinem Hals sprengen. Soll ich dir erklären, was dann mit dir passiert?"

„Ich kann dir mal erklären, wie sehr du mich am Arsch lecken kannst", sagte Odin und setzte sich in Bewegung. „Verspotte einen Mann wie mich, so oft du kannst. Der Mann, der von seinem Vater die Geschichte meines Vaters kennt, wird, sobald er dich trifft, sich an mein Leid zurückerinnern. Die Rache unserer Väter wird gnadenlos sein!"

Nachdem Nero während der Fahrt Dutzende Fabeln über Bäume, Väter und Väter von Bäumen ertragen musste, war er froh, als Odins Geschnatter weiter in die Ferne rückte.

Sheytan stellte sich genau gegenüber des Grafen auf, ohne nur einmal auf seinen gefesselten Kollegen zu schauen, der als Geisel missbraucht wurde. Ohne die Blutkonserve an Odins Hals zu beachten, wusste Sheytan, dass Nero Sicherheitsvorkehrungen seinerseits getroffen hatte, um den Austausch abzusichern. Niemals hätte er gedacht, den Grafen nach seinem spektakulären Auftritt bei der Versteigerung so schnell wiederzutreffen. Schon damals fiel ihm auf, dass der Graf etwas Besonderes sein musste, so besonders wie auch Aaron. Sie schienen auf magische Art miteinander verbunden zu sein.

Wie vereinbart blieb Odin zwischen Sheytan und Nero stehen. „Sheytan!", rief Odin. „Arbeite nicht mit diesem Arschloch zusammen, egal was er verlangt. Lieber sterbe ich, als diesem Arschloch zu helfen. ER HAT MEINE EHRE GERAUBT! Hat dir dein Vater nicht das Leid meines Vaters geklagt? Töte ihn mit Liebe oder Zorn, BEI GOTT, Hauptsache du TÖTEST IHN!"

„Pschhht", zischte Sheytan, ohne dabei Odin anzusehen. „Ich werde mir anhören, was er zu sagen hat."

„Aber Sheytan ...", sagte Odin enttäuscht.

„Sprich, Graf von Hohenheim ..." Sheytan hielt einen verbissenen Blickkontakt zu seinem Kontrahenten. „Sag, was du willst."

„Ich möchte Informationen", sagte Nero. „Sag mir, was Aaron im Schilde führt. Sag mir, wo er sich gerade aufhält. Mehr verlange ich nicht."

„Du scheinst unseren Auftraggeber zu kennen. Wenn ich dir irgendetwas verrate, gefährde ich automatisch die Mission und damit auch unsere Leben. Ich muss dir nicht erklären, wie er ist, was er ist. Er interessiert sich kein bisschen für unsere Existenz. Wenn es sein muss, bringt er uns alle um. Deswegen nimm Vernunft an, lass Odin frei und geh deiner Wege, Graf von Hohenheim."

„Ihr fürchtet euch vor ihm", stellte Nero wenig überrascht fest. „Solange ihr ihn weiter auf seinem mörderischen Plan unterstützt, zieht ihr auch die Schlinge um euren Hals zu. Verrätst du mir seinen Plan, wenn ich dir verspreche, ihn aufzuhalten?"

„Beweise mir, dass du dazu überhaupt in der Lage bist. Wenn ich dir vertraue, gefährde ich mein gesamtes Team."

„Ich kann es dir nicht beweisen, sondern dich nur bitten, mir zu vertrauen. Aaron und ich sind alte Freunde, zumindest waren wir das einmal. Mittlerweile hat er sich in der Dunkelheit verloren. Sheytan, sofern die Legenden über dich wahr sind, so überlege, wohin dich dein Weg geführt hätte, wenn diese eine Person noch am Leben wäre. Diese eine Person, die dein Schicksal prägte ... Wärst du immer noch am Kämpfen?"

Sheytans blieb von Neros Rede äußerlich unbeeindruckt, doch fand tatsächlich Gefallen an Neros Gedankengang, so pathetisch und unrealistisch er auch klang. Letztendlich war Nero wohl die beste Alternative, die ihm noch blieb. Lieber vertraute Sheytan sein Leben einem beherzten Idioten anstatt einem untrainierten Haufen eingerosteter Staatsmänner.

„Er ist in der Stadt der Engel", sagte Sheytan. „Was genau er dort zu suchen hat, kann ich dir nicht sagen."

„Die Ruine wurde in die Luft gesprengt. Wie kann er sich dort aufhalten?"

„Frag mich was Leichteres. Wenn du mich fragst, gehört dieser Wahnsinnige in die Klapsmühle."

„Wenn er sich in der Ruine aufhält, wird es ein Ding der Unmöglichkeit, ihm zu folgen", sagte Nero. „Selbst wenn die Zugänge nicht eingestürzt sind, so müsste ich mich an den Rettungskräften vorbeischleichen. Gesetzt dem Fall, dass die Polizei nicht alle Zugänge abgesperrt hat."

„Wir werden ein Ablenkungsmanöver für dich starten. Ohnehin steht auf unserer Agenda, unseren ehemaligen Stützpunkt am Strand in die Luft zu jagen. Keine Sorge - ohne zivile Opfer versteht sich. Diese Maßnahme wird die militärischen Einsatzkräfte auf sich ziehen und du solltest ohne Zwischenfälle in die Ruine eindringen können."

„Das klingt nach einem Plan. Kann ich mich auf dein Wort verlassen, Sheytan?"

„Kann ich mich darauf verlassen, dass du ihn aufhalten kannst?", fragte Sheytan im Gegenzug. „Wir werden beide unser Bestes geben. Du, um deinen Freund - wir, um unsere Leben zu retten."

Ehe Nero wieder in den Oldtimer stieg, sah er zu Odin rüber, der immer noch am selben Punkt stand. Die Fassungslosigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben.

„Mach's gut", sagte Nero grinsend.

Odin sah enttäuscht zu Sheytan rüber. „Könntest du mich wenigstens aus diesem Metallgestrüpp befreien?"

Eden OdysseeWhere stories live. Discover now