Geheimhaltung

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Vor meinem Spiegel nahm ich den Schal wieder ab. »Ich brauche einen Rollkragen. Ich kann nicht ständig mit einem Schal durch die Gegend laufen.« Ich lief einen Schritt auf den Spiegel zu. »Ich hab es doch nicht einmal geschafft einen simplen Knutschfleck zu verstecken. Wie soll ich dann ein verdammtes Würgemal versteckt halten bis es abgeheilt ist?!« Ich fiel auf die Knie herunter. »Das darf doch alles nicht wahr sein. Was ist sein verdammtes Problem?! Warum-« Das Vibrieren meines Handys schreckte mich auf. Jetzt erschrecke ich mich schon aufgrund meines Handys! Und das nur wegen ihm! Ich atmete einmal durch und sah auf das Handy. Es war nur Hicks. 

»Hallo Milady ;* Schule wäre dann für heute geschafft und kann uns nicht mehr unterbrechen. Kann ich vorbeikommen?«

Ich hätte ihn wirklich gerne hier, aber nach dem was im Park war geht das nicht. Ihm fällt genauso wie Jack sofort auf, dass etwas nicht stimmt und ich möchte ihn nicht gefährden. Das hat beim letzten Mal schon nicht funktioniert. Diesmal wird es das. Hicks wird von all dem nichts mitbekommen!

»Das wäre toll ♥ aber mir geht es nicht gut und ich hätte heute lieber meine Ruhe...«

»Oh, schade :( dann lass ich dir die mal ♥ ;*«

»Danke ♥« 

Für heute hab ich ihn schonmal los. Ich sah auf meinen Schrank. Jetzt muss ich noch einen Rollkragen suchen, um das auch vor den beiden Personen in diesem Haus zu verheimlichen. Selbstverständlich hab ich nur einen dieser dämlichen Pullis. Wenigstens verdeckte dieser alles. Dafür war er jedoch auch verdammt warm. Ich zog mir eine kürzere Hose an, zum Ausgleich. Dumme Blicke hin oder her. Es gibt schlimmere Kombinationen, in denen man herumlaufen kann. Auch wenn man die Würgemale jetzt nicht mehr sehen konnte, blieb ich in meinem Zimmer. So lange bis Jack gegen meine Tür polterte und mich rausholen wollte. »Astrid komm raus! Ich hab schon 20 mal nach dir gerufen.« Ich checkte schnell noch einmal alles, ob man wirklich nichts sah. »Ich trete deine Tür ein!« »Nicht nötig«, lächelnd öffnete ich dir Tür und lief an Jack vorbei. »Was hast du da drin den ganzen Tag gemacht?« »Mir ging es nicht gut. Ich hab mich ausgeruht.« »Und jetzt?« »Geht's mir besser.« 

Jack sah mich selbst in der Küche noch immer skeptisch an. Ich musste ihn auf etwas anderes bringen. Da fiel mir ein, ich hatte sowieso noch etwas mit ihm und Yvonne zu klären. »Hicks hatte mich am Wochenende gefragt, ob er Ohnezahn bei sich behalten dürfte. Ich hab ihm gesagt, dass er auch eure Meinung dazu benötigt und nicht nur meine. Also wie seht ihr das? Darf Hicks Ohnezahn bei sich behalten? Natürlich können wir den kleinen Racker auch mal herholen für ein paar Tage oder Wochen.« Die beiden sahen sich nachdenklich an. Ich begann nervös mit dem Finger auf den Tisch zu tippen. Sie sahen wieder beide zu mir. Yvonne nahm meine bereits nervöse Hand in ihre. Ob sie wirklich deswegen nervös war oder doch wegen etwas anderem, konnte ich im Moment nicht einmal sagen. »Wir haben nichts dagegen einzuwenden. Aber natürlich erwarten wir wirklich, dass Ohnezahn ab und an zu uns kommt.« »Super. Ich werde es Hicks ausrichten. Er wird sich wirklich total freuen.« Yvonne lächelte mich an, hielt auch noch meine Hand in ihrer. Ich zog diese nun zurück und begann zu essen. Auch wenn ich jetzt dafür selbst von ihr etwas besorgt gemustert wurde. Es war schwer mir beim Essen nichts weiter anmerken zu lassen. Sehr schwer, aber anscheinend funktionierte es. Weder Jack noch Yvonne fragten, ob etwas wäre. Jetzt musste ich das nur mehrere Tage auch so halten. Das könnte sich etwas schwieriger gestalten, wenn man bedenkt, dass ich nur einen von diesen Pullis hatte. Auf der anderen Seite hatte ich auch das Glück, dass Jack und Yvonne beide arbeiten mussten und das manchmal auf die selbe Zeit fiel. In dieser konnte ich den Pulli ausziehen und waschen. Bis einer der beiden kam war der auch schon wieder trocken und ich konnte ihn anziehen. 

