Alles hat seinen Preis (2)

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Das Schäferstündchen mit Constanze war zwar ein vergleichsweise hohes Opfer, doch dafür war Alistair seinen Konkurrenten einen riesigen Schritt voraus. Während seine Gegenspieler entweder als Leichen das Labyrinth zierten oder sich in diesem erbitterte Gefechte lieferten, konnte er diesen riesigen Vorsprung nur dank der Macht der Liebe sichern. Wenig später nach Krylows Ende war er in das Billardzimmer spaziert.

Trotz seiner Abscheu Constanze gegenüber, die sich während seines Aufenthalts zwischen ihren Schenkeln dramatisiert hatte, erfüllte er zumindest ihren großen Wunsch, dass die letzte Erinnerung ihres Vaters unbeschadet blieb. Das Gemälde des Familienoberhauptes hatte er daher sorgfältig abgehangen und an der Wand angelehnt, woraufhin die Einkerbung mit dem berüchtigten Himmelsstein sichtbar wurde.

Auf den ersten Blick wirkte das Relikt wie ein hochwertiger Edelstein, dennoch offenbarte sich der wahre Wert dem Prinzen noch nicht. Es war ein durchsichtiger Kristall mit fein säuberlich geschliffenen Kanten. Je nachdem wie er den Kristall hielt, schien er in einem anderen Licht, einmal diamantweiß, danach rotleuchtend wie ein Rubin oder giftgrün wie ein Smaragd. Es war wahrlich ein schön anzuschauender Stein, aber warum reisten die Menschen aus der ganzen Welt um, nur um diesen Kristall zu erbeuten? Warum waren die Menschen gar bereit, sich dafür umzubringen, wenn es ähnliche Steine überall auf der Welt gab? Dem Mythos nach sei das Relikt von dem Himmel gefallen, doch dieser Stein sah professionell aufbereitet und geschliffen aus. Alistair griff sicherheitshalber zu seinem Mobiltelefon und kontaktierte einen Experten, der ihm hoffentlich die Wertigkeit seines Fundstückes bestätigen könnte.

„Du wirst es kaum glauben, aber ich bin im Besitz des Himmelssteins", sprach Alistair in den Hörer. „Die Versteigerung wurde gesprengt und eine Hetzjagd nach dem Stein begann. Dennoch fiel mir der Stein in die Hände."

Auch während dieses Gespräches war Alistairs schmieriges Lächeln nicht zu sehen. Stattdessen blieb seine Miene durchgehend emotionslos. Nur als ihm das Telefon eine unerwartete Überraschung verriet, offenbarte seine runzelnde Stirn eine für ihn ungewohnte Skepsis.

„Ja, ich halte ihn in meinen Händen", sagte Alistair. „Woher möchtest du das so genau wissen? Bist du dir sicher?" Seine emotionslose Miene löste sich durch ein leichtes Grinsen ab. Er strahlte pure Freude darüber aus, diesmal selbst überrascht worden zu sein. „Dann ist der Stein der alten Schachtel nicht zufällig in die Hände gefallen? Hätte mir ja denken können, dass die ganze Sache wieder auf deinem Mist gewachsen ist."

Leise Schritte näherten sich dem Billardzimmer. Im selben Moment legte Alistair auf und verstaute sein Handy in seinem Sakko. Als er sich umdrehte, trug er wieder sein makelloses Lächeln. Den Himmelsstein hatte er in seiner geballten Faust versteckt.

„Wie lange verfolgst du mich schon?", fragte Alistair.

