Kapitel 55

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Der Schock war deutlich auf seinem Gesicht abgebildet und je mehr sein Kopf die Lage zu realisieren schien, desto schneller breitete sich die Panik in seinen Augen aus.
Merikh konnte hören wie sein Herz begann schneller zu schlagen und Revins Gedanken in seinem Kopf so laut wurden das der Vampir sie in seinem eigenen widerhallen hören konnte. Vernebelt und von Angst getrieben versuchte sich der Blondschopf aus Merikhs Griff zu befreien und rutschte ihm dabei fast durch die Finger. Er musste den dünnen Körper fester greifen und kontrolliert zurück gegen seine Brust drücken. Revin schlug immer noch um sich als seine Haut zu glühen begann und der erste Knochen quälend langsam brach. Es schmerzte Merikh selbst die Verwandlung gewaltsam aufhalten zu müssen, aber ihm blieb keine andere Wahl. Tränen liefen über Revins Gesicht.

Das Timing des Angriffes hätte nicht schlimmer sein können. Die Kraft des Vollmondes ließ die Wölfe jetzt schon auf dem seidenen Faden wandern und Revins schien immer dünner zu werden, je mehr die Angst Kontrolle übernahm. Die Stimme in seinem Kopf schien zwar aufgehört zu haben, seine eignen Gedanken waren laut genug um jegliche Rationalität zu übertönen. Er war wie weggetreten und nicht mehr erreichbar für irgendein Wort welches aus den Mündern seiner Freunde wich. Bis sein Kopf fester gegen Merikhs Brust gedrückt wurde und ein schwacher Herzschlag aus dieser entwich. Revin wurde ruhiger und blickte nur noch abwesend aus dem Fenster.
„Wie hast du das gemacht?" Aerons Stimme zitterte schon fast und in seinem Blick spiegelte sich immer noch Hilflosigkeit. Hilflosigkeit weil er unfähig gewesen war Revin irgendwie zu helfen, das er nur in der Ecke hatte sitzen können und dabei zu sehen wie sein Freund von der Angst verzerrt wird.
„Ich lasse ihn meinen Herzschlag hören." Verwirrung spiegelte sich deutlich in den restlichen Gesichtern ab. „Aber dein Herz schlägt doch gar nicht mehr?" Hayden sprach jedes Wort langsam und voller Zweifel aus, er schien Merikh zuzutrauen ihn 200 Jahre lang zum Narren gehalten zu haben. „Tut es auch nicht, es ist ein falscher Herzschlag. Ich pumpe mein Blut mit meiner Fähigkeit kontrolliert durch meinen Körper und lasse so einen falschen Herzschlag erklingen. Da die Bewegungen jedoch präzise und gleichmäßig sein müssen raubt es viel Kraft und lange werd ich es nicht mehr aufrecht erhalten können."
Als hätte er es mit seinen Worten hinauf beschworen, spürte er wie seine Kraft wie Wasser durch die Finger floss und er den Schlag ruckartig unterbrechen musste um nicht alles herzuschenken. Revins Brustkorb hob sich wieder sanfter und seine Augen nicht mehr in Panik getränkt. Etwas zögernd richtete er sich auf, ließ seinen Hinterkopf jedoch weiter gegen die Brust hinter ihm gelehnt. Seine Sicht schien klarer als zuvor und tief in seinem Blick konnte man den Zorn erkennen der die Panik abgelöst hatte.
„Okay jetzt nochmal alles ruhig." Hayden starrte dem Wolf schon fast in die Seele, während Merikh weiter die Arme vor Revins Körper verschränkt hielt und ihm immer wieder über die Arme strich.
„Unser Rudel wird angegriffen. Es ist vermutlich noch kein Kampf ausgebrochen. Mein Vater hat mich benachrichtigt als das Nachbar Rudel die Grenze übertreten hat und den Kopf eines Streuners an einem Ast aufgespießt haben. Er meinte das die Stimmungen die letzten Wochen über durchgängig angespannt war. Er versucht so lang wie möglich fern von dem restlichen Rudel zu halten aber ein Kampf wird unvermeidbar sein." Er versuchte das Zittern in seiner Stimme zu verstecken, es fast schon zu unterdrücken, aber man konnte es hören. Es versteckte sich hinter seinen Wörtern, in seinem Kopf und unter seiner Haut. Das glühen hatte gestoppt und jetzt wurden seine Finger langsam kalt. Es kam von Innen heraus, er hatte immer noch Angst.
„Sie haben gewartet." Hayden blickte Gedanken verloren auf die Fotos auf seinem Handy. „Auf den Vollmond?" Merikh nickte um Aerons Frage zu beantworten. „Sie wollen ihren Hybriden testen. Sie wollen sehen ob das Vampir Gift ihn zerfressen wird wenn seine Wölfische Seite am stärksten ist." Verzweifelt vergrub Hayden sein Gesicht in seinen Händen. „Er wird verrückt werden. Alles was in seine Reichweite kommen wird, wird zerfleischt werden, während das Gift sein Herz so schnell schlagen lässt das es irgendwann einfach versagen wird." „Was wenn es anders laufen wird. Er hat länger überlebt als die anderen, er könnte auch diese Nacht überleben." Auch Aerons Stimme hatte eine Ungewissheit angenommen. Jeder Muskel in seinem Körper schien angespannt und es wirkte als könnte er jeden Moment aufstehen und losrennen. „Es ist egal wie es verlaufen wird, wir werden eingreifen müssen. In einer Stunde machen wir los, bis dahin habt ihr Zeit euch nochmal auszuruhen." Merikhs Stimme war die einzige die noch nicht von Emotionen verzerrt war.

