Dazwischen

4 2 0
                                    

Am Horizont verbrannten die letzten Erinnerungen an die Stadt der Engel. In der Schwärze tanzten die Funken hämisch durch die Nacht.

Seine Brust schmerzte.

Über Männer, die nicht weinen.

Die Bahnstation war wie leergefegt. Seit der Katastrophe trauten sich die Menschen nicht mehr raus. Sie hatten Angst, dass sich die schrecklichen Ereignisse wiederholen könnten.

Es war ungewohnt kühl in dieser Frühlingsnacht. Der Wind pfiff durch die Fetzen, aus die seine Uniform nur noch bestand. Ihm war kalt.

Oder Männer, die nicht mehr weinen können.

Wenn es etwas gab, das ihm Wärme spendete, dann war es sie. Sie lag in seinem Arm. Das Karomuster der Sitzbank drückte gegen seinen Rücken. Jede Stelle seines Körpers schmerzte. Er sah auf sie herab, wie sie verträumt in die Ferne sah. Ihre kühlen Finger strichen sanft über seine vernarbte Brust.

Oder Männer, die weinen.

Seit Stunden warteten sie auf den Nachtzug. Nur die Laterne am Bahnsteig spendete ihnen etwas Licht. Am Horizont stiegen dunkle Rauchschwaden bis zum Himmel. Alles andere war erfüllt von der Schwärze. Die Funken in der Ferne glänzten so wie ihre Augen, als sie sich nach gefühlten Ewigkeiten wiedergesehen hatten.

Über Frauen, die lieben.

Mittlerweile hatte sie sich von ihm abgewandt. Ihr Kopf ruhte auf seiner Schulter. Ihr Blick ging ins Leere.

Wie zwei blaue Glühwürmchen machten sich die schwachen Lichter des ankommenden Zuges bemerkbar. Je näher er kam, desto lauter hörten sie das Kreischen seiner Bremsen. Der Zug, auf den sie die halbe Nacht gewartet hatten, war endlich da. Inmitten der nächtlichen Schwärze vernahmen sie die Scheinwerferlichter so blendend wie das Licht der Sonne. Die Augen konnte er nicht mehr aufhalten. Er sah zu ihr hinab, wie ihr zartes Gesicht im Schein der Lichter fast bläulich wirkte. Die Türen gingen auf. Das Piepsen der automatischen Verriegelung erinnerte ihn daran, nun keine Zeit mehr zu verlieren. Doch er war zu sehr von ihr eingenommen. Langsam sah sie zu ihm hoch, ihr Blick flehte nach Hilfe. Ihre Augen offenbarten eine ungewohnte Traurigkeit.

Oder Frauen, die nicht lieben können.

Das Piepsen der erklang in immer kürzer werdenden Intervallen. Er streichelte über ihre Schulter und löste seinen schmerzenden Körper von der Bank. Als er sich aufrichten wollte, waren die Schmerzen kaum auszuhalten. Doch dann stand sie plötzlich vor ihm und drückte ihn wieder zurück auf die Bank.

Die Zugtüren schnappten zu.

Sie setzte sich rittlings auf ihn, so sanft und vorsichtig, dass sie ihn seine Schmerzen vergessen ließ. Ihr Unterarm bettete seinen Nacken, ihre andere Hand streifte durch sein Haar. Sie sah wieder so traurig aus.

Er wollte ihr sagen, dass der Zug nicht länger warten würde, doch die Worte wurden ihm abgeschnürt. Ihre kühlen Lippen pressten sich auf seine. Der Zug setzte sich wieder in Bewegung, dennoch dachte er keine Sekunde an die verlorenen Stunden. Stärker als zuvor drückte sie ihr Gesicht auf seines, ließ ihn wieder in seiner Sitzposition einsacken.

Der Zug wurde von der Nacht verschluckt und hinterließ die beiden in ihrer innigen Umarmung. Ihre Küsse fegten über seine Wange und seine Stirn. Ihr kalter Kuss drückte sich auf seine Lippen.

Kaum ein Atemzug war ihm vergönnt, kaum eine Sekunde, um sich von ihrer Zärtlichkeit zu erholen. Ihre Daumen pressten sich auf seine Wangen, ihre Finger krallten sich an seinen Haaren fest. Ihre Lippen zogen sich kurz zurück, als er einen flüchtigen Blick riskierte. Ihre Augen waren offen.

Frauen, die nicht lieben.

...

...

...

...

...

------ Hinweis ------

Wir haben die Hälfte geschafft! :-)

Schaut gerne auf meinem Profil vorbei. Meine "giftige Kurzgeschichte" namens Toxin wartet auf euch. Mit Eden Odyssee geht es natürlich weiter!

Ich freue mich weiterhin über jeden Klick, Like oder Kommentar. Viel Spaß weiterhin!

Eden OdysseeWhere stories live. Discover now