An der Türpforte stand der mit Blutspritzern übersäte Sheytan. Der Billardtisch war das Einzige, was das Medium von dem wehrlosen Prinzen trennte. „Inmitten des Irrgartens hatte ich plötzlich ein blumiges Parfum gerochen, ein sehr streng riechendes Parfum. Ein Parfum, welches sich höchstens alte, verzweifelte Frauen auftragen würden, um immerhin aufgrund ihres Geruchs aufzufallen. Ich ging dieser Spur in meiner Vermutung nach, dieses Parfums könnte zu Constanze von Maurier gehören. Ich hatte sogar Räucherstäbchen innerhalb des Irrgartens ausgelegt, die diesen markanten Duft verschleierten und diese Spur nur für mich allein reservierten. Doch nun stehe ich vor dir."

„Ich liebe das Parfum", sagte Alistair lächelnd. „Mich stört es nicht, ob es als Frauenparfum etikettiert wurde. Wenn ich wie ein frisch aufblühender Rosengarten riechen möchte, dann trage ich mir eben Damenparfum auf."

„Daran liegt es also?", fragte Sheytan grinsend. „Nicht, dass sich Constanzes Parfum an dich heftete? Hat sie dir verraten, wo du den Himmelsstein finden kannst? Hältst du ihn gerade in deiner verkrampften Faust?"

Alistairs Lächeln blieb unverändert. „Ich bin weder bewaffnet, noch besitze ich großartige Kampffähigkeiten, deswegen möchte ich dieses Duell ungern mit Gewalt austragen. Kann ich davon ausgehen, dass ich diesen Raum unversehrt verlassen kann, wenn ich den Himmelsstein ohne Gegenwehr aushändige?"

„Was für ein Unmensch wäre ich, wenn ich dieses erbärmliche Angebot ausschlagen würde?", fragte Sheytan verächtlich. „Händige mir den Himmelsstein aus ... Danach solltest du mir nie wieder unter die Augen treten, sonst werden diese Wände mit blauem Blut tapeziert."

Alistair legte seine Hand über den Billardtisch und hielt dabei durchgehend Blickkontakt zu dem mörderischen Sheytan. Langsam öffnete er seine Faust und ließ den Himmelsstein auf das rasengrüne Filztuch gleiten. Erst als er die Gewissheit hatte, dass Sheytan noch an Ort und Stelle verblieb, nahm er die Hand von dem Billardtisch und ging die ersten Schritte zur Tür. Dabei machte er einen großen Bogen um den Tisch, um ja nicht in die Griffweite des Mediums zu gelangen. Statt auf den Prinzen zu stürzen, quälte Sheytan nicht seine Mordlust bei Anbetracht dieses wehrlosen Stück Fleisch, sondern seine unverschämte Neugier.

„Eine Frage, sofern es mir erlaubt ist", sagte Sheytan mit einem bösartigen Grinsen. „Sag, hat sich der Beischlaf mit der verschrumpelten Mumie letzten Endes gelohnt? Oder waren es nur vergebene Liebesmühen?"

Alistairs Lächeln schwächelte nicht einmal bei Sheytans Verspottungen. „Weißt du, Liebe kann etwas Schönes sein. Man muss es nur zulassen. Was man den Lippen einer Frau nicht entlocken kann, dann gewiss ihren Zweiten."

Sheytans Grinsen war verflogen. „Du kranker Bastard ..."

Bester Laune verließ der Prinz das Billardzimmer und hinterließ Sheytan den begehrten Schatz. Neben Alistairs völlig schmerzfreien Bekundungen über das Liebesspiel mit Constanze, wunderte das Medium sich vor allem über die Leichtigkeit, mit welcher der Prinz den Himmelsstein aufgab. Sein Leben musste ihm bei weitem wichtiger sein als das Relikt, doch warum hatte er es dann so weit geschafft, für diesen Stein sein Leben riskiert, nur um ihn im nächsten Moment Sheytan zu überlassen? In jenen Moment empfand er eine gewisse Ehrfurcht vor dem Prinzen. Jemand, der so leichtfertig mit seinem eigenen Leben umging, handelte nicht viel zimperlicher, wenn es um das Leben anderer Menschen ging.

Eden OdysseeOnde histórias criam vida. Descubra agora