unfreiwillige Reitstunde

530 29 4
                                    

Den Sonntag schlief ich aus, bewegte mich so viel wie ein Faultier und ließ mich so gut es ging bedienen. Ein wahrer Faulenzer Tag also. Hätte es dann nicht so gegen 12 Uhr geklingelt. Ich war gerade unten für mein Essen, also ging ich an die Tür. Geklingelt hatte Merida. »Hey Astrid, ich war gerade in der Gegend und dachte ich schau kurz bei dir vorbei, da du ja wieder hier bist und wir uns noch nicht gesehen hatten seitdem«, begrüßte sie mich gleich nett. »Hallo Merida!«, sagte ich froh darüber, dass sie hier ist. Scheint als würde der Tag doch nicht so langweilig werden. »Komm doch rein«, schlug ich vor. »Ich würd gern. Aber wirklich lange kann ich nicht bleiben.« »Warum?« »Ich war auf dem Weg zu Angus.« Ich begann zu grinsen. Hatte Merida in den letzten vier Monaten tatsächlich auch mal einen Freund gefunden? »Angus? Wer ist denn Angus?« Wissend, was ich jetzt dachte, gab Merida extra trocken als Antwort »Mein Pferd.« »Oh..«, ich sah an Merida herunter, »Das erklärt das Reitoutfit.« Sie tippte sich zweimal auf die Nase. »Aber wenn du willst kannst du mit in den Stall kommen. Ist gerade mal 10 Minuten mit dem Fahrrad von hier entfernt.« Ich überlegte kurz. Es war definitiv besser, als den ganzen Tag nur herumliegen. »Ich zieh mir schnell was vernünftiges an. Du kannst ja solange aufs Sofa und musst nicht draußen warten.« »Spitze.« Merida ging ins Wohnzimmer und ich rannte nach oben auf meins. In etwas älteren Klamotten, für den Stall hoffentlich geeignet, kam ich wieder nach unten. »Also ich wäre soweit.« »Dann los.« Draußen holte ich dann noch mein Fahrrad aus der Garage. 

