zu schnell aufgeholt

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»H-Hallo Herr Morgan.« Vor uns stand natürlich niemand geringeres als unser ehemaliger Mathelehrer. Oder sollte ich besser sagen mein ehemaliger Mathelehrer. Der Mann, der es absolut hasst Paare auf den Gängen zu sehen. »Hallo Astrid. Wie geht es dir so?« »Bestens. Danke der Nachfrage. Und ihnen? Eine neue wilde Klasse?« »Nein. Ich bin zusammen mit den paar aus eurer alten Klasse aufgestiegen.« Ich linste aus dem Augenwinkel kurz zu Hicks nach oben. Er hatte ihn noch ein Weilchen an der Backe. Und nach dem, was er eben gesehen hatte, hatte Herr Morgan ihn jetzt wohl etwas auf dem Kieker. »Oh, das...das wusste ich ja garnicht.« »Ist ja auch nicht wichtig für dich in deiner Ausbildung als...?« »Showkämpferin.« »Ah ja, stimmt. Das warst du.« In seinem Blick sah man schon, er war noch nicht einmal halb so begeistert, wie er es vergeblich versuchte vorzutäuschen. Hicks legte auf einmal einen Arm um meine Schultern und zog mich an ihn heran. Er begann mich vor Herr Morgan zu verteidigen, als hätte er wirklich etwas gesagt. »Sie würden staunen, wenn sie wüssten, was Astrid in diesen eineinhalb Jahren bereits erreicht hat! Während andere in ihrer Ausbildung oder dieser Klasse versagen oder sich dafür abrackern überhaupt einen Hungerlohn in ihrer Ausbildung zu bekommen, hat Astrid bereits einen Job in Amerika bekommen, zu einem internationalen Videospiel von Lucasarts!!« »Beeindruckend. Wirklich beeindruckend, Astrid.« »Danke.« Hicks holte Luft, um ihm noch etwas an den Kopf zu werfen. Doch vorher stieß ich Hicks mit meinem Ellenbogen leicht in die Seite. »Bleibst du zur Mathematikstunde, Astrid, oder gehst du wieder?« »Ich hatte nicht vor zu bleiben.« Er nickte mir einmal zu. »Dann auf ein anderes mal.« Herr Morgan lief neben Hicks. »Du wirst zu spät zur Mathematikstunde kommen, wenn du hier noch lange stehst.« Dann lief er weiter. Hicks sah ihm noch kurz hinterher, bevor er mich losließ, noch schnell zwei Bücher aus dem Spind holte und diese in seiner Tasche verstaute. Hicks gab mir noch einen Kuss auf die Wange und sagte »Wir sehen uns die Tage, Milady. Leider mal wieder die Schule, die uns im Weg steht.« Ich grinste ihn an und nickte Herrn Morgan hinterher. Hicks schenkte mir noch ein Lächeln und rannte los, um noch vor dem Lehrer im Klassenraum zu sein. Ich drehte mich in die andere Richtung und verließ das Gebäude. 

Während ich an der Bushaltestelle so auf meine öffentliche Mitfahrgelegenheit wartete, bemerkte ich was für ein schöner Tag heute eigentlich war, für November. Ich sah schnell auf die Uhr. Bis der nächste Bus kommt bin ich auch nach Hause gelaufen. Ich nahm den etwas längeren Weg über die Parkstraße. Um diese Uhrzeit war die wirklich Menschenleer. Ich steckte meine Hände in die Taschen und sah mich glücklich um. Viel zu lange bin ich hier schon nicht mehr vorbeigekommen. Ich freute mich bereits auf den Schnee, der den Weg in eine völlig neue Schönheit taucht. Urplötzlich flog etwas an meinen Augen vorbei. Nur eine Millisekunde später hatte ich einen dünnen Strick um dem Hals, welcher mit großer Kraft nach hinten gezogen wurde. Ein erstickender, reflexartiger Laut entfloh noch meiner Kehle, bevor nichts mehr daraus kommen konnte. Ich versuchte die Ruhe zu bewahren und meine Finger zwischen meinen Hals und diesen Strick zu bekommen, leider vergebens. Ich warf meinen Kopf nach hinten, um Luft zu bekommen. Dabei versuchte ich weiter mich von diesem Strick zu befreien. Generell wehrte ich mich vergeblich gegen meinen Angreifer. Auf einmal wurde ich noch etwas vom Boden angehoben, dass meine Beine frei baumelten. Ich begann mit diesen zu zappeln, mich zu wehren, wie mit allem anderen. Ein nach Bier stinkender Atem kroch zu alle dem noch in meine Nase. Mit dem Atem kamen auch Worte. Die hätte der Typ auch für sich behalten können. »Ein alter Bekannter schickt mich. Er ist aus der Einzelhaft gekommen und darf wieder Besuch empfangen. Und er gibt dir die Schuld für das alles! Hannes hat noch immer Freunde außerhalb des Gefängnisses. Und sie werden alle von dem kleinen blonden Gör erfahren, das ihn hinter Gitter gebracht hat! Aber keine Angst. Noch weiß es nur ich. Noch.« Eine unbeschreibliche Wut kam in mir auf. Ich wehrte und zappelte und trat noch mehr um mich als vorher, um dieses miese Arschloch hinter mir loszuwerden. Mein ganzer Körper wollte ihn nun noch mehr loswerden, als zuvor. Ich holte einmal kräftig aus und trat ihm genau zwischen die Beine. Kaum eine Sekunde später fiel ich auf den Boden. Ich stützte mich auf den Knien und einer Hand ab. Die andere lag an meinem Hals. Nach Luft schnappend starrte ich auf den Boden. Sobald ich auch nur einigermaßen Luft bekam zwang ich mich wieder auf die Beine. Mit wackeligen Schritten setzte ich mich in Bewegung. Eine Hand noch immer an meinem Hals. Ich sah panisch in jede Richtung. Wo er eben herkam könnten noch mehr sein. Er kam fast aus dem nichts. Durch mein Torkeln fiel ich mehrmals fast nach vorne über oder in ein Gebüsch. 

Schließlich kam ich aber zuhause an, ohne noch einmal überfallen zu werden oder selbst umgekippt zu sein. Kein Auto stand da, also hieß das auch keiner war zuhause. Wie gut ich das finden sollte, würde sich noch rausstellen. Mit zittrigen Fingern schloss ich die Tür auf und ging ins Haus. Direkt hinter der Tür brach ich jedoch wieder zusammen und sank auf den Boden. Entsetzt starrte ich auf meine stark zitternden Hände. Da fiel mir etwas ein. Schnell kramte ich mein Handy aus meiner Tasche und öffnete die Kamera. Mit den zitternden Fingerspitzen streichelte ich langsam über die Hämatome an meinem Hals, welche ich dort eben schon befürchtet hatte. Das darf niemand zu sehen bekommen. Keiner soll da mit rein gezogen werden. Nicht schon wieder. 

Meine Hand, mit dem Handy darin, sank immer weiter, bis sie auf dem Boden aufsetzte. Vollkommen apathisch ließ ich es los und zog die Hand zurück. Ich nahm mich selbst so eng in den Arm, wie es nur ging. Das Zittern ließ nach. Die Schauer, welche mir in regelmäßigen Abständen über den Rücken liefen, taten es auch. Besser ging es mir jedoch kein Stück. Ich weiß nicht einmal wie lange ich an der Tür saß. Ich hatte jedes Gefühl für Zeit verloren. Plötzlich wurde mir die Tür gegen den Rücken gestoßen. Jack!! Ich griff schnell nach einem Schal, zog ihn um meinen Hals und stand auf. »Astrid? Warum sitzt du hier an der Tür?« »Mir..mir war nur schwindelig, als ich nach hause gekommen bin.« »Wie lange warst du denn weg??« »Ich weiß nicht...ich...keine Ahnung, ich hab die Zeit vergessen.« Ich hob meine Tasche und mein Handy auf und ging zur Treppe. »Ist alles gut bei dir? Du wirkst etwas durcheinander?« »Nein, alles ist bestens. Ich leg mich etwas hin.« Bevor noch eine Frage kam rannte ich die Treppe nach oben und schloss meine Zimmertür hinter mir ab. 

Endlich im Glück? Where stories live. Discover now