Bereits über eine Woche hielt ich es vor allen geheim. Hicks hatte ich in dieser Zeit vollkommen ignoriert. Ich hab ihm weder geantwortet, noch bin ich an das Telefon gegangen, wenn er angerufen hatte. Und wenn er an der Tür stand schloss ich mich in mein Zimmer ein und sagte mir geht es nicht gut. Es tut mir wirklich leid, was ich da tue, aber ich weiß im Moment keine andere Lösung dafür. Ich hoffe heute kommt er nicht vorbei. In der Zeit, in der Jack und Yvonne weg sind und mein Pulli trocknet wollte ich duschen und meine Ruhe haben. Ich stand lange unter dem laufenden Wasser, einfach nur darüber nachdenkend, was ich gegen diese Situation tun soll oder überhaupt tun kann. Seit dieser Kerl mich beinahe erwürgt hatte, war nichts mehr vorgefallen, allerdings war ich auch nicht wirklich draußen gewesen seitdem. Ich hatte eine zu große Angst. Seit einer Woche habe ich dauerhaft Angst. Und wenn nicht Angst, dann Panik. Es ist schrecklich. 

Ich drehte das Wasser ab und verließ die Dusche. Im Spiegel betrachtete ich das immernoch bestehende Würgemal. Ich streichelte nachdenklich mit den Fingerspitzen darüber. Er hätte mich ganz einfach umringen können, doch er tat es nicht. Einerseits weil ich ihm vorher noch in die Weichteile getreten hab, aber auch vorher schon. Er hätte schnell sagen können, was er sagen wollte und mich dann umbringen. Oder nach meinem Tritt einfach weiter ziehen. Er hat es nicht. Hannes will mich foltern. Er will nicht dass ich tot bin, er will dass ich leide. Meine Hand ballte sich zu einer Faust vor Wut. Er hat es einmal geschafft mir das Leben schwer zu machen. Das schafft er nicht ein zweites mal! Ich atmete einmal durch, um mich zu beruhigen, wickelte ein Handtuch um mich und eins um meine Haare und verließ das Bad. Auf einmal kam Jack die Treppe nach oben. Er starrte mich für eine Sekunde entgeistert an. Ich wollte schnell auf meinem Zimmer verschwinden, doch er packte mich am Oberarm und schob mich gegen die Wand. »Was ist das?!«, er zeigte aufgebracht auf meinen Hals. »Schminke.« »Nach der Dusche?« »Sehr gute Schminke.« »Wofür?« »Ähm...« Verdammt. »Astrid, was ist das?! Warum hast du Würgemale am Hals?!« »Ich...«, meine Hand legte sich an die Stelle, an der Jack mich eben noch gepackt hatte. Ich senkte meinen Kopf, um die kleinen Tränen, welche im Moment in meine Augen krochen, vor Jack zu verbergen. »Ich wurde...angegriffen. Vor einer Woche. In der Parkstraße. Er...er wurde von Hannes geschickt....« »Hannes?!«, Jack war entsetzt. Ich drückte meine Augen zu und nickte. Jack packte mich an den Armen und rüttelte einmal an mir »Astrid, warum sagst du uns das nicht?!« »Ich wollte euch da diesmal raushalten, ok?!«, schrie ich ihn an. Er ließ mich los und nickte zu meinem Zimmer. »Zieh dir was an und komm dann ins Wohnzimmer.« Ich lief schnell auf mein Zimmer, schlug die Tür zu und wischte mir als erstes die Tränen weg. Was machte Jack nur jetzt schon hier?! 

Endlich im Glück? Where stories live. Discover now