(k)eine gute Entscheidung

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Das Haus zu verlassen hatte sich gelohnt. Ich verfiel in einen schlafähnlichen Zustand. Das hieß noch lange nicht, dass ich auch geschlafen hatte. Wohl eher hat sich mein Herz in einen Ruhemodus begeben, um meine Körperwärme konstant zu halten, was meinen kompletten Körper zum ruhen brachte. Ruhe oder Schlaf, ist doch das selbe. Sobald die Sonne aufging war es damit jedenfalls vorbei. Von meinem Platz bewegte ich mich jedoch kein Stück weg. Ich starrte vor mir auf den Boden. Was hätte nicht alles passieren können bei meinem kleinen Ausflug. Mit aufgerissenen Augen starrte ich weiter auf diesen Boden. Für Stunden. Oder doch nur Minuten? Etwas dazwischen? Ich wusste es nicht. Mit der Zeit hatte ich mich regelrecht festgestarrt an diesem einfachen Boden. In meinem Kopf bahnte sich mit der Zeit wieder diese drückende Angst an. Obwohl mir hier niemand etwas konnte. Noch nicht einmal finden, also wie soll mich jemand hier verletzen? Es geht nicht. Hier kann man mich auch nicht kontaktieren und mir erzählen wollen sie hätten jemandem weh getan, der mir am Herzen liegt. Hier können sie mir garnichts. Wenn es denn überhaupt schon mehrere sind. Hier kann er mir nichts. Höchstens in meinen Gedanken herumspuken. 

»Astrid! Astriiid!!«

Kannte er überhaupt meinen Namen? Der Ruf war zu verschwommen, um feststellen zu können, ob er es war. 

»Astrid!«

Es wurden mehr Stimmen. Auf einmal drehte sich alles in mir. Ich bekam schlechter Luft, sah nur verschwommen und hörte immer wieder diese Rufe nach mir, ebenso verschwommen wie meine Sicht. Plötzlich raschelte etwas in den Dornen. Ich drehte schnell meinen Kopf in diese Richtung, doch alles verschwamm noch mehr. 

»Astrid?!«

Jetzt wurde alles glasklar. Der Ruf, meine Sicht. Aus dem Gebüsch kam Jack. Er sah sich besorgt um. Als er mich erblickte stürmte er auf mich zu. »Astrid, da bist du ja!« Er blieb kurz stehen, zog ein Funkgerät hervor und sprach etwas hinein. Dann kniete er sich vor mich hin und schob den Schal von meinem Gesicht, um die Hand an meine Wange zu legen. »Du bist ja verdammt kalt! Warst du etwa die ganze Nacht hier?!« Ich gab ihm keine Antwort. Jack zog seine Hand wieder zurück und sah stattdessen auf meine. »Und zittern tust du auch. Astrid, was machst du nur?«, er sah mir besorgt in die Augen. Ich hob meine Hände und sah auf die stark zitternden Finger. Warum hatte ich das nicht schon vorher bemerkt? Warum mache ich eine so dumme Aktion?? Jack hat sicher nicht alleine nach mir gesucht. Meine Hände zitterten immer mehr, Tränen begannen wieder einmal sich in meinen Augen zu sammeln. »Hey, hey, Astrid, alles ist gut. Es ist doch alles gut.« Jack nahm meine Hände in seine, als Versuch mich zu beruhigen. Ich sah ihm in die Augen und brachte ein nur kaum hörbares Flüstern hervor. »Es tut mir leid. Ich hab nicht nachgedacht.« Er zog mich in seine Arme. »Ist doch alles gut Astrid. Es ist alles gut.« Ich vergrub mein Gesicht in seiner Schulter. »Wir fahren jetzt erstmal zur Polizei. Da kannst du dich wieder aufwärmen. Und dann sehen wir weiter.« »Es tut mir leid, Jack. Es tut mir so schrecklich leid.« »Es ist doch alles gut gegangen. Dir muss nichts leidtun. Aber jetzt komm, du bist total verfroren.« Er stand auf und hob mir helfend die Hand entgegen. Ich nahm diese an und ließ mich von Jack auf die Beine ziehen. Diese waren inzwischen vom Sitzen in nur einer Position und der Kälte eingeschlafen. Ich stolperte die ersten Schritte, weshalb Jack mich stützen musste. »Wie hast du mich überhaupt gefunden?« »Hicks hat mir von dem Zugang hier erzählt. Für den Notfall. Und das war definitiv einer.« Stumm lief ich weiter bis zum Auto, welches direkt vor dem Park geparkt hatte. 

Auf der Polizeistation bekam ich sofort eine Decke und eine heiße Schokolade in die Hand gedrückt. Ich hatte mich auf einem Sofa zusammengekauert und spielte mit dem Deckenzipfel. Jack flüsterte auf der anderen Seite des Raumes etwas mit Henry. Ein jüngerer Polizist setzte sich neben mich. »Geht es dir inzwischen etwas besser?« Ich ignorierte seine Frage und stellte stattdessen eine andere. »Wie viele haben nach mir gesucht?« »Sieben Polizisten plus Jack.« »Habt ihr lange gesucht?« »Da Jack uns sofort eine Wahrscheinliche Richtung sagen konnte, zum Glück nein.« »Wie war das denn heute morgen?« »Nachdem Jack uns klar gemacht hat, dass du auf eigene Faust weg bist, ging alles ziemlich schnell.« »Jack hat euch klar gemacht, dass ich alleine weg bin? Woher wusste er das?« »Er hat gemeint, dass du Schuhe und Jacke angezogen hast und weg bist. Es war nichts aufgebrochen oder sonstiges. Entführer legen keinen Wert auf Schuhe oder Jacken.« »Nichtmal das Jugendamt legt Wert auf Schuhe.« »Wie bitte?« »Lange Geschichte.« Ich griff schnell nach der Tasse auf dem Tisch, um etwas in der Hand zu halten, was nicht die Decke ist. Der Polizist blieb still, genau wie ich. Er stand hastig auf und verschwand mit der Aussage »Ich hab noch was zu tun.« 

Ich stellte die inzwischen leere Tasse zurück auf den Tisch. Da kamen endlich mal Jack und Henry zu mir. Jack setzte sich sofort neben mich und legte einen Arm um meine Schultern. »Wieder einigermaßen aufgewärmt, Cousinchen?« Ich nickte. »Astrid, du kannst doch nicht einfach nachts abhauen«, begann Henry. »Das hätte ich garnicht erst gekonnt, wenn dein ach so toller Beschatter aufgepasst hätte! Dem wäre es auch entgangen, dass dieser Typ bei mir zuhause auftaucht!« »Glaubst du das wäre auch nicht mein erster Gedanke gewesen? Jack und ich haben uns eben etwas beraten. So kann das nicht weitergehen, Astrid. Wir müssen den Kerl so schnell wie möglich schnappen, sonst drehst du uns noch durch.« »Und was wollt ihr jetzt tun?« »Du wirst jeden Tag, oder mindestens jeden zweiten, zu Fuß in die Stadt gehen. Immer an der Parkstraße entlang. Wenn der Kerl mehr wollte als dir nur einen Schrecken einjagen, dann wird er wieder zuschlagen. Und dann kommen wir ins Spiel. Zwei andere Polizisten werden ich auf deinem Weg immer in Zivil beobachten. Da kann absolut nichts passieren.« Ich sah zu Jack. »Ist das sicher?« »Ja, ist es. Und wir fangen heute schon damit an. Du wirst nämlich nach hause laufen.« »Wie jetzt und du fährst?!« »Ja. Sieh es als kleine Bestrafung für das Abhauen.« »Das...das kann doch nicht euer ernst sein. Ihr wollt, dass ich genau das mache, wovor ich seit einer Woche Angst habe?!« »Heute Nacht hat es doch auch funktioniert.« »Da war es aber auch Nacht! Das war doch alles nur aus dem Affekt!« »Denk einfach dran; hinter dir sind zwei Polizisten, die einschreiten. Und du selbst kannst auch kämpfen. Dir wird nichts passieren, Cousinchen.« »N-na gut. Ich laufe.«

Endlich im Glück? Where stories live. Discover now