...

Seit über einer halben Stunde lief Revin Kreise auf dem kalten Steinboden des Kellers. „Du solltest dich ausruhen und deine Energie sparen, die Stunden war nicht dafür gedacht das dich deine Gefühle von Innen zerfressen können." Merikh blickte von den Waffen, welche auf dem Metalltisch lagen, auf. Es waren alles Silberwaffen, welche er im Laufe seines Lebens verschiedenen Jägern abgenommen hatte. Seine Finger waren vom dünnen Handschuh Stoff bedeckt, um die Haut vor dem Silber zu schützen.
„Kannst du damit überhaupt umgehen?" Es war fast schon schwer seine Stimme noch durch den lauten Herzschlag zu hören. Die blassen Augen fuhren über die glänzenden Klinge des Dolches und Merikh ließ die Waffe in seinem Ärmel verschwinden. Still ging er zu Revin. Sein Blick lag besorgt auf dem Kleineren. „Wäre ein Pistole nicht effektiver." „Mit so etwas kann ich nicht umgehen, ich könnte die falschen Leute treffen und uns einen Nachteil verschaffen." Seine ruhige Stimme schien Revin wenigsten etwas Sicherheit zu geben. Vorsichtig schloss er seine Arme um den dünneren Köper und strich langsam durch die blonden Haare. „Versprechen mir das du auf dich aufpassen wirst, sollte etwas schief gehen kommst du sofort zu mir verstanden?" Revin gab nur ein schwaches Nicken von sich. Sie Wörter schienen ihm bereits im Hals stecken zu bleiben. Merikh konnte spüren wie die ersten Tränen sein Oberteil begannen zu durchnässen. Die kalten Hände schlossen sich um Revins Wangen und hob seinen Kopf etwas an. Seine Augen glänzten in dem grellen Licht. Mit seinen Daumen strich er die bereits vergossenen Tränen weg. „Alles wird gut versprochen." Vorsichtig verband Merikh ihre Lippen ein letztes Mal, bevor Hayden nach unten gestürmt kam. Ihre Zeit war abgelaufen. Zittrig umschloss Revin die blasse Hand und krallte sich schon fast in ihr fest, während ein sanftes Lächeln seine Lippen zierte.

You before me [Boyxboy]Where stories live. Discover now