Nach den besagten 10 Minuten kamen wir am Stall an. Dort trafen wir auch gleich auf ein anderes Mädchen, vielleicht ein Jahr älter als wir. Ich meine sie früher auch in der Schule gesehen zu haben. Merida grüßte sie gleich nett »Hallo Almina.« Doch sie musterte Merida nur kurz und gab abfällig zurück »Merida wie immer herausgeputzt in ihrer Pikeurhose und dem HV-Polohemd.« Merida ging sofort drauf ein und gab in der wirklich eingebildetsten Tonlage, die ich je bei ihr gehört hatte, zurück »Und vergiss nicht die Weste von Spooks.« Ich verstand zwar kein Wort von dem was die beiden da sagten, aber allein Merida so reden zu hören brachte mich zum Lachen. Auch wenn ich versuchte es mir noch zu verkneifen. Erst jetzt bemerkte Almina mich überhaupt neben Merida. »Ah und auch schon wieder jemanden dabei, um mit all deiner teuren Ausrüstung anzugeben?« »Angeben? Ich vor ihr? Sie hat doch keine Ahnung wovon wir hier reden, nicht wahr Astrid?« »Nicht die geringste«, brachte ich unter lachen heraus. Das passte Almina überhaupt nicht. Sie schnappte sich ihre Sachen und ging zur Tür. »Vergiss nicht abzuschließen!«, rief sie noch zu uns nach hinten, bevor sie ging. Merida sah mich grinsend an. »Du hast genau richtig geantwortet. Das passt ihr so garnicht.« »Worum ging es denn überhaupt?« »Um die Marken meiner Ausrüstung. Sie wird immer gleich schnippisch, wenn ich in meinen teuren Marken aufkreuze, da sie sich das Zeug nicht leisten kann.« »Ist das nicht egal welcher Name auf der Hose oder dem Hemd steht?« »Unter Reitern nicht. Zumindest wenn sie etwas älter sind und Ahnung haben. Das ist genauso wie...wie ein No-Name Übungsschwert und ein Marken Übungsschwert. Du hast ja auch lieber das Markenschwert, als das No-Name.« »Ich hab noch garkein eigenes Übungsschwert...« »Und mit deinem frisch verdientem Geld kannst du dir jetzt eins kaufen.« Merida zwinkerte mir zu und lief den Gang weiter entlang. Ich blieb einfach an Ort und Stelle stehen und beobachtete ihr hin und her Gerenne. Als sie wieder zu mir kam drückte sie mir ein paar Dinge plus Möhre in die Hand und verschwand wieder. Nach zwei Minuten kam sie zurück und meinte »Komm, wir gehen zu Angus.« Sie lief hastig weiter an mir vorbei und in eine der Boxen. Ich folgte ihr langsam und hatte plötzlich ein riesiges, schwarz weißes Pferd vor mir. Zum Glück war er bereits von Merida angebunden worden. »Ääähhhh....Merida...das ist Angus?« »Jap.« »Was für eine Rasse ist das, wenn ich fragen darf?« Sie kam aus einer Ecke heraus und lief neben Angus' Hinterbeine. »Ein Shire Horse«, sagte sie mit stolzer Stimme und klopfte dem Pferd zweimal gegen die Seite. »Mein kleiner Stolz. Ich hab ihn schon seit ich klein bin.« »Also klein ist was anderes.« »Ach, der tut doch nichts nur weil er groß ist.« Auf einmal schleuderte Angus Merida seinen Schweif ins Gesicht. »Außer das. Das macht er ziemlich gerne.« Mit einer Hand an seiner Seite kam Merida zu mir und begann mir nacheinander die Sachen abzunehmen und an Angus zu befestigen. Dann verschwand sie noch einmal für weinige Sekunden und kam mit dem Sattel wieder. Erstaunlich, wie sie es überhaupt schaffte den Sattel auf den Rücken dieses Pferdes zu hieven. Ohne etwas zu mir zu sagen nahm Merida die Zügel und führte Angus an mir vorbei nach draußen. Sie stieg auf und ritt einige Runden auf dem Platz, welcher sich hinter dem Stall befand. Auf einmal schien sie einen Einfall zu bekommen, denn sie lenkte Angus direkt zu mir. »Hey Astrid, lust auf einen Ausritt?« »Ähm«, ich sah leicht nervös zu ihr nach oben. »Da wird nichts passieren.« »Warum nicht?« »Klasse. Ich wechsel nur schnell den Sattel und wir können los.« Merida stieg ab und führte Angus nach drin. Bevor ich überhaupt wieder bei ihnen war, war sie schon am befestigen des anderen Sattels. »Ich hab für dich jetzt den Fellsattel mit Steigbügeln genommen, damit du auch nach oben kommst.« »Wie, das Teil hat sonst keine Steigbügel?! Wie kommst du denn dann da hoch?« »Haha, ich hab über die Jahre meine Wege gefunden. Du wirst jetzt auch einen finden. Komm«, Merida nahm die Zügel wieder in die Hand und verließ den Stall. Draußen stellte sie sich vor Angus und streichelte ihm über die Blesse. »Steig auf«, forderte sie. »Ähm«, ich sah an Angus nach oben. Das wird doch wohl keine Schwierigkeit da hoch zu kommen, oder? Ich ließ einmal meine Finger knacken und versuchte den Sattel zu greifen. Ich fühlte mich dabei zwar wie ein Affe, der unfähig ist zu klettern, aber ich schaffte es sicher im Sattel zu sitzen. Wofür ich Minuten benötigte, brachte Merida in Sekunden hinter sich. Schwups saß sie hinter mir und griff links und rechts an mir vorbei nach den Zügeln. »Hat ja besser geklappt, als erwartet«, lachte Merida. »Ich hoffe Angus hasst mich am Ende des Tages nicht.« »Wird er schon nicht. Der ist drei kleine Monster auf einmal gewohnt. Da wird ihm ein ruhiges, 18 jähriges Mädchen schon nicht zu viel.« »Deine Brüder?« »Meine Brüder.« 

