Kapitel 56

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Es war still. So still das er sie von innen zerreißen hörte. Niemand sprach oder wagte es auch nur in seine Richtung zu blicken. Sie saßen alle still auf der Couch und hielten ihren Kopf gesenkt, betrachteten den Boden unter ihren Füßen. Er hatte auch immer seinen Blick gesenkt wenn er sich unsicher war. Diese wunderschönen Augen. Er will sie wieder sehen. Er sollte wieder vor ihm stehen und ihn anlächeln. Er sollte zittrig seine Hand umgreifen und sich dann so in sie krallen, als würde er sie nie wieder loslassen wollen. Er sollte einfach wieder vor ihm stehen und mit einem sanften Ausdruck in den Augen an schauen. Aber er stand nicht vor ihm, er war nicht im Raum, er wusste nicht einmal wo er war.
Die Atmosphäre im Haus war nicht auszuhalten, das wusste er, er konnte im Augenwinkel sehen wie die restlichen Personen zitterten. Sie alle zitterten, außer Hayden. Er saß schweigend neben den Werwölfen und stillte die immer noch leicht blutende Wunde an seinem Oberarm. Sie alle trugen noch Schnitte am Körper, tiefere Kratzer von den Krallen und manche hatten sogar einen Bissabdruck. Auch Merikhs Kleidung trug Spuren vom Kampf, die Fleischwunde an seiner Seite klaffte offen und schloss sich nur elend langsam. Er hatte keine Kraft mehr. Er war am Ende, sie alle waren am Ende, doch sein Geist ließ ihn nicht ruhen. Immer wieder hallte das schmerzerfüllte Heulen in seinem Kopf wieder und zerriss ihn von innen.

...

Als das Heulen die Luft zerriss gefror Merikhs Körper. Er vergaß die Dutzenden Leichen um ihn herum und der Hybrid vor ihm ließ sich seine Chance nicht nehmen. Wie ein Dolch schnitten die Klauen durch seine Hüfte und ließen ihn einige Schritte zurück springen und sich außerhalb der Reichte seines Gegners bringen. Panisch wich sein Blick über das Schlachtfeld und suchte es nach dem weißen Wolf ab, doch als er das Blut gefärbte Fell erblickte fiel sein totes Herz zu Boden und zersprang. Der Bewusstlose Körper des Wolfes lag kraftlos auf dem Boden und der Brustkorb hob sich nur noch schwach, während sich das widerlichste Wesen, das Merikh je begegnet war, über ihn beugte. Er konnte noch das breite Lächeln auf den Lippen des Mannes sehen dem er selbst dieses Leben geschenkt hatte, noch lang bevor er Hayden's Namen überhaupt konnte, und auch der Mann dem er das geschenkte Leben längst beendet hatte. Der Jäger hatte nicht gelogen. Dieser Bastard war immer noch am Leben, aber er war nicht mehr jung. Der Tod geglaubte Vampir alterte. Williams war dem Tode nah und dieses Mal wirklich.
Seine Sicht verschwamm, er konnte die Person neben ihm nicht mehr erkennen. Sein Kopf drehte sich und seine Muskeln versagten unter seinen Befehlen.
Ein Betäubungsmittel oder doch Gift?
Seine Knie kamen auf dem Boden auf und er sah wie sich der Hybrid näherte. Schritt für Schritt ohne das er etwas ausrichten konnte. Wie ein Lamm das dem Wolf ausgeliefert war. Einem grausamen großen Wolf auf zwei Beinen, dessen Augen in einem Zorn erfüllten rot getränkt waren.
Merikh müsste sich selbst die Schuld geben, fragen warum er es nie schafft das was ihm wichtig ist zu beschützen, warum er am Ende immer ihre Hinterbliebene Asche in den Händen halten musste. Doch keine dieser Fragen drang bis in seinen Verstand. Sein Kopf war leer. Alles verlief nur noch in Zeitlupe. Der Hybrid schritt weiter auf ihn zu. Soll er ihn doch mitnehmen, es war ihm egal, er war müde, sein Körper war müde, sein Verstand war müde. Er wollte nur noch schlafen. In seinem Bett liegen mit Revin in den Armen gekuschelt die Augen schließen und erst wieder in der Helle erwachen.
Doch der Hybrid schaffte es nicht einmal bis zu ihm, als sein Schmerzverzerrtes Heulen die Luft durchschnitt. Blut rann wie Tränen aus seinem linken Auge und das rot gefärbte Skalpell fiel langsam zu Boden. Es war ein Wunder, dass das zerstochene Auge nicht der Klinge gefolgt war, doch auch das war egal. Der Hybrid zog sich taumelnd zurück und verschwand mit seinem Gefolge wieder in den verschwommenen Flecken, die vor wenigen Minuten noch ein dunkler Wald gewesen waren.
Revin!
Es war der letzte Gedanke der durch seinen Kopf gehallt war, bevor sein Geist nachgab und er das Bewusstsein verlor.
...
Als er wieder erwacht war, schmerzte seine Seite und er lag auf der Couch Revins Eltern, doch von ihrem Sohn war keine Spur geblieben. Sie hatten nichts, keine Abdrücke, keinen Geruch, rein gar nichts.

„Du kanntest ihn oder?" Überrascht des plötzlichen Einwands Haydens, drehte Merikh ihm den Kopf zu. „Den Mann neben Revin, du weißt wer er ist oder?" Langsam nickte er. „Das ist doch wunderbar!" Voller Hoffnung und glanz in den Augen sprang Revins Schwester von der Couch auf, doch der Vampir schüttelte nur den Kopf. „Grausam, ganz grausam ist es." Seine Stimme zitterte schon fast bei dem Gedanken, Revin in den Händen dieses Mannes wissen zu müssen. „Dieser Mann, Willams, ist ein Monster, ein Monster welchem ich Leben geschenkt habe und welchem ich dieses eigentlich schon längst wieder genommen hatte, doch er hat es überlebt, zwar nicht ohne ein Nachspiel, aber sein Brustkorb hebt sich immer noch." Der Satz drang mit Verachtung aus seinem Mund. Die Blicke der anderen Lagen auf ihm ohne auch nur ansatzweise abzuweichen. Auch wenn sie es nicht aussprachen, stand die Frage ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben.
Was ist passiert?
„Wenn ich es euch erzähle, hört ihr dann auf mich zu durchlöchern?" Sie nickten fast schon in Trance gleichzeitig. Merikh atmete Tief durch bevor er begann.
„Maritha, dieser Name wird den meisten von euch kein Begriff sein, um es kurz zu fassen, sie hat damals es geschafft einen fast perfekten Hybriden hervor zu bringen, einen Hybriden, welcher aus meinem Blut entstand und mit einem Gegengift kontrolliert werden sollte. Das Gegengift war jedoch defekt und der Hybrid starb. Maritha wurde zum Tode verurteilt, gemeinsam mit ihrem Partner Williams. Er hatte ihr bei allem geholfen.
Als ich ihn kennenlernte hatte kannte er Maritha noch nicht, er kannte nur mich. Wir waren Freunde, gute Freunde, doch er wurde besessen von der Idee Werwölfe so kontrollieren zu können, das sie wie ein Heer für ihn kämpfen würden. Ich wurde wütend und hab ihm gedroht das sollte ich ihn jemals wieder sehen, werde ich ihn töten. Doch es lief anderes als geplant...

Warum? Warum musste es so kommen. Leidend musste er dabei zu sehen wie Maritha erneut eine tiefe Wunde in seine Rippe setzte und dabei zu sah wie sie langsam heilte. Er wusste gar nicht mehr, wann er das letzte Mal das Sonnenlicht gesehen hatte. Er war ausgehungert, hatte keine Kraft mehr, keine Fähigkeit die ihm helfen könnte. Immer wieder führten sie Experimente an ihm durch, doch keins tötete ihn, auch wenn er sich es manchmal wünschte. Er wünschte sich seine Augen würden sich nicht mehr öffnen. Immer wieder zapften sie ihm Blut ab, doch es wurde unbrauchbar bevor sie es benutzen konnten.
Es dauerte mehrere weitere Wochen, eh sich eine Möglichkeit für ihn eröffnete. Maritha war in Italien und hatte Willams allein bei ihm zurückgelassen. Er war abgelenkt gewesen, kurz nachdem er Merikh sein Wöchentliches Blut gereicht hatte. Er stand nah, zum Greifen nah. Wut wallte in ihm auf und er zog an den Handschellen, die seine Hände über dem Kopf fesselten. Immer und immer wieder, bis er spürte wie seine Handgelenke brachen und langsam durch das Metall rutschten. Das Blut floss langsam aus einer der Wunden an seinem Handgelenk. Wieder und wieder trafen die Tropfen auf dem Boden auf und Williams wich weitere Schritte zurück.
Endlich. Endlich, endlich, endlich. Da war sie. Das was er sich schon so lang gewünscht hatte zu sehen. Todesangst.
Sie verweilte sogar weiter in seinen Augen als Merikhs Blut begann sein Bein zu zersetzen. Doch Merikh war nicht geblieben, er war gegangen, er wollte weg von hier, egal wohin nur weg.
...
Es war ein Fehler gewesen. Ich hätte bleiben sollen."
In Gedanken versunken blickte Hayden in die Leere. „Sein Bein, er hat es amputiert. An seinem rechten Bein war eine Prothese. So hat er den Fluch überlebt."
„Aber nicht ohne Konsequenz, er altert wieder, zwar langsam, aber er ist nicht unsterblich. Und ich glaub ich weiß wo sie sich befinden."

You before me [Boyxboy]Where stories live. Discover now