ruhige Welt und innerer Sturm

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Nach dreimaligem Erzählen dieser Ereignisse könnte man meinen ich hätte es inzwischen verarbeitet, doch so leicht war es nicht. Ich wünschte es wäre so. Yvonne hatte, sobald ich fertig war, begonnen über Jack zu reden, dass er im Moment bei der Polizei war wegen dieser Geschichte. Mehr bekam ich nicht mehr mit. Mein Blick blieb an der Tasse hängen. Ich beobachtete meinen eigenen Finger, wie er an der Tasse herumkratzte, als hätte sie etwas, das ich dadurch von ihr lösen konnte. Meine andere Hand lag locker auf dem Tisch. Yvonne und Haudrauf schienen in ihrem Gespräch meinen apathischen Zustand nicht wirklich mitzubekommen. Dafür fiel es Hicks auf. Er legte vorsichtig seine rechte Hand auf meine. Ich zog diese sofort zurück und hob mit ihr die Tasse fest. Ein leises Seufzen entkam Hicks. Ich spürte seinen besorgten Blick auf mir liegen. Er stand auf, was die Aufmerksamkeit aller Personen am Tisch auf sich zog. Wenn auch nur für eine Sekunde. Er nahm alle Tassen und stellte sie in die Spüle. Wirklich alle Tassen. Ich hatte nichts mehr, um daran herumzukratzen. Daher stand ich auf und wollte die Küche verlassen. Bevor ich die Tür erreichen konnte, huschte Hicks an mir vorbei. Er stellte sich breitbeinig und mit verschränkten Armen in den Türrahmen. »Lass mich durch«, sagte ich leise. »Du bleibst hier«, erwiderte Hicks stur. »Lass mich durch!«, entfuhr es mir eine Spur lauter. Hicks sagte nichts. Er blieb still stehen und machte auch nicht ansatzweise den Anschein mir den Weg freizumachen. Wegen Hicks' Sturheit hatte ich jetzt zwei weitere Augenpaare auf mir liegen. Vier weitere Augen, die gespannt beobachten, was ich jetzt tue. Ob ich mich brav wieder setzte und schweigsam bleibe oder ob ich mich durchsetzte. Sie bekamen das zweite zu sehen. Ich stieß Hicks unsanft an seiner linken Schulter nach hinten. Er verlor den Halt, fiel einen Schritt zurück und so war mein Weg frei. Ich huschte an ihm vorbei und lief nach oben. 

Ich sah nach draußen in den Garten. Das weiß des Schnees ließ alles ruhig wirken. Schön, dass die Welt das draußen ruhig war, während in meiner Welt ein Sturm nach dem anderen tobte. Leise Schritte näherten sich mir durch die offene Tür. »Jack, geh weg.« Keine Antwort. »Jack! Ich will nicht reden!« Mein Besucher setzte sich neben mir auf den Boden. »Jack ist noch garnicht zuhause. Er hat einen Abstecher zu Elsa gemacht«, erklärte Yvonne während sie mir die Haare hinter die Schulter schob. »Du kannst auch gleich wieder gehen.« »Was war das vorhin?« »Garnichts.« »Astrid...« »Du kannst Hicks sagen, es tut mir leid.« »Nein, das machst du selbst.« Ich sah aus dem Fenster. »Mir ist klar, dass das alles im Moment nicht leicht für dich ist. Doch du musst Hicks verstehen. Er will, dass du das überwindest, so schnell wie nur irgend möglich. Weist du ihn immer wieder so ab, wie vorhin, wird ihm das nicht gelingen.« »Denkst du das wüsste ich nicht?! Ich weiß doch selbst nicht warum ich vorhin so war. Ich könnte mich ohrfeigen dafür, nur brodelt in mir gerade ein gefährlicher Mix aus Gefühlen, den ich nicht kontrollieren kann.« »Gib ihm einfach die Chance, Süße. Komm wieder mit nach unten.« »Ich glaube ich bleib noch etwas hier. Zumindest bis ich mich völlig beruhigt hab. Ich will Hicks heute nicht noch einmal so blöd anmachen.« »Na gut. Aber du kommst noch runter. Wenn nicht tragen wir dich auch gegen deinen Willen ins Wohnzimmer.« »Haha, ja.« »Ich hab dich lieb, Süße.« Yvonne stand auf und lief zur Tür. Kurz bevor sie um die Ecke bog drehte ich meinen Blick zu ihr und sagte »Ich hab dich auch lieb, Ma.« Sie lächelte mich an und ging wieder. Dass sie sich so einfach abwimmeln ließ verwunderte mich etwas. Wahrscheinlich weiß sie wie wie explosiv ich im Moment noch bin. 

