Omega Station (5)

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Es sah aus wie ein Sturm von hunderten Rosenblüten. Der Albtraum, der Nero seit jenem verhängnisvollen Tag immer wieder heimsuchte.

„Bitte, lass mich nicht allein", wimmerte er.

Fiona umarmte ihn von hinten und spürte seinen Pulsschlag, der in unermessliche Höhen stieg. Sein magnetisierender Blutdruck wirbelte die verteilten Blutspritzer umher. Die roten Partikel erhoben sich und tanzten um die Tragödie herum.

Edens Leiche lag in seinen Armen. Ihre Augen waren immer noch halboffen. Ihre eiskalten Augen durchstachen ihn förmlich.

„Du musst aufstehen!", schrie Fiona. „Wir müssen hier weg!"

Der blutrote Sturm engte sie immer weiter ein. Neros Tränen regneten auf Edens regungsloses Gesicht.

„Nero! Wir müssen hier weg!"

Keine Reaktion auf Fionas Bitten und Flehen. Er presste Edens kühlen Körper so nah an sich, wie es ihm möglich war. „Bitte, lass mich nicht allein", flüsterte er. „Nicht schon wieder."

Es wurde alles blutrot. Der Blutsturm hatte ihn erreicht und prasselte in sein Sichtfeld. Meistens träumte er jenen Albtraum bis zu dieser Szene, der Punkt, an dem er auch in der Realität das Bewusstsein verlor.

Den erfrischenden Wasserschwall, der ihn unsanft aus seinem Albtraum befreite, nahm er dankend in Empfang. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Fiona, die ihre Hand tief in die Wellen getaucht hatte, um ihm eine kleine Abkühlung zuzuschaufeln.

„Wie lange war ich eingenickt?", fragte Nero.

„Höchstens eine Minute", sagte sie lächelnd. „Aber du solltest den Ausblick nicht verpassen."

Er wischte sich die Wassertropfen aus dem Gesicht. Im Hintergrund summte der elektronische Antrieb des Motorbootes, der sie mit gemütlichen 100 Kilometern die Stunde durch die Wellen beförderte. Aus dem goldenen Meer stachen über hundert Meter hohe Ventilatoren, die Windkraftanlagen, die in regelmäßigen Abständen aus dem Wasser ragten. Wie ein Uhrwerk drehten sich die Rotorblätter und beförderten ihre Energie in verschiedene Regionen dieser Welt.

Während Nero die gigantischen Türme begutachtete, biss Fiona in ihr mitgebrachtes Honigbrot, stets bedacht, ihr Outfit nicht zu versauen. Sie trug ein schwarzes Damenkostüm, darunter eine schneeweiße Bluse, an der die Honigflecken umso fieser auffallen könnten. Ihr Markenzeichen auf Veranstaltungen war mal wieder der weiße, überdimensionale Sonnenhut, der Nero die halbe Sicht auf die Windkraftanlagen raubte. Der Graf hingegen setzte auf seine berüchtigte Soldatenuniform, die seit ihren letzten Einsätzen mehreren Flickereien und Reinigungen hinter sich hatte. Dank der dunkelroten Uniform mit pechschwarzen Stiefeln, Schulterkappen und Ärmelaufschläge wurde er auf jeder Versteigerung direkt erkannt - und vom erfahrenen Adel gemieden. Allerdings verzichtete er auf seinen Degen, den er seit der Auseinandersetzung mit Alfons nicht mehr anfassen konnte. Er hatte dennoch die Hoffnung, er würde ihn an jenem Tag nicht mehr brauchen. Ihr Eskortenführer war umso besser ausgerüstet. Vor ihnen stand Marcello, der ihnen den Rücken zuwandte und seinen Fuß hochwichtig aussehend auf der Rehling abstützte, den entgegenkommenden Wellen mutig trotzte und jeder Schwankung des Motorbootes dank seiner konzentrierten Körperhaltung standhielt. Mehrere Gürtel zierten seinen athletischen Körper, der sich unter der dicken Uniform abzeichnete. Die einen waren bestückt mit Patronen, an den anderen Halfter, in denen er unter anderem einen Dolch sowie seine 9 Millimeterwaffe untergebracht hatte. An der anderen Schlaufe hing sein Sturmgewehr, während der Gürtel um seiner Hüfte wohl nur dazu diente, dass seine Hose nicht runterrutschte. Die Narbe über seinem rechten Auge und sein grimmiger Blick bestätigten den Ersteindruck einer lebenden Kampfmaschine. Nicht ohne Grund unterstand ihm der interne Sicherheitsdienst der Wachter AG.

Eden OdysseeOù les histoires vivent. Découvrez maintenant