Kapitel 40

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Genüsslich floss das süßliche Blut in Merikhs Mund. Es raubte ihm seine Sinne, vernebelte seine Gedanken, es stieß ihn in den Abgrund. Er fiel. Berauscht von dem Geschmack schloss sich Merikhs Hand fest um den Hals des Wolfes. Bestimmt drückte er den Kopf weiter zur Seite, um sich selbst mehr Platz zu geben. Seine Zähne ragten weit in den dünnen Körper und der Widerstand von Revins Halses aus begann schwächer zu werden, bis der Vampir seine Hand nur noch um dessen schlaffen Körperteil schloss.

Revin spürte wie immer mehr Blut seinen Körper verließ, bis er nur noch kraftlos in Merikhs Armen hing. Seine Beine hatten bereits aufgegeben und seine Hände krallten sich nur noch wie eine letzte Hoffnung in das dunkle Oberteil des Vampires. Er verlor jegliches Zeitgefühl. Es hätten nur Sekunden, vielleicht Minuten oder sogar Stunden sein können. Er wusste es nicht. Das erste was er wieder bewusst wahrnahm, war wie der konstante Schmerz langsam verschwand und sein Körper vorsichtig an ein kaltes Oberteil gezogen wurde. Seine schwammige Sicht verschlimmerte sich und er konnte nicht mehr unterscheiden wo sich Boden und Himmel trafen. Die kühle Hand des Vampires vergrub auch in seinen Haaren und sein Kopf wurde in Merikhs Schulter vergraben. Er spürte wie die letzten Tropfen des Blutes immer noch langsam über sein Schlüsselbein rollten. „Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir so sehr leid." Die dunkle Stimme wiederholte sich und immer wieder, doch Revin konnte nur noch spüren wie sein Körper sorgsam hoch gehoben wurde. Langsam begann sein System zusammenzubrechen und er sank sanft in eine umfassende Dunkelheit. Früher hätte er sie gefürchtet, hätte alles darum gegeben sie zu verdrängen, doch dieses Mal gab es keinen Grund Angst zu haben. Er wusste das er Merikhs Gesicht sehen würde wenn seine Augen erneut aufschlugen und sollten sie es nie wieder tun, so wusste er wenigstens das er in den Armen der letzten Person die noch für ihn da war, seinen finalen Atemzug getätigt hatte.

Doch soweit kam es nicht, seine Lieder schlugen flatternd auf und kniffen sich sofort wieder zusammen, sobald auch nur ein Strahl des hellen Lichtes in sein Auge fiel. Langsam fiel sein Blick zur Seite und betrachtete den schwarzhaarigen Kopf, der neben ihm lag. Merikhs Lippen waren verschlossen und der Großteil seines Körpers verweilte immer noch auf dem Boden. Die blassen, geröteten Augen waren fest geschlossen und der Ausdruck auf seinem Gesicht verweilte friedlich. „Du solltest deine Augen vielleicht auch nochmal schließen, dein Körper hat sich noch nicht genug erholt." flüsterte Hayden über ihnen, während seine Arme sich auf der Sofa Lehne abstützten. „Was ist passiert?" flüsterte Revin leise zurück um Merikh nicht auf zu wecken. „Er hat zu viel Blut genommen und du hast das Bewusstsein verloren, danach ist er panisch und völlig außer sich hier aufgekreuzt und hat mich fast schon angefleht etwas zu tun. Als ich dich dann versorgt hatte und meinte das wir abwarten müssten, hat er sich stur neben dich gesetzt und stille Tränen vergossen. Vor Erschöpfung muss er irgendwann eingeschlafen sein." Mit Aufgerissen Augen wich Revins Blick zu dem erschöpften Wesen an seiner Seite. Sanft fuhr er durch das struppige Haar. „Er hat geweint?" fragte Revin nochmal nach. Er konnte sich nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen vorstellen, wie eine der Tränen Merikhs Wange hinunter rollen würde. „Ich hatte auch zu erst gedacht das ich mich verguckt hätte, doch ich hatte es nicht. 6 Stunden saß er still neben dir und hat sich immer wieder die Tränen mit seinem Ärmel weggewischt. Doch es half alles nichts, es kam immer mehr. Er hat dich keine Sekunde aus den Augen gelassen, nicht einmal die Zeit seinen Mund sauber zu machen hat er sich genommen. Erst als er erschöpft zusammen gebrochen war konnte ich ihm, wie bei einem Kleinkind den Mund mit einem Lappen reinigen." Bedrückt fuhr Revin ihm weiter durch das Haar und zog seine Hand schnell zurück sobald Merikhs Körper zuckte. Langsam öffneten sich die immer noch schwer geröteten Augen. Ein Schatten von Trauer saß immer noch tief in ihnen. Die blassen Augen waren immer noch Blut gefärbt und Revin schreckte zurück. Auch wenn er froh war das er Merikh helfen konnte, sah wollte er nicht den Schmerz nochmal fühlen. Sein Körper brannte immer noch bei dem alleinigen Gedanken an den Schmerz. Schnell fokussierten sich Merikhs Augen auf den Wolf und realisierten schnell das er zurück geschreckt war. Neben der Trauer begann sich Selbsthass in ihnen abzusetzen. In der Hoffnung das sich die Muskeln des Blondschopfs wieder entspannen würden stand Merikh langsam und mit knackenden Gelenken auf um sich weitere Schritte zu entfernen. Doch zu seiner Überraschung versuchte Revin hektisch aufzustehen und zu ihm rüber zu sprinten. Aber er schaffte nicht einmal einen Schritt, denn nach dem ersten Aufsetzen seines Fußes gab sein Knie bereits auf und sein Körper kam dem Boden beängstigend nah. Doch noch bevor er den Boden spüren konnte, wurde er von einer kühlen Hand unter seinem Brustkorb aufgefangen. Zügig half Merikh ihm zurück auf das Sofa und trat erneut einige Schritte zurück, um Revin sich sicherer fühlen zu lassen. Aber alles was der Wolf tat war seine Hand nach dem kalten Körper auszustrecken. Verwirrt blieb Merikh nur stehen. Die Worte in seinem Hals steckten blieben dort. Langsam näherte er sich Revin erneut und schaute bei jedem Schritt genau hin. Er wollte dem verängstigten Wolf noch mehr zumuten. Allein beim ersten Zucken welches der dünne Körper von sich geben würde, wäre Merikh sofort bereit wieder mehrere Schritte zurück zu weichen. Der Vampir wusste nicht wie viel er mit seiner Aktion zerstört hat. Er war zwar gut darin Menschen einzuschätzen, konnte mit der Ebene einer Beziehung nichts anfangen. Er wusste nicht wo seine Grenzen waren, er wusste nicht wie viele Fehltritte Revin ihm vergeben würde und er wollte es nicht darauf ankommen lassen. „Ist schon okay." ertönte der Satz, der ihn in den Abgrund seines innersten Wesens geschickt hat, erneut. „Nein! Nein es ist gar nichts okay. Du bist schwer verletzt. Du hättest sterben können, alles nur weil ich mich nicht unter Kontrolle halten kann." Merikh hob seine Stimme und sorgte dafür das der dünne Körper doch noch einmal zusammen zuckte. Voller Schuld betrachtete er den Verband der den Abdruck seiner Hand um Revins Hals verschleierte. „Ich weiß das es dir leid tut, ich kann verstehen das du dir die Schuld gibst, aber glaubst du meine Situation wird sich verbessern wenn du hier rum stehst, dich selber fertig machst und am Ende immer weiter von mir distanzierst?" überrascht weiteten sich die roten und Augen und er schaute den Wolf ungläubig an. Es war das erste mal seit Beginn ihrer Beziehung das Revin seine Stimme erhob, aber da war noch etwas. In seinen Augen lag Entschlossenheit, eine Entschlossenheit die er das letzte Mal in seinem bereits zu langen Leben in Karlas Augen erblicken durfte. Nur damals lag diese Entschlossenheit kurz vor ihrer Opferung in ihren Augen. Und dies beunruhigte Merikh. Er war an Karlas Tod schon zerbrochen, er wollte die Folgen Revins niemals kennenlernen. Vorsichtig näherte er sich Revin und wurde sofort in eine Umarmung gezogen sobald er in seiner Reichweite war. Langsam schloss auch der Vampir, um den immer noch schwachen Körper und drückte ihn fest an sich. Er spürte wie Revins Herz schnell gegen seinen Brustkorb hämmerte und wie sein Atem schneller ging. Er sah wie die Wärme sichtlich in seine Gesicht stieg und er es schnell in der Halsbeuge des Vampires vergrub.
„Es tut mir leid." wiederholte sich Merikh ein letztes Mal.
„Ich weiß."

You before me [Boyxboy]Where stories live. Discover now