Doch bevor ich wirklich noch nach unten getragen werden muss ging ich freiwillig zurück. Zögerlich, aber freiwillig. Die drei saßen noch immer in der Küche. Ich schlurfte langsam in den Raum. Direkt zu Hicks. Er stand sofort auf und musterte mich mit einem noch immer besorgten Blick. Ich griff mit beiden Händen nach seinem Oberteil und zog mich dicht an ihn. So nahe, dass kaum ein Millimeter Platz mehr zwischen uns war. Ich versteckte mein Gesicht zwischen meinen Händen, welche sich schon fast krampfhaft in den Pulli gekrallt haben. Hicks legte seine Hände auf meinen Rücken, welchen er mit einer sanft streichelte. Er lehnte seinen Kopf an meinen an, doch nur für wenige Sekunden. Er hob seinen Kopf ruckartig wieder an und fragte »Was ist eigentlich morgen mit der Schule? Hast du dazu auch was am Telefon erwähnt?« Die Frage konnte nur an Haudrauf gehen. Er antwortete seinem Sohn mit »Nein hab ich nicht. Entweder du spielst morgen krank und tust so, als müsstest du ständig husten. Oder du bleibst zuhause wegen deiner starken Erkältung.« Ich lockerte meine rechte Hand und legte sie flach auf Hicks' Brust, um zu Haudrauf zu sehen. »Danke«, murmelte ich. Hicks leitete das noch einmal etwas lauter weiter. »Danke Vater.« 

Hicks setzte sich wieder, wobei er meine Hände in seine nahm. Er streichelte über meine Handrücken und sah erwartungsvoll zu mir nach oben. Ich setzte mich seitlich zu ihm über seine Beine, statt auf den freien Stuhl. Hicks' Hände legten sich an meine linke Hüfte. Ich lehne mich an ihn. Nach kurzer Zeit nahmen die Anwesenden ihre Gespräche wieder auf, welche sie beendet hatten, als ich den Raum betreten hatte. Sie wurden jedoch wieder kurz unterbrochen, als wieder jemand die Küche betrat. Jack huschte in die Küche hinein, als hätte ihn etwas noch vor der Tür in den Hintern gebissen. Er kam an Hicks vorbei und wuschelte diesem kurz durch die Haare. »Hey Zottelkopf.« Er lief um den Stuhl herum und hab mir einen brüderlichen Kuss auf den Kopf. »Hallo Cousinchen.« Einen Schritt nach links und er gab Yvonne einen Kuss auf die Wange. »Hey Mum.« Dann richtete er sich auf und nickte Hicks' Vater grüßend zu. »Haudrauf.« Er sah wieder zu mir. »Du bist morgen dran, Cousinchen.« Da ich wusste von wo Jack kam, ergab das auch sofort Sinn für mich. »Das nennen die Zeit lassen? Zwei Tage?!« »Die brauchen eben die Aussage.« »Hast du ihn gesehen?« »Nein. Aber ich hatte auch nicht so viel mit ihm selbst zu tun. Vielleicht läuft das bei dir ja anders.« »Mh...Ich hoff es. Ich muss ihm etwas einbläuen.« »Was denn?« »Dass ich keinen Freund hab.« »Ähm...«, Jack zeigte auf Hicks. »Deshalb ja einbläuen. Der soll denken er wüsste nicht alles von mir.« »Ich verstehe...cleverer Zug, Astrid.« Jack holte sich etwas zu Trinken aus dem Kühlschrank und setzte sich auf den leeren Stuhl. Schon nahmen die Gespräche wieder ihren Lauf. Nun mit einem weitern Gesprächspartner. 

Endlich im Glück? Where stories live. Discover now