Wir ritten gerade ein paar Minuten, da erklärte Merida »Weißt du, beim Reiten muss man eigentlich eine gewisse Haltung haben. Stell dir einfach vor du hättest Sex mit Hicks.« »MERIDA?!« Lachend ließ sie ihren Kopf gegen meine Schulter fallen. »Haha, war doch nur ein Witz, Astrid. Entspann dich, haha.« Ich stieß meinen Ellenbogen leicht nach hinten in ihren Bauch. »Haha, au, haha. Ach und dass du es weißt, das ist nicht das selbe, also bitte nicht machen, haha.« »Das ist mir schon klar. Ganz dumm bin ich auch nicht. Aber...da du jetzt schon Hicks erwähnt hast-« »Ich will nichts über euer Sexleben wissen!« »Davon werde ich dir auch sicher nichts erzählen!! Nein, es geht um etwas, das passiert ist, als ich in LA war.« »Oh, was denn?« »Also ich hab mitbekommen, dass Hicks in der Stadt von so einer Sira angemacht wurde. Und dass du sie dafür auf deine Art und Weise aufhalten wolltest, also ihr eine reinschlagen. ... Danke dafür.« »Ah das. Das ist doch nicht der Rede wert. Sira hat sich so niveaulos an Hicks rangemacht, allein dafür hat sie schon einen Schlag in das überschminkte Gesicht verdient. Noch dazu die Unterstellung, du wärst Hicks auch nicht treu. Aber mich wundert es doch, dass er es dir erzählt hat. Eigentlich war das nichts wirklich großes.« »Er hat es mir auch eher widerwillig erzählt, weil Jack etwas darüber rausgerutscht ist und ich dann eingeschnappt war. Immerhin hatte ich ihm auch das mit dem Kuss erzählt.« »Ich hatte Hicks gesagt, er soll es Jack nicht erzählen. Und WOW, was für ein Kuss?! Was hab ich verpasst?!« »Ach nichts.« »Ne ne, du erzählst mir das jetzt. Was für ein Kuss??« Ich seufzte einmal und erzählte Merida die ganze Geschichte. 

»Hm, den Kerl können wir ja mit Sira verkuppeln. Denen ist beiden egal, ob der andere in einer Beziehung ist.« »Können wir das Thema jetzt bitte einfach lassen?« »Na klar. Es wird eh Zeit mal einen Gang höher zu gehen.« »Einen Gang höher...?« Ohne Vorwarnung spornte Merida Angus an und er galoppierte los durch den Wald. 

Wir hatten vollkommen die Zeit vergessen, während wir so durch den Wald ritten. Und gerade weil wir das hatten, war es besser den Heimweg anzutreten. Zurück beim Stall stieg Merida lässig ab und sah zu mir nach oben. Ich stellte mich dabei etwas ungeschickter an. Noch dazu rutschte ich aus, sobald ich mein Gewicht auf den Fuß am Boden setzte. Worauf ich ausgerutscht war wollte ich in dem Moment auch nicht wissen. Und noch weniger wollte ich darauf fallen. Glücklicherweise fing Merida mich auf, indem sie meinen Sturz an meinen Achseln abfing. Sie zog mich wieder nach oben auf die Beine. »Sieh besser nach wo du hin trittst und rutsch drin nicht nochmal aus.« Merida nahm die Zügel in die Hand und lief mit Angus in den Stall. Ich kam nur mit gewissem Abstand hinterher. Um sie jetzt nicht zu stören kletterte ich auf einen Strohballen und blieb dort sitzen, bis Merida zu mir kam. 

Auf dem Weg zu unseren Rädern sagte ich »Ach und sorry nochmal, dass ich vorhin dachte Angus sei dein Freund.« »Haha, ist doch nicht schlimm. Aber den Gedanken darfst du bei mir nie als erstes haben, wenn aus meinem Mund ein männlicher Name kommt.« »Warum nicht? Du kannst nicht für immer single bleiben.« »Haha und ob. Ich brauche keinen Freund. Ich hab alles was ich brauche.« »Hah...der Ansicht war ich auch, bis-« »Bis du Hicks getroffen hast. Ich war dabei, als ihr zwei euch gesehen und ineinander verknallt habt. Schon vergessen?« »Nein, das hab ich nicht. Aber du siehst wie schnell das gehen kann.« »Mag ja sein, aber es kann auch schnell das Gegenteil passieren. Ich bin durch das Bogenschießen ständig unterwegs. Da ist eine Beziehung nicht drin, selbst wenn ich wollte. Ich hab doch gesehen, wie es an Hicks genagt hat, als du vier Monate lang nicht da warst.« »Ja, schon...aber irgendwann finden wir jemanden für dich, dem das nichts ausmacht, vielleicht sogar mitkommt.« »Da denkst du aber verdammt positiv. Astrid, ich komm auch ohne klar. Mach dir keinen Kopf darum.«

Merida schloss die Tür ab und wir fuhren zu mir. Merida fuhr auch direkt weiter zu ihr nach hause. 

_just1fangirl_

Endlich im Glück? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt