Bitte, lieb mich! (2)

60 9 0
                                    

Nachdem Fiona kurz das Bad des Grafen nutzen durfte, um sich das Blut abzuwaschen, wurde Sie zur Tür gebeten. Er begleitete Sie bis zur Türpforte - jenem magischen Ort, an dem ihre euphorische Entgleisung begann. Der abkühlende Frühlingswind wehte den beiden sanft entgegen.

Noch vor einer guten Stunde war Fiona getrieben von ihrer Hoffnung, doch nun, zurück am Boden der Tatsachen, blieb ihr nur die Enttäuschung darüber, sich wieder einmal blamiert zu haben. Vor einer guten Stunde hatte sie noch geglaubt, ihr durchschnittliches Leben könnte sich schlagartig in ein spannendes Abenteuer verwandeln, aber letztendlich war sie wohl zur ewigen Langweile verdammt. Sie würde ihr ganzes durchschnittliches Leben lang mit ihrer durchschnittlichen Figur völlig durchschnittlich aussehen und von überdurchschnittlichen Menschen gemieden werden. Vielleicht war sie mit dreiunddreißig wirklich zu alt, um noch an Wunder glauben zu dürfen.

„Es tut mir leid, Nepomuk", sagte Fiona zerknirscht. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie wegen der Zeitung angeschwindelt habe."

„Schon in Ordnung. Es ist vielleicht vorteilhafter für uns beide, wenn dieses Interview niemals abgedruckt wird."

„Womöglich", gab sie peinlich berührt zu. „Und es tut mir außerdem leid, dass ich mit dem Blut Ihren Teppich versaut habe."

„Ist ja nur ein Teppich", sagte der Graf abwinkend. „Wir werden einfach nie wieder auch nur ein einziges Wort über die letzte Stunde verlieren."

„Das ist lieb von Ihnen", murmelte Fiona und sah auf den Boden.

Aus den Fenstern des Landhauses drang warmes Licht, ebenso warm wie das Gefühl, das sie noch immer in seiner Gegenwart verspürte. Dennoch schaffte Sie es vorerst nicht mehr, ihm in seine grauen Augen zu sehen, zu groß war die Scham über ihren befremdlichen Auftritt. Sie wollte sich nicht vorstellen, wie dämlich Sie in seinen Augen aussehen musste, aber dennoch wollte Sie ihm nicht als pummeliger Tollpatsch mit Wahnvorstellungen in Erinnerung bleiben.

„Es ist schon spät, und es wird langsam dunkel", sagte Fiona bedrückt. „Ich schätze, ich muss die Abkürzung über den Friedhof einschlagen."

„Eine Frau sollte sich um diese Tageszeit eigentlich nicht alleine auf den Friedhof begeben", mahnte der Graf. „Können Sie denn nicht die Route durch das Dorf nehmen?"

„Ja, könnte ich, aber ... dafür, dass es Frühling ist, ist es ganz schön kalt, und ich möchte zu Hause sein, bevor ich erfroren bin."

Der Graf hatte bereits geahnt, dass Fiona eine letzte Trumpfkarte ausspielen würde, wollte aber seine guten Manieren nicht aufgrund seines angekratzten Nervenkostüms aufgeben.

„Wenn Sie wollen, kann ich Sie gerne nach Hause begleiten."

„Ach ... nein, danke", sagte Fiona verlegen. „Ich bin Ihnen heute schon genug zur Last gefallen."

„Na dann ..." Der Graf wollte sich schon beruhigt in seine sicheren vier Wände begeben, als die hartnäckige Fiona bemerkte, dass er sich kein zweites Mal anbieten würde.

„Also eigentlich ist es ja doch schon ziemlich dunkel", sagte sie lächelnd.

„Schon gut", erwiderte der Graf schnaufend. „Ich werde Sie begleiten."

Eden OdysseeHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin