Dienstag, 16. November

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Nachdem Lorena mich gestern so sprachlos gemacht hatte, war sie in Tränen ausgebrochen. Bei ihr Zuhause zog sie sich um und machte sich die Haare. Es war ein normaler und langweiliger Schultag gewesen. Nachdem ich zuhause gewesen war, hatte Senna mich auf meine Verletzungen im Gesicht angesprochen. "Kleine Prügelei" in der Schule hatte ich es genannt und sie hatte es geglaubt. Den Tag hatte ich alleine auf meinem Zimmer verbracht, bis Peter in mein Zimmer gestürmt kam. "Wo hast du mein Geld hin?" "Wenn du zu blöd bist um auf dein Portmonee aufzupassen ist das nicht mein Problem." Er war mittlerweile schon am kochen. "Du hast mich eh beklaut.", brummte er zwischen geschlossenen Zähnen hervor während er seine Fäuste ballte. "Los, verprügele mich wieder du loser.", schrie ich so laut das meine Mutter es hören konnte und schmettere ihm mein Buch an den Kopf. "Was ist bitte in dich gefahren?" Auch ich war nun am kochen und musste mich beherrschen. "Lass dich nicht unterwegs beklauen und schieb es auf mich du unfähiger Mensch. Und jetzt verpiss dich aus meinem Zimmer." Damit schubste ich ihn aus der Tür und knallte sie zu, sowie ich den Schlüssel direkt umdrehte. Es hämmerte ein paar mal noch an die Tür, dann herrschte endlich Stille. Nachdem ich dann in der Küche gewesen war um mir was zu essen zu holen, sprach mich Senna erneut nochmal auf die Narben im Gesicht sowie dem blauen Auge an. "Peter.", hatte ich gesagt und war auf der Treppe verschwunden. Ich hatte heute nicht wirklich große Lust zu reden, was das Geschrei meiner Mutter nicht besser machte, da ich hörte wie sie ihn anschrie mich nie wieder zu berühren und wenn er es doch tat das sie ihn rauswerfen wird, da ich vor ihm komme. Daraufhin war die Haustür zugeflogen und meine Mutter war weinend auf dem Boden zusammengebrochen. Ich war gerade dabei sie in den Arm zu nehmen, als Peter wieder in Türrahmen stand. "Hatte mein Portmonee im Auto liegen lassen. Entschuldige das ich so ausgerastet bin." Während meine Mutter weinend in den Armen ihres Sohnes lag, wusste der Kerl nichts besseres als sich für die scheisse bei mir zu entschuldigen? "Verpiss dich einfach da hin, wo du hin wolltest und lass dir Zeit mit dem zurück kommen." Nun war er direkt wieder auf dem Absatz umgedreht und gegangen. Tja und seitdem war er verschwunden. Aber weder meine Mutter noch ich vermissten ihn so sehr das wir nach ihm suchten oder suchen ließen. Ich hatte ihr einen Tee gemacht gehabt und mit ihr fern gesehen. Bis sie müde geworden und ins Bett gegangen war. Nun sitze ich hier um 4 Uhr morgens und denke über diesen total bescheuerten Tag nach. Ich wusste das wenn ich versuchen würde zu schlafen, ich es entweder nicht schaffen würde oder ich einen total schrecklichen Albtraum haben würde. Also entschied ich mich dafür heute den Schlaf wegzulassen und an die Wand zu starren. Die Sonne ging erst in drei Stunden auf, was bedeutete das es stockdunkel in meinem Zimmer war. Man hörte nur den Wind pfeifen und das Meer ganz leise rauschen. Ich wäre jetzt zu gerne dort und würde den Wellen beim brechen zusehen. Meine Mutter schlief seelenruhig in ihrem Bett und Peter schien erst mittags aufzutauchen was mich dazu brachte, meinen Wunsch zu erfüllen. Kurzerhand hatte ich meine Brille aufgezogen, meine Jogginghose gegen eine Jeans getauscht, mir einen Pullover über mein T-Shirt gezogen und meine Winterjacke aus dem Schrank gegraben. Selbst meine alte Mütze hatte ich wieder gefunden, die ich mit 13 wirklich jeden Tag, selbst im Sommer getragen hatte. Um einen Tortur im Bad zu vermeiden wuschelte ich einmal durch meine Haare und zog sie auf. Ich packte meine Schultasche, da ich vorher nicht nochmal nach Hause kam. Essen ließ ich sein, stattdessen schrieb ich meiner Mutter einen Zettel das ich früher wach gewesen bin und schon zur Schule bin. Diesen legte ich ihr auf den Nachttisch neben ihre Brille und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie war immer die einzige Frau gewesen, die mir alles gegeben hat was ich brauchte. Wie sehr ich mir wünschte nie ein Problemkind gewesen zu sein und das geschätzt zu haben was sie mir gegeben hat. Unten zog ich meine ausgelatschten Chucks an und nahm mir meinen Schlüssel. Ganz leise schloss ich die Tür hinter mir und stieg auf mein Fahrrad. Mein Handy zeigte mir nun die Uhrzeit 04:23 Uhr an, was bedeutete das ich mehr als drei Stunden Zeit hatte um in die Schule zu kommen. Also ließ ich mir auf dem Hinweg viel Zeit. Nach 20 Minuten war ich angekommen und schloss es an einem der Fahrradständer an. Es war windig, kalt und dunkel. Zwar nicht mehr so dunkel wie bevor ich los gefahren bin aber immer noch ziemlich dunkel. Ich lief durch den Sand und spürte den sanften Wind in meinem Gesicht. An einem kleinen Baumstamm blieb ich stehen und setzte mich auf ihn. Die Kulisse aus dunklem Himmel und Meer sah so furchtbar unecht aus, das ich mir vorkam wie in einem Film. Ich holte meine Zigaretten raus und zündete mir eine an. Der Rauch in meiner Lunge fühlte sich an als würde er meine Lunge zum gefrieren bringen, doch trotzdem fühlte es sich angenehm an. Viele verabscheuten mich weil ich rauche, dabei war ich genauso wie jeder andere. Bei mir lag nicht das Problem daran das ich seit Jahren rauchte, sondern das meine Psyche den Bach runter ging. Bevor Kaithlin gekommen war, war ich schon ein totales Wrack gewesen. Mit 13 Jahren zu erfahren das man nicht bei seiner echten Mutter lebt, ist etwas, das keinem angetan gehört. Ich bin abgestürzt, habe jegliche Hilfe meiner Mutter die ich, wie ich mir damals einredete nicht kannte, abgewehrt. Sie war für mich niemand, dabei war sie alles was ich brauchte. Und jetzt? Fängt alles von vorne an. Was würde ich dafür geben, alles rückgängig machen zu können. Nochmal Kaithlin's Lippen auf meinen zu spüren, sie in meinen Armen zu halten, sie einfach bei mir zu haben. Und doch weiß ich, das ich es mit Lorena besser machen kann. Das ich sie besser behandeln werde, ihr das Leben geben werde, was ich Kaithlin nicht bieten konnte. "Na, kannst du auch nicht schlafen?", ertönte eine bekannte Stimme hinter mir. Ich warf meinen sechsten Zigarettenstummel in den Sand und drehte mich um. Lorena kam die kleine Düne runtergerannt und setzte sich zu mir. Ich drückte ihr einen leichten Kuss auf die Lippen, der immer inniger wurde. Bis wir irgendwann keine Luft mehr bekamen und von einander ablassen mussten. "Wieso bist du hier?" Sie lächelte mich an. "Hier komme ich immer her wenn es mir schlecht geht, ich nicht schlafen kann oder allein sein möchte. Es ist so schön still hier." Ich nickte und schaute zurück aufs Meer. Nun sah ich die ersten kleinen Sonnenstrahlen am Horizont erscheinen. Es muss wohl wieder ziemlich viel Zeit vergangen sein. "Wir haben 05:53 Uhr, falls du es wissen möchtest." Ich grinste und schaute dabei auf meine Hände. "Was machst du hier?", fragte sie nun und legte ihren Kopf auf meine Schulter. "Konnte nicht schlafen und war ewig nicht mehr hier gewesen, das letzte Mal mit Kaithlin. Wir haben genau hier gesessen und einfach aufs Meer hinaus geschaut. Sie war schlecht gelaunt und hatte meine Nähe eigentlich gemieden, nur nach langem betteln hatte sie eingewilligt mit mir hierher zu fahren. Wir hatten uns gestritten weshalb sie weit am anderen Ende dieses Stammes gesessen hatte.", ich machte eine kurze Pause, weil ich leicht kichern musste. "Nachdem sie versucht hat abzuhauen, hab ich sie fest an mich gedrückt und ihr gesagt das ich sie liebe. Ich glaube, das war das erste Mal gewesen, in der dieses ich liebe dich richtig ernst gemeint war. Das erste mal das ich wirklich wusste wie sehr ich Gefühle für sie hatte, das sie alles war was ich brauchte." Lorena redete mir nicht einmal ins Wort. Sie hörte gespannt dem zu was ich ihr erzählte. Erst als einige Sekunden nichts mehr aus meinem Mund kam, da sich Tränen in meinen Augen sammelten, setzte sie sich auf und schaute mich an. "Sie hat dich genauso sehr geliebt Max. Sie war so glücklich mit dir, auch wenn eure Streits manchmal nicht dem entsprachen, was man sich vorstellt. Sie weinte oft weil sie Angst hatte dich eines Tages zu verlieren. Sie hatte Angst nicht gut genug zu sein, aber sie hatte nie Angst vor dir. Sie hat deine Schläge und deine Worte perfekt weggesteckt. Obwohl ich es eher verstanden hätte, wenn sie diese nicht ignoriert hätte. Sie wollte nur dich, vergiss das nicht." Und nun war alles vorbei, die Tränen tropften nur so in den Sand. Als wären meine Augen eine riesige Regenwolke, wurde der Sand irgendwann total durchnässt. "Und ich liebe dich ebenfalls." Ihre Hand streifte sanft meine Wange und ich blickte ihr in ihre wunderschönen, braunen Augen. Die lila Farbe in ihren Haaren war langsam ausgewaschen und ihr Ansatz färbte sich langsam wieder hellbraun, ihre Naturhaarfarbe. Sie war nicht geschminkt, aber hatte ihr Piercings drin. Eins in der Nase, eins an der Nase und zwei an der Lippe. Ihre Tunnelstangen waren dicker geworden, was heißt sie dehnte ihre Ohrlöcher immer noch. "11mm.", flüsterte sie sanft und lächelte dabei. "Woher weißt du immer was ich denke?" "Du guckst so verträumt." Mittlerweile war die Sonne zu Hälfte aufgegangen, was hieß das wir in knapp einer Stunde in der Schule sein mussten. "Lass uns gehen.", sagte ich nun entschlossen und packte ihre Hand. "Ich hätte viel mehr Lust zu Schwänzen." "Ich kann mir das leider nicht erlauben.", sagte ich und stieg auf mein Fahrrad. "Sonst bleib ich erst recht sitzen." Den Weg über hatten wir beide geschwiegen. Ab und zu hatten wir uns angelächelt aber mehr auch nicht. An der Schule angekommen, haben wir uns einen Kuss und sie verabschiedete sich von mir, da Sie Mathe und ich Geschichte hatte. "Warte." "Ja?", fragte sie und dreht sich nochmal zu mir. "Ich liebe dich übrigens auch." Sie lächelte über beide Ohren und wir küssten uns erneut. Der Tag an dich war völlig in Ordnung, der Unterricht machte mal zur Abwechslung Spaß und in der Mittagspause unterhielt ich, mich mit Lorena über alles und jeden . Da fiel mir ein das ich meine gestrige Therapiestunde verpasst hatte. Zudem auch noch meine erste. Also war sie wahrscheinlich heute um die selbe Uhrzeit. "Was machst du heute?" "Ich muss meine Therapiestunde nachholen aber wenn du möchtest kannst du mitkommen." Kurz überlegte sie, dann nickte sie. Nach der Mittagspause hatte ich zwei Stunden Kunst und sie Musik. Danach fuhren wir direkt zu der Adresse die mir meine Mutter per Whatsapp geschickt hatte. Ein kleines, älteres Haus lächelte mir förmlich entgegen. Es war umgeben von Efeu und doch konnte man noch die roten Backsteine erkennen. Ich klingelte neben dem Namensschild Nordström. Ein Schwede also. "Wie kann ich dir behilflich sein?", fragte ein etwas älterer Mann. "Ich suche nach einem Arvid Nordström." "Der bin ich." "Ich hätte gestern eine Therapiestunde bei Ihnen gehabt, die ich leider verpasst habe." Er lächelte. "Komm rein, du musst bestimmt Maximilian sein." Ich nickte und betrat nach dem älteren Mann das Haus. Lorena dicht hinter mir, schloss leise die Tür. "Deine Freundin kann im Wartezimmer Platz nehmen. Folge mir Maximilian." Ich hab Lorena einen letzten Kuss auf die Wange und folgte Arvid die Treppe nach oben. "Setz dich. Möchtest du etwas trinken?" Ich nickte und nahm ein Glas Wasser an. "Darf ich dich Max nennen? Ständig Maximilian zu sagen nervt uns beide sicher gleich viel." Wir beide mussten lachen. Es nervte mich wirklich wenn man Maximilian sagte. "Wie geht es dir heute?" Ich zuckte mit den Schultern. "Ich habe die Nacht über nicht geschlafen." "Wieso?" "Entweder halten mich meine Schlafstörungen wach oder ich habe Albträume." "Wovon handeln deine Albträume?" Ich überlegte. "Von meiner verstorbenen Freundin." Er nickte und schrieb einiges auf. "Wie und wann ist sie gestorben?" "Am 9. August, also vor 2 Monaten und 7 Tagen. An Selbstmord." Er schaute mich mitleidend an und nickte. "Wenn dir das zu nahe geht musst du es nicht beantworten aber wie genau hat sie sich umgebracht?" "Überdosis Tabletten." Eine Stunde lang redeten wir über Kaithlin, bis er meinte das es für heute reicht und ich am Freitag wieder kommen soll. "Kommt ihr gut nach Hause. Bis Freitag.", hatte er noch gerufen als wir das Gartentor geschlossen hatten und losgefahren waren. Es war mittlerweile 17 Uhr und schon ziemlich dunkel. Vor Lorena Haustür haben wir uns einen Abschiedskuss der anders war als sonst. Er wilder, leidenschaftlicher. Meine Zunge strich über ihre Unterlippe und sie öffnete ihren Mund etwas um meiner Zunge Einlass zu gewähren. Ich zog die an den Hüften an mich und ihre Hände änderten unter mein T-Shirt. Aber weiter wollten wir beide nicht gehen, als beