Da hat man schon Urlaub

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Ein toller Morgen. Entspannt aufstehen, einen frischen Kaffee trinken, in Ruhe frühstücken und von Jack als vollkommen verrückt erklärt werden. Ok, das letzte ist weniger toll, aber nach über zwei Jahren auch schon gewissermaßen Gewöhnung. Er meint ich sei verrückt, weil ich heute in Grobians Trainingshalle fahren wollte. »Da hast du schon Urlaub und du fährst nach einer Woche direkt wieder zu Grobian?!« »Ich schau da doch nur kurz vorbei! Außerdem hab ich hier doch eh nichts zu tun.« »Oh, du könntest-« »Siehst du? Nichts zu tun. Ich bin dann mal weg!« Schnell flitzte ich aus dem Haus, bevor er mir wirklich noch eine Aufgabe aufbrummt.

Ich schlich mich leise in die Halle hinein und lehnte mich stumm an den Türrahmen, von wo ich beobachtete wie Eret die Trainingsgeräte aufbaute. Als er ein verdammt lautes Scheppern verursachte, kam auch Grobian in die Halle geeilt. Anders als Eret bemerkte er mich sofort. Die auf dem Boden liegenden teile waren nun egal. »Astrid, was machst'n du hier?« Ich lief zu den beiden in die Halle. »Sehen, wie ihr euch so ohne mich schlagt. Scheint ja super zu laufen«, ich zeigte auf die Teile am Boden. »So war das doch auch schon, bevor du weg bist.« »Das stimmt«, ich kniete mich auf den Boden und montierte die Teile am Übungsgerät. »Wie kann es sein, dass du immernoch nicht weißt wie das geht, Eret?« »Ganz einfach; Es hat mich bisher noch nie interessiert.« Ich stellte mich mit verschränkten Armen vor ihn. Provozierend sagte ich »Stimmt, du interessierst dich ja nur für blonde, langhaarige, verrückte Mädchen, die zufällig auch meine Freundinnen sind.« Eret holte aus und ließ auch nur eine Millisekunde später seine Faust in meine Richtung sausen. Mit einer gekonnten Bewegung wich ich dieser aus. Ich wusste Eret wollte mich nicht schlagen. Das sah man allein schon an der Art, wie er ausholte. Es war ein Fakeschlag , wie wir ihn geübt hatten. Ich wollte ihn aber etwas mit meinem neuen Kampftechnik ärgern. Ich lief einige Schritte rückwärts vor ihm her, bis ich an der Waffenhalterung ankam. Ich griff nach einem Kendostab und warf ihn zu Eret, dann schnappte ich mir selbst einen und lief weiter. Er sah kurz auf den Stab herunter und wieder zu mir. Mit einem kampflustigen grinsen kam er mir nun hinterher. Seinen ersten Schlag wehrte ich noch normal ab. Den zweiten auch. Bei seinem dritten Schlag dann wehrte ich ihn zuerst ab und hing sofort einen Angriff dazu. Eret rieb sich kurz über die von mir getroffene Stelle und versuchte einen erneuten Angriff. Mit meiner Kampfart war ich ihm deutlich überlegen. So endete es eben auch, dass Eret auf dem Boden landete, ich ein Ende des Kendostabs auf ihn richtete und dazu noch gemein grinste. »Von wem hast du das so gut in dieser kurzen Zeit gelernt, Astrid?«, fragte Grobian verblüfft hinter mir. Ich zog den Stab zurück und half Eret wieder auf die Beine. »Colby Boothman. Ich weiß nicht ob du den Namen schon einmal gehört hast.« »Von Colby hab ich tatsächlich schon gehört. Ein wirklich sehr guter Lehrer.« »Find ich auch.« »Dann zeig wie gut du als Lehrerin bist!«, forderte Eret mich heraus. »Wie du willst. Grundhaltung! Körperspannung! Arme nach oben!« Überrascht über den sofort strengen Ton stellte Eret sich bereit. Ich nahm meinen Stab und hob ihn zwischen Erets Arme. Ein Ruck nach rechts und sein Griff löste sich. »Schlampig! Fester Griff, Ellenbogen nach unten!« »Hä?« »Du weißt auch garnichts, Eret.« Mit dem Ende des Stabs schob ich seine Arme zurecht. Mehr oder weniger sanft. »Füg ihm nicht zu viele blaue Flecken zu. Den Ärger bekomm nämlich ich von seinem Vater.« »Ich kann nichts versprechen.«

Ich blieb nur eine Stunde in der Halle. Nach dieser Stunde konnte Eret bereits die Grundlagen. Mehr wollte ich ihm aber auch nicht zeigen, da ich nicht wusste, ob ich das denn überhaupt durfte. Ich war mit dem Bus in die Halle gefahren, da Jack das Auto heute noch brauchte, ich aber nicht wusste, wann ich nach hause komme. Dorthin wollte ich jedoch auch noch nicht zurück. Nach einem Blick auf den Busplan kam mir eine Idee. Und lange warten musste ich auch nicht mehr, bis der Bus kam.

An der Schule verließ ich meinen Bus wieder. Auf dem Weg in das Schulgebäude steckte ich meine Kopfhörer zurück in meine Tasche. Ich hoffe Hicks hat noch den selben Spind, wie vorher. Ich betrat die Schule. Die Aula war vollkommen leer. Pause konnte also nicht sein. Ich lief meinen altgewohnten Weg zu Hicks' Schließfach, von dem auch mein altes nicht weit entfernt war. Glücklicherweise war es noch immer Hicks' Schließfach und er war gerade dabei Sachen in dieses zu räumen. Ich schlich mich leise von hinten an ihn heran. Zeit mal einen auf süße Freundin zu machen. Hinter Hicks stellte ich mich etwas auf die Zehenspitzen und hob ihm die Augen zu. »Hallo Süßer, na wer bin ich?« »Nathalie? Halt nein, Audrey? Neeein, Momentchen, Momentchen...Merida?« Ich trat ihm schnell mit dem Knie in den Hintern. »Alle falsch.« Hicks drehte sich in meinen Armen herum und fuhr mit den Händen in meinen Nacken. Er sagte verträumt »Natürlich nur meine über alles geliebte Astrid.« »Na geht doch«, ich streckte mich etwas nach oben, um ihm ein Küsschen auf die Lippen zu geben. Er streichelte mir mit dem Daumen über die Wange. »Darf ich fragen was du hier machst?« »Dich besuchen, was sonst?« »Ich weiß nicht, vielleicht Nathalie oder Audrey hinter dem Schulgebäude verprügeln.« »Ha ha, witzig. Du kennst doch nicht einmal eine Nathalie oder eine Audrey.« »Und wenn ich jemanden mit den Namen kennen würde, würden sie mich nicht im geringsten interessieren.« »Du würdest die Namen nur benutzen, um mich zu ärgern, was?« »Ach komm, das war jetzt einmal, Sweetheart.« Er drehte mich zu den Spinden und drückte mich leicht gegen diese. »Nein. Hicks, nein!« »Was ist denn jetzt? Es war nur einmal.« »Das mein ich nicht. Nenn mich nie wieder Sweetheart!!« »Warum denn?« »Weil ich es nicht möchte! Weil es dämlich klingt! Weil du mich noch nie so genannt hast!! Du nennst mich Milady, hast du schon immer!! Ich liebe diesen Namen und bei dem bleibt es auch! Wenn du mich ab und an Süße oder Prinzessin nennst ist das ja ok, aber nenn mich gefälligst nie wieder Sweetheart!!« »Was hast du denn so dagegen?« »Ich will so einfach nicht genannt werden, Hicks. Ich bin deine Lady und nicht irgendein dämliches, süßes Herz!« »Schon gut, schon gut. Ich werd dich nie wieder so nennen, Milady.« »Danke.« »Wenn du...« »Wenn ich?«, ich zog eine Augenbraue nach oben. Hicks lehnte sich lässig mit einem Arm über meinem Kopf an die Spinde. Mit seiner rechten Hand bewegte er sich an meinem Körper langsam herunter, bis sie an meiner Hüfte lag. Dieses "wenn" verstand ich sofort. Grinsend griff ich nach seinem Gesicht und zog es näher zu mir. Hicks hob seine vorher noch abgestützte Hand an meine Wange und erwiderte begehrend den Kuss, der noch so harmlos begonnen hatte. Plötzlich riss Hicks seinen Kopf zurück. Dabei entfernte er sich auch gleich einen halben Meter von mir. Ich sah ihn böse an, doch sein Blick fiel nicht auf mich zurück. Ich sah nach rechts, um zu sehen, wem ich das jetzt zu verdanken hatte. Als ich sah wer dort stand stieß ich mich schleunigst von den Spinden ab und lächelte.

Endlich im Glück? Where stories live. Discover now