Ist das mein Blut, Bruder? (1)

19 4 0
                                    

Zu Pedros Bedauern ließ Nero sich von seinem Entdeckerwahn nicht abbringen. Das Taxi brachte sie auf schnellstem Wege zu einer riesigen, grünstrahlenden Wiese, die von der Hotelanlage eine fünfminütige Autofahrt entfernt lag. Als sie ausstiegen, wunderte Pedro sich, was Nero auf dieser leer wirkenden Wiese suchte. Plötzlich erkannte der Schwarzträger eine hügelartige Verformung auf der Wiese. Er sah einen aus schwarzen Ziegelsteinen erbauten Türrahmen, einen Eingang, der zu einer tiefer gehenden Treppe führte. Dieser Anblick erinnerte ihn an eine antike Version einer U-Bahnunterführung.

„Ist es das?", fragte Pedro. „Wegen dieser Grotte lassen wir den Strandausflug ausfallen?"

Der Eingang war mit mehreren Schranken und Klebebändern versehen, die alle einen gut lesbaren Hinweis trugen, dass Unbefugte die Unterführung nicht betreten durften. Nach Pedros Internetrecherche sollte die sogenannte „Stadt der Engel" an jenem Tag neu eröffnet werden. Die feierliche Eröffnung fand im Kreise ausgewählter Gäste wie beispielsweise den hiesigen Bürgermeistern oder zahlreicher prominenter Personen statt, weswegen normalsterblichen Bürgern der Eintritt vorerst verwehrt wurde. Allerdings handelte es sich hierbei um eine leerstehende Ruine, aus der nichts gestohlen werden konnte. Demnach waren zwar einige Sicherheitsvorkehrungen vorhanden, aber keine die den fanatischen Nero von seiner Expedition abhalten konnten. Da die Eröffnung erst am Abend stattfand, blieben Nero noch wenige Stunden, die er für sich nutzen konnte. Die Barrikaden, die den Zutritt versperren sollten wurden schneller entfernt als Pedro schauen konnte.

„Ist das nicht illegal?", fragte Pedro. „Willst du nicht einsehen, dass wir aufgrund des Sperrhinweises lieber umkehren sollten?"

„Wir dürfen uns nur nicht erwischen lassen", sagte Nero.

„Klingt nach einem Abenteuer!", jubelte Fiona begeistert.

Pedro musste an das letzte Abenteuer auf der Versteigerung zurückdenken. „Na dann, auf in ein neues Elend ... Lass dich diesmal nicht von Fiona vergiften – das wäre zumindest ein Fortschritt."

Widerwillig folgte der Schwarzträger seinen energischen Freunden hinab in das dunkle Tunnelsystem. Der finstere, gemauerte Gang war gerade einmal so breit, dass sich zwei Personen aneinander vorbeiquetschen konnten. Innerhalb des dunklen Gemäuers spendete nur die Taschenlampenfunktion von Pedros und Fionas Handys Licht. Nero wollte erst zu altertümlichen Mitteln greifen und ein Streichholz entzünden, aber sah dann doch schnell ein, dass die moderne Technik ein paar wenige Vorteile mit sich brachte.

Sie erreichten mehrere Kreuzungen, doch wählten stets den Weg, der noch tiefer in die unterirdischen Katakomben führte. Je weiter sie kamen, desto feuchter und moosbewachsener wurden die Wände. Fiona hatte unterdessen Probleme, mit ihren Badeschuhen nicht auszurutschen. Sie hielt in der einen Hand ihr lichtspendendes Mobiltelefon, in der anderen eine Portion Fritten, die sie sich noch an der Hotelanlage gekauft hatte. Sie ärgerte sich zwar, da sie aufgrund ihres Mobiltelefons keine zweite Hand frei hatte, um ihre Fritten weiterzuessen, aber dies war vorerst ein besserer Kompromiss als die Dunkelheit.

„Nero?", fragte Fiona. „Könntest du mir nachher den Rücken eincremen?"

„Hast du hier wirklich Angst vor einem Sonnenbrand?", fragte Pedro.

Als der Gang von der Schräge in die Waagerechte überging, mehrte sich die Feuchtigkeit an den Wänden. Der Boden stand bis zu zwei Zentimetern unter Wasser. Im weißen Licht der Handys wirkte das Wasser wie eine dunkle, undurchsichtige Brühe. Widerwillig watete Fiona durch die Pfütze. „Warum ist es hier so nass?"

Natürlich hatte Nero direkt eine Erklärung parat. „Unsere Vorfahren errichteten diese Katakomben vor gut tausend Jahren, noch vor der Erfindung des Abflusses. Als diese Gemäuer errichtet wurden, hatten sie aufgrund des trockenen Klimas auch keine Abflussanlage benötigt. Im Laufe des Klimawandels nahm auch in diesen Gebieten die Regenhäufigkeit derart zu, dass die Katakomben mit Regenwasser überschwemmt wurden. Das konnten unsere Vorfahren nicht ahnen."

Eden OdysseeWhere stories live. Discover now