ein erster Schritt

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Ich kam ins Wohnzimmer herunter, wo Jack bereits auf dem Sofa saß und auf mich wartete. Ich setzte mich neben ihn, sah ihn aber nicht an. »Astrid bitte, spiel jetzt nicht die Sture. Das betrifft auch Mum und mich. Also was ist passiert?« »Ich bin einfach nur nach hause gelaufen, da hat er von hinten ein Seil um meinen Hals geworfen und gezogen. Ich hab mich gewehrt gegen ihn. Dann hat er mir erklärt, dass Hannes wieder Besuch empfangen darf und er noch Freunde außerhalb des Gefängnisses hat. Und dass er mir die Schuld an allem gibt!!« Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Jack streichelte mir beruhigend über den Rücken. »Dir wird nichts passieren, Cousinchen. Dafür sorge ich schon.« Ich schnellte wieder nach oben. »Nein! Jack, ich will dich da wirklich nicht mitreinziehen! Dieser Kerl, der bei Hannes war, der hätte mich locker umbringen können. Das hat er aber nicht. Ich glaube weil Hannes mich foltern will. Wie geht das besser als mit Psychoterror und der Gefährdung von Menschen, die ich liebe??« »Du bist also der Ansicht dich selbst verrückt zu machen und zu verkriechen ist die bessere Methode?« »Es ist die sicherere Methode.« Jack rutschte näher zu mir und nahm mich in den Arm. »Astrid, so endet das sicher nicht. Es zögert nur alles hinaus. Oder verursacht sogar schlimmeres.« »Ich weiß«, gab ich wimmernd zu. »Weißt du wie der Typ aussah, der dich angegriffen hat?« »Nein.« »Mist...Ok wir...wir müssen zur Polizei und ihnen bescheid geben wegen Hannes. Dann bekommt der erstmal keinen Besuch mehr und das auch nie wieder.« »Hoffentlich.« »Wir fahren direkt heute noch dort hin.« »O-ok...Wenn du meinst.« »Ja! Anders wird das nie enden, Astrid!« »Das weiß ich doch auch.« »Sag mal...wenn du es vor Mum und mir geheimgehalten hast, was ist dann mit Hicks? Hast du es ihm gesagt?« Zögerlich schüttelte ich den Kopf. »Hast du ihm denn überhaupt was gesagt?« Ich schüttelte wieder den Kopf. »Ach Astrid...« Weinend vergrub ich mein Gesicht in Jacks Hoddie. »Es tut mir leid! Aber...aber ich will ihn da wirklich raushalten. Es reicht mir schon, dass das das letzte mal nicht geklappt hat! Er wurde entführt, schon vergessen?! Nur wegen mir...« »Sch, Schhhhh Astrid, ist doch in Ordnung«, er rieb über meinen Rücken, »Ich versteh, warum du ihn da raushalten willst, aber wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann ignorierst du ihn im Moment völlig. Da wird er doch eher stutzig, dass etwas nicht stimmt, als wenn du normal mit ihm weiterschreibst.« »Das kann ich doch auch nicht machen, dann aber jedes Treffen absagen. Ich weiß es ist nicht fair von mir ihn so zu ignorieren. Ich bin erst seit drei Wochen wieder hier, aber das ist mir lieber als ihn wieder in Gefahr zu bringen.« »Er wird es verstehen, keine Sorge.« »Deshalb sorge ich mich noch nicht einmal.« »Ja, ich weiß. Jetzt lass uns erstmal zur Polizei gehen.« Jack zog mich an den Schultern auf die Beine und schob mich zur Tür, wo wir Schuhe und Jacken, ich noch einen Schal, anzogen. Auch zum Auto und später in die Polizeistation musste Jack mich schieben. Er fragte auf gut Glück, ob es einen Polizisten gäbe, welcher mit dem Fall Hannes Frost vertraut wäre. Erstaunlicherweise sagte der Polizist vor uns »Ja, da haben wir vor einem Monat erst einen her versetzt bekommen. Ich sag ihm bescheid.« 

Jack und ich wurden in einen Raum mit Tisch und Stühlen gebracht und dort alleine gelassen. Aus dem Gang drang ein gedämpftes »Was? Wirklich?« durch die Tür. Der Mann schien ziemlich erstaunt über Jacks und mein Auflaufen. Logisch, schließlich kommen nicht jeden Tag zwei junge Erwachsene in deine neue Station und wollen etwas bezüglich eines alten, abgeschlossenen Falls. Als der Polizist das Zimmer betrat konnte ich meinen Augen kaum glauben. »Henry?« »Astrid? ... Jack? Was macht ihr zwei hier? Mir wurde gesagt der Hannes Frost Fall?« Ich sah kurz zu Jack, bevor ich mir den Schal vom Hals zog. »Du...was ist los ihr zwei?« »Astrid wurde vor einer Woche überfallen und beinahe erwürgt, wie du noch sehen kannst. Der Kerl, der dafür verantwortlich ist wurde von Hannes geschickt. Er hat Astrid erklärt, dass dieser wieder Besuch empfangen darf. Direkt angehängt eine Drohung. Henry, wir wollen, dass du dafür sorgst, dass Hannes keinen Besuch empfangen kann. Nie wieder. Sonst wird sich das immer wiederholen. Mir egal, wie du das machst. Aber bitte tue es.« »Ich versuche was ich kann. Dafür brauche ich aber eine genaue Aussage von Astrid und Bilder von ihrem Hals. Das können wir gleich machen. Aber vorher noch kurz, was für eine Drohung?« »Er...hat«, stammelte ich los, »mir gesagt, dass...dass Hannes noch i-immer Freunde außerhalb des-des Gefängnisses hat und...und die alle von mir erfahren werden. Denn er...macht mich für alles verantwortlich.« »Verstehe«, Henry stand auf, »Astrid, komm mit in ein anderes Zimmer und wir machen alles fertig.« Ich stand auf und folgte ihm langsam. Ich durfte Henry noch einmal alles detailgetreu erzählen. Nichts sollte ich auslassen. Dann fotografierte er meinen Hals von allen Seiten und ließ mich noch auf einer Karte ungefähr zeigen, wo ich angegriffen wurde. 

»Und du hast sein Gesicht wirklich nicht gesehen?« »Wenn ich es doch sage, ich hab ihn nicht gesehen!« »Das erschwert es deutlich ihn zu finden, das weißt du.« »Ich will auch nur, dass du dafür sorgst, dass weder er noch sonst jemand zu Hannes kommen und mit ihm reden kann.« »Keine Sorge, das werde ich hiermit durchbekommen. Aber dieser eine Kerl, der kann noch mehr machen. Er kennt dich. Wer weiß, wie viel er noch über dich weiß.« »Das weiß ich doch auch! Was glaubst du warum ich voller Angst zuhause sitze?!« »Ich finde es wäre das beste, wenn wir dich von mindestens einem Polizisten beschatten lassen.« »Wenn ich nur zuhause bin?« »Verhalte dich einfach normal. Wenn er wieder zuschlägt ist ein Polizist  in der Nähe und kann einschreiten. Es ist besser als dich zu verkriechen. Und wenn wir ihn haben kann dir nichts mehr passieren.« »Na gut. Aber ich verlasse das Haus auch so kaum.« »Vielleicht kommt er auch zu dir. Wir wissen es nicht. Ein Polizist wird immer in deiner Nähe sein.« »Danke.« »Du musst mir nicht danken. Das ist meine Pflicht.« 

Wir verließen den separaten Raum wieder und gingen zu Jack. Dieser hatte aus Langeweile oder Nervosität, ich weiß es nicht, meinen Schal vollkommen verknotet. Ich konnte die komplette Autofahrt damit verbringen den wieder zu entheddern. Zuhause setzten wir uns zusammen aufs Sofa. Ich hatte mich irgendwann an Jack gelehnt meine Arme um ihn gelegt. Er war jetzt meine einzige Stütze, die verstand was los war. Leise sagte ich mit inzwischen trockener Stimme, von dem langen Schweigen mit Kombination von nichts trinken »Ich hab dich lieb, Jack.« Ich weiß, ich sage das viel zu selten. Ich sage das kaum. Wenn ich es ihm denn überhaupt schon gesagt oder gezeigt habe. Nur durch Jack hab ich vieles aus meiner Vergangenheit überstanden. Er war der erste, der für mich da war, als ich hierher kam. Er war allerdings auch der erste, der mich an der Backe hatte. Er war der erste, den ich Familie nannte, nach dem Tod meiner Mutter. Ich verstehe im Moment nicht warum ich Jack so selten sagte, dass ich ihn lieb habe. Wir zanken und streiten und spaßen und bauen uns gegenseitig immer auf, aber dass wir uns lieb haben sagen wir nie. Aktiv haben wir das auch noch nie gezeigt. Und trotzdem weiß ich, dass Jack mich liebt wie eine kleine Schwester. Er weiß sicher auch, dass ich ihn liebe wie einen großen Bruder. Jack legte einen Arm um mich, auf meine Schulter, und sagte »Ich hab dich auch lieb, Astrid.«

Endlich im Glück? Where stories live. Discover now