Kapitel 57

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Überrascht wandten sich die leeren und verzweifelten Blicke zu ihm um. Es war als würde der kleine Hoffnungsschimmer in ihren Augen wieder zum Leben erwecken.
„Das Buch im Jägerhaus, es kam mir schon beim ersten Mal bekannt vor und auch wenn das meiste meiner Erinnerung von diesem Tag mit Blut getränkt und trüb ist, so sticht dieses Buch aus all den Erinnerungen hervor. Ich erinnere mich an genauso wenig von dem Tag an dem ich die Flucht ergriffen und William sein Bein und Unsterblichkeit genommen habe, meine Gedanken waren so weit weg das ich nur gerade aus gerannt bin und ohne viel nach zu denken sowohl den Staat als auch kurze Zeit später den Kontinent verlassen habe. Ich erinnere mich nicht an die Umgebung, auch nicht an das Haus aus welchem ich raus gesprintete war, aber ich erinnere mich an das Buch welches sie nutzten um ihr Erkenntnisse aufzuzeichnen."
Die Reaktion fielen gemischt aus, die meisten schienen nicht zu wissen wie sehr man einer verzerrten Erinnerung trauen konnte. Auch Aeron blickte ungewiss zu Hayden. Es fiel Merikh erst jetzt auf, aber der Wolf schien sich krampfhaft in Hayden's Arm gekrallt zu haben.

„Es könnte auch ein anderes Buch sein." Revins Schwester sprach das aus was sie alle dachten. „Nein, es ist kein anderes Buch, ich war gestern Abend mit Aeron nochmals im Haus gewesen, die ersten Seiten waren rausgerissen, als wollen sie einen Teil ihrer Geschichte sogar vor ihren eigenen Leuten verstecken." Hayden's Worte schienen die erneut erstorbene Hoffnung in den Augen mancher wieder zurückzuholen. „Exakt, Seiten auf den mein Protokoll niedergeschrieben war. Und wenn das Buch da ist, dann sind auch ihre Labors und Test-Kaninchens dort." „Das heißt Revin ist auch dort." Aerons Stimme war nicht mit Freude gefüllt. Furcht kontrollierte sie, ließ sie bei dem alleinigen Gedanken seinen besten Freund in diesem Höllenloch wissen zu müssen zittern. Aber die Sorge um seinen Freund war nicht das einzige was ihn Angst zu machen schien, da war noch der Gedanke das sie selbst gestern dem Leben als Versuchsobjekte näher gewesen waren, als es ihn jemals bewusst war und noch eine, da war noch eine kleine Furcht, eine Furcht die sich erst langsam und ohne sein Wissen entwickelt, eine die ihn von Innen heraus auffressen würde, so wie sie es einst mit Revin getan hatte, eine Furcht die Merikh jedoch nur vermuten konnte.

„Ich werde mit dir kommen." Während Haydens Augen Entschlossenheit ausstrahlten, schienen Aerons nur größer vor Angst zu werden. „Nein!" „Wie bitte?" Merikh atmete tief durch. „Nein!" „Aber!" Hayden sprang auf und riss seinen Arm aus Aerons griff. Merikh seufzte. „Kann ich kurz mit dir allein reden." Der Jüngere nickte schweigend und folgte Merikh nach draußen.

Weit hinter den hohen Bäumen begann die Sonne sich langsam zu sinken. Die letzten warmen Strahlen fielen durch die Baumkronen auf das große Holzhaus und tauchte es in ihre orange Farbe.
Leise fiel die Tür in ihr Schloss und schirmte die Wolfsohren von ihrem Gespräch ab.
„Lass mich mit dir kommen." „Nein!" Je öfter Hayden es aussprach, umso strenger begann Merikhs Stimme zu werden. „Du musst nach Hause... Nimm Aeron mit, er wird dir etwas sagen müssen und egal wie oft er es abstreitet beharr weiter darauf, lass ihn bis zum Schluss ausreden und entscheide dann, Verstanden?" Verwirrt blickte ihn sein Freund an, schien jedoch genug vertrauen zu fassen um Merikhs Entscheidungen zu akzeptieren.
Hayden war schon immer ein Hoffnungsloser Fall gewesen was Liebe und Beziehungen anging, erst wenn man es ihm mit Beweisen belegen konnte das jemand auf ihn stand schien er es auch zu sehen. Und ich kann nicht zu lassen das wenn mir etwas zustößt, er allein vor sich hin rottet bis er eine falsche Bewegung macht und den Rat auf sich hetzt, auch Aeron würde es so lange in sich hinein fressen bis er daran zu Grunde gehen würde.
Er soll es wissen, Hayden soll es wissen und Aeron verdient es seine Antwort zu erfahren.

„Was ist wenn sie nicht in dem Haus sind? Das Revier des Rudels liegt am weitesten entfernt, es wäre unlogisch sich soweit von seinem Territorium zu entfernen." Hayden versuchte immer noch ihn zu überzeugen nicht zu gehen, selbst als er wusste das Merikh seine Entscheidung schon längst gefasst hatte. „Sie werden da sein, Revin allein dient ihnen nicht viel, sie brauchen mein Blut. Revin ist für sie erst mal nur eine Sache die sie brauchen um an mich ranzukommen und erst wenn sie mich haben können sie sein Blut als Gegengift nutzen." Hayden schwieg.
Er hat es realisiert. Er weiß das er nichts mehr sagen kann um mich aufzuhalten.
Fast schon zögerlich und etwas unbeholfen schloss er Merikh in seine Arme und drückte den genauso kalten Körper fest an sich, während er sichtlich mit den Tränen zu kämpfen schien. „Bitte pass auf dich auf, ich möchte mir keinen neuen besten Freund suchen müssen." Seine Stimme begann langsam zu zittern und die ersten Tränen rollten über seine Wange. „Ich bezweifle das du auch nur ansatzweise einen so tollen Freund wie mich finden wirst." Ein brüchiges Lachen erklang aus Hayden's Mund und er löste sich langsam von Merikh. Die dunklen Augen waren stark gerötet und jeder Atem schien nur zittrig einen Weg in seine Lunge zu finden. Seine Braunen Haare waren nur noch ein durcheinander und das Lächeln auf seinen Lippen schien das einzige zu sein das ihm von einem Ausbruch in Tränen bewahrte.
„Sei Vorsichtig, Bitte." Das Bitte war fast schon flehend. Kurz schnipste Merikh ihm gegen den Kopf und sorgte dafür das der Vampir seinen Blick vom Boden hob. „Bin ich, versprochen. Kümmer du dich lieber um, dass worum ich dich gebeten habe, wer weiß es könnte mein letzter Wille sein." Ein letztes Lächeln erschien auf Hayden's Lippen, bevor Merikh ihm den Rücken zu wand um im Wald verschwand, weg vom Rudel, über die Grenze, vorbei an seinem Haus, bis hin zu dem Leichenhaus.

Die letzten Strahlen waren vom Himmel verschwunden und die Nacht hatte sich wie ein langer, dunkler Schatten über sie gelegt. Es war ruhig, beängstigend ruhig. So beängstigend wie dieses grauenhafte Gefühl, welches ihn schon den ganzen Weg über im Nacken hing, dass Gefühl beobachtet zu werden. Jemand der sich tief in der Dunkelheit verbirgt und sich erst offenbart, wenn seine Krallen weit genug in seinem Opfer vergruben waren, dass deren Schicksal bereits besiegelt ist. Wie ein großer dunkler Wolf welcher langsam aus dem Schatten der Bäume gekrochen kam, um das kleine Lamm zu zerreißen. Doch das hinter ihm war kein großer böser Wolf, das Wesen hinter ihm war ein kleines Kind, welches zu viel Selbstvertrauen von seinen Eltern zu gesprochen bekommen hat und nun mit der Schnauze so hoch in der Luft lief das es nicht mehr sah was für Steine sich ihn in seinen Weg legten.

Noch bevor der Hybrid aus seinem Versteck springen konnte, vergruben sich Merikh Nägel soweit in seinem Hals das er spürte wie schnell das Blut durch seine Adern schoss und sein Herz fest gegen seine Brust schlug, wie sein Kopf sich mit panischen Gedanken füllte und seine Glieder vor Adrenalin zuckten. Angst füllte seine Augen und die Stimme wurde brüchig. „Aber wie...?" Fast schon amüsiert musste Merikh auflachen. „Hast du wirklich gedacht das ein Hybrid mit einer niederen Vampir DNA einen Uralten Vampir besiegen könnte? Erbärmlich." „Aber auf dem Schlachtfeld..." Es war lächerlich wie der Hybrid versuchte sich in seinen letzten Momenten gut zu reden, sich das einreden, was seine Erschaffer ihm schon die ganze Zeit einredeten. „Ja, das war ein Fehler meiner Seite aus, ich war abgelenkt, hab immer wieder zu Revin geschauten und gehofft das er noch auf den Beinen steht, aber jetzt ist er nicht hier, also wer soll mich ablenken?" „Aber du dürftest keine Kraft mehr haben?" Hoffnungslos versuchte er seine Tränen zurückzuhalten. „Ja auch dies stimmt, ich habe immer noch wenig Kraft, es gibt jedoch mittlerweile einen kleinen Unterschied. Ich habe unglaublich Hunger und würde diese widerliche DNA nicht durch deinen Körper fließen, würdest du schon längst ausgetrocknet und faltig auf dem Boden liegen." Fast schon schmerzhaft spürte Merikh, wie der Fluch ungehindert durch seine Adern floß, seine Zähne länger werden ließ und die Pupille in seinen Augen verblasste. „Und jetzt sei doch so brav und erzähl mir wo der Eingang zu den Laboren liegt, ja? Wer weiß wenn mir deine Antwort gefällt lass ich dich vielleicht am Leben."

„Hinter dem Regal mit den Organen, wenn man es zur Seite schiebt enthüllt man einen Geheimgang." Es war fast schon erstaunlich wie schnell der Junge eingeknickt war. Unkontrolliert rannen Tränen aus seinem einem Hinterbliebenen Auge, über seine Wange zu Boden. Die Heilungskraft dieses Dinges war wirklich beindruckend, ein Normaler Vampir würde nach so einem Verlust nicht so schnell wieder auf dem Schlachtfeld stehen.

„Siehst du geht doch." Vorsichtig entfernte er seine Hand von Dylans Kehle, nur um die kurze Freude und Mordlust in den Augen des Monsters zu sehen und dann die kleine Klinge seines Rings weit genug durch seinen Hals zu ziehen um einen Schwall Blut zu Boden fließen zu sehen.

Ungläubig starrte er auf den Boden, bevor er in seine eigene Lache fiel und dort zu Grunde gehen würde.

Merikhs Kopf schmerzt, sein Hunger wurde schlimmer und er war sich sicher das seine Fähigkeit bereits, soweit eingeschränkt war, um nur noch wenige Blut von der Quelle aus einfache und kurze Strecken überqueren zu lassen. Kühl stieg er über den ausblutenden Körper, welcher die Luft mit seinem ekligen Duft verschmutzte und so schlimm wurde, dass nicht einmal mehr die hundert Blumen ihn vor der Außenwelt verbergen würden.

You before me [Boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt