Kapitel 47

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Schockiert musste Revin hilflos dabei zu sehen wie sein Freund in seinen Armen langsam zu Boden ging. Vorsichtig griff der Wolf nach dem blassen Gesicht. Sein Herz übersprang einen Schlag als er in die blassen, angsterfüllten Augen blickte.
Ich glaube es war das erste Mal, dass ich Angst in Merikhs Augen gesehen habe und es war das erste Mal das mein Herz so sehr gegen meine Brust hämmerte das ich befürchtete das es gleich rausspringen könnte. Es war auch das erste Mal das ich das starke Zittern meines gesamten Körpers erst spürte als meine Beine bereits nachgegeben hatten und ich hart auf dem Boden gelandet war. Es machte mir Angst, mehr Angst als in dem Moment in dem Merikh über meine Liebe zu ihm herausgefunden, mehr Angst als er mir seine Antwort lieferte, als der Jäger mich angriff, als mein Vater mich verbannte, als Merikh in der Hütte fast seinen Verstand verlor und mich danach fast aussaugte, mehr Angst als zu dem Zeitpunkt in dem ich das erste Mal seine Pupillen losen Augen gesehen hatte, als ich meinen Zusammenbruch erlitten hatte, als diese Bastarde angefangen hatten mich zu berühren und mehr Angst als in dem Moment in dem ich dachte ich hätte Merikh durch mein Zusammenbruch für immer verloren. All dies war nichts im Vergleich zu der Angst die sich in mir ausbreitete, wenn ich in Merikhs langsam verschwinden Pupillen zu schauen und dabei zuzusehen wie die ersten Tränen begannen seine Wangen runter zu laufen.
Vorsichtig streckte Revin seine Hand nach Merikhs Gesicht aus, doch der Vampir rückte zurück und verschwand aus seiner Reichweite. Er konnte sehen wie sehr Merikh seine Zähne zusammenbiss, das er schon befürchte sie könnten abbrechen. Er sah wie sich die Spitzen Nägel schmerzhaft in seine Haut krallten und die ersten weißen Tropfen über seinen Arm zu Boden rannen.
„Wa-Was i-ist das?" schrie einer der Wölfe hinter ihm. Die weißen Adern standen auf der blassen Haut deutlich ab und auch die scharfen Eckzähne glichen mittlerweile mehr den Reißzähnen eines Raubtieres. Und genau das war Merikh, ein Raubtier welches es nach Blut dürstete. Ohne auch nur eine Gehirnzellen benutz zu haben sprang der Wolf hinter ihm auf und versuchte die Flucht zu ergreifen. Doch in seinem Gegner schien nun auch das letzte Fünkchen Gnade erloschen zu sein. Es braucht nicht mal eine Wimpernschlag eh der Wolf schwungvoll gegen die Spintwand gedrückt wurde und einen schmerzhaften Schrei von sich gab. Der Abdruck seines Körpers bildete sich deutlich in dem dünnen Metall wieder und nur ein lauter, schriller Pfiff der durch den Flur hallte, hielt ihn davon ab seine Zähne in das Opfer vor ihm zu rammen. Augenblicklich schnellten die weißen Augen zu Revin rüber und mit dem nächsten Schritt war der Vampir am Boden über ihn gebeugt. Mit einem leisen Schrei gaben Revins Arme nach und er fiel flach auf den Rücken. Schnell schnitten Merikhs Arme ihm jeglichen Fluchtweg ab und er beugte sich gefährlich nah runter.
Ist das mein Ende? Wenn ja dann sollte ich dankbar sein das es in den Armen der Person ist die ich liebe und nicht einsam auf der kalten Straße mit einer Kugel in der Brust.
Er konnte sehen wie Merikhs Augen jedesmal zu Zucken schienen sobald Revins zittrigere Atem auf die heiße Haut prallte. Voller Schrecken musste er dabei zu sehen wie die auf den Boden getropften Blutflecken sich langsam erhoben und in der Luft schwebten.
Merikh hatte ihm gegenüber zwar mal erwähnt das er sein Blut überleben könnte, doch er wusste nicht wie weit dies reichte. Er wusste nicht ob Merikh mit Gewalt ihn nicht doch qualvoll sterben lassen konnte, er wusste nicht wie viel Blut sein Körper aushalten könnte, eigentlich wusste er gar nichts. Nichts über Merikhs Blut und zu wenig über Merikh selbst, aber er musste auch nicht mehr wissen um zu erkennen das er selber lieber sterben würde als diesen Mann über ihm zu verletzten.
Vorsichtig startete er einen neuen Versuch. Langsam legte Revin seine Hände auf Merikhs glühende Wangen und wischte mit seinem Daumen die erneut fließenden heißen Tränen weg. „Bitte...bitte tu etwas bevor ich endgültig den Verstand verliere." Die dunkle Stimme war nicht mehr als ein schwaches Flüstern doch sie reichte um Revin zu zeigen das sein Freund immer noch da drin war. Behutsam zog er Merikhs Handy aus der vorderen Tasche des Pullovers. Doch noch bevor er die Chance hatte zu entsperren, entkam Merikh ein tiefes warnendes Knurren. Schnell blickte Revin ihm wieder in die Augen und schob das Handy auf dem glatten Boden zu einem der verängstigten Wölfe. „Der Code ist 153323." 15 war das Jahr in dem Merikh geboren wurde, 33 hatte er seine Menschliche Seite verloren und 23 war er mit ihm zusammengekommen. Jede einzelne dieser Zahlen markierten einen wichtigen Ereignispunkt in seinem Leben. „Und jetzt?" Es war für Revin fast schon surreal die Stimme dieses Wolfes so sehr zittern zu hören, während seine eigene wieder fest und sicher war. „Geh in die Kontakte und ruf Hayden an, sag ihm das die Versieglung gebrochen ist." befahl er während er weiterhin den Blickkontakt hielt. Hayden war seine letzte Hoffnung, ohne ihn würde er heute noch ausgetrocknet im Schulflur sterben und die Stadt würde spätestens morgen in Panik verfallen. Auch wenn er bereits kein Wort mehr verstand konnte er die zittrige Stimme in der Nähe wahrnehmen. Minuten voller Stille vergingen. Keiner sagte etwas, das einzige was ab und zu mal erklang war das tiefe Knurren des Vampires wenn sich einer der Wölfe auch nur einen Zentimeter bewegte. Revin hatte schon damit gerechnet den restlichen Tag bis zu Hayden's Eintreffen so zu verbringen doch Merikh schien die Geduld auszugehen. Grob fuhr er unter seinen Hals und hob ihn hoch. Revin ließ seinen Kopf schlaff hängen. Er atmete ein letztes Mal tief durch und bereitete sich auf den Schmerz der scharfen Zähne vor, doch noch bevor er folgen konnte, vernahm er ein gläsernes Klirren neben sich und er blickte eine der Betäubungsspritzen aus der Krankenstation. Schnell griff er sie und entfernte die Kappe mit dem Daumen, bevor er die Spritze fest in Merikhs Hals drückte und die Flüssigkeit in ihn fließen ließ.
Der ganze blasse Körper zitterte und brach schlussendlich schlaff auf ihm zusammen. Eilig richtete sich der Blondschopf auf und drehte sich um. Vor ihm stand die Lehrerin die ihnen schon bei der Projektwoche die ganze Zeit im Nacken saß. Schockiert wich Revin einen Satz zurück. „Nein, nein, keine Angst, ich möchte nur helfen, ich weiß schon länger über euch alle Bescheid." versuchte sie ihn zu beruhigen. „Woher?" war alles was aus Revin kommen wollte. „Ich hatte auch mal einen Werwolf als Freund, seit dem Schein ich ein Gespür entwickelt zu haben." Sie lachte leicht nervös. Eigentlich war es egal woher sie es wusste, sie hatte Revin gerade das Leben gerettet. Schwerfällig lehnte er Merikh gegen seine Brust und verschloss die Arme, um den runter kühlenden Körper. Er hatte ihn seit einer Woche nicht mehr halten können, es war ihm egal das die weißen und Pupillenlosen Augen ihn immer noch hungrig anstarrten und das bedrohliche Knurren immer wieder seinen Mund verließ, er wollte gerade einfach nur seinen Freund in den Armen halten.
Mit einem lauten Knall wurde die Tür am Ende des Flures aufgerissen und Hayden und Sebastián traten in das Chaos ein. Leidend blickte Hayden zu ihnen und stellte zwei Fragen. „Ist irgendjemand infiziert? Und ist sie uns feindlich gegenüber?" Sein Blick deutete zu der jungen Lehrerin. „Nein." Es war eine einfach Antwort, doch Revin konnte sehen wie viel Last in diesem Moment von Hayden's Herz fiel. „Okay, Sebastián du bist der stärkste von uns, du nimmst Merikh." Innerhalb eines Atemzuges riss Sebastián Merikh aus Revins Armen und hob ihn Huckepack artig hoch. „Kannst du laufen?" richtete der ältere seine Frage an Revin und begann los zu laufen. Revin erhob sich seufzend und folgte Hayden und Sebastián, vorbei an den weinenden und sichern den Armen liegenden Wölfen, die Treppe runter bis auf den Parkplatz. Die ganze Zeit über, folgte ihnen die Lehrerin auf Schritt und Tritt. „Warum ist sie noch hier?" fragte Sebastián deutlich genervt. „Ich hab dem kleinen Wolf hier gerade das Leben gerettet, ich denke ihr seid mir ein paar Antworten schuldig." Leidend Seufzte Hayden erneut während er ihr die Beifahrertür offen hielt und selbst auf der Fahrerseite einstieg. Revin, Sebastián und Merikh quetschten sich unterweilen auf die Rückbank. Hayden startete den heulenden Motor und fuhr los.

You before me [Boyxboy]Where stories live. Discover now