Himmelfahrtskommando (10.2)

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Inmitten der Trümmer und Rauchschwaden konnte Teresa ihren Aaron kaum erkennen. Sie rollte zu weit nach vorne, ehe sie langsam an der Kante hinunterrutschte. Die Bremsen ihres Rollstuhls versagten, sodass sie die nach vorne rollenden Räder nicht länger stoppen konnte. Schließlich kippte sie einschließlich ihres Rollstuhles nach vorne und fiel in die Tiefe. Anfangs verfing sie sich in den am Rand hängenden Ranken, doch mit ihren schwachen Armen konnte sie sich nur für wenige Augenblicke festhalten, ehe sie komplett den Halt verlor. Als ihre schwachen Finger an den schleimigen Ranken abrutschten, kamen ihr Aarons Fangarme rechtzeitig entgegen. Knapp vor dem Aufschlag wurde sie rechtzeitig in den himmlischen Lichtschwingen gebettet.

„Was machst du hier?", fragte der Engel. „Hast du deinen Verstand verloren?"

Teresa lag ratlos in seinen Flügeln. Sie sah zu den Ranken hinauf, die ihr den Ausblick auf den Mond verschleierten. Sie konnte kaum fassen, wie leichtsinnig sie war, die Höhe zu unterschätzen. Es war das erste Mal, dass sie innerhalb einer Mission derart kopflos agierte, wobei sie diesmal von einer ihr völlig neuen Emotion getrieben wurde. Spätestens als Sheytan sie anrief und von Aarons vermeintlicher Not berichtete, waren bei ihr alle Sicherungen durchgebrannt. Für einen ordentlichen Gefahrenaufschlag hatte sie der nächstbeste Taxifahrer bis hin zu der Ruine gebracht, von wo aus sie alleine klarkommen musste. In ihrem Wahn hatte sie mit ihrem Rollstuhl gar den Hügel bestiegen, eine Leistung, die bei ihrem schwachen Körper an ein Wunder grenzte. Sie war nicht mehr sie selbst gewesen. Eine fremde Kraft schien sie bis zu diesem Punkt gesteuert zu haben. Bis sie Aaron in bester Verfassung auffand, konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Wieso war ihr Ärger über sich selbst sofort verflogen, als sie realisierte, wer ihr Leben gerettet hatte?

„Aaron?" Sie sah ihn mit einem strahlenden Lächeln an. Noch nie hatte Aaron sie so gesehen. „Du lebst?"

„Natürlich lebe ich", sagte er. Er wusste ihre konfuse Handlung immer noch nicht einzuordnen. „Ich frage dich noch einmal: Was hast du hier zu suchen?"

„Ich dachte, du würdest sterben."

Aaron antwortete nicht. Ihm fiel Teresas Rollstuhl ins Auge, der wenige Meter neben ihm gelandet war. Als der Rollstuhl auf dem Boden aufschlug, wurden Teresas Utensilien in dem schwarzen Gewässer verteilt. Neben einem Ladegerät für ihr Telefon, Lippenstift und einer Flasche Mineralwasser, schwamm nun auch ein kleines Metallrohr, kaum zwanzig Zentimeter groß, auf dem Wasser. An beiden Enden war das Rohr mit Stahlkappen versiegelt, sodass das Innere für den äußeren Betrachter verdeckt blieb. Doch Aaron hatte so ein ähnliches Rohr bereits bei der Besprechung mit Sheytan gesehen, als sie die Auswahl der Bomben festlegten.

„Eine Bombe ...", stellte Aaron überrascht fest.

„Eine was?" Teresa sah überrascht zu der Rohrbombe, die unschuldig auf dem Wasser trieb. Sie fragte sich erst, woher die Bombe stammte, doch als sie ihren Rollstuhl nur einen Meter daneben sah, durchfuhr sie eine grausame Vorstellung. „Aaron ... Ich weiß nicht ... Ich wollte nicht ..."

Sie glitt durch die Lichttentakel durch, ehe sie vor einem erneuten Aufprall von einer Lichtschlange geschnappt wurde. Doch diesmal wurde sie nicht in dem bläulichen Licht gebettet. Einer von Aarons Lichttentakel schlängelte sich um ihren Hals, so dicht, dass ihr die Luft abgeschnürt wurde. Ihr schwacher Körper baumelte wenige Zentimeter über dem schwarzen Wasser, während sich die Lichtschlinge zuzog.

„Wolltest du mich umbringen?", fragte Aaron verzweifelt. „War das euer Plan? Du wolltest mich einlullen, nur um nah genug an mich heranzukommen? Und du hast es tatsächlich geschafft ..."

Teresa wollte mit dem Kopf schütteln, doch die Schlinge war zu fest. Sie wollte ihm so vieles sagen, doch ihr blieb die Luft weg. Stattdessen weinte sie bittere Tränen des Schweigens.

Eden OdysseeWhere stories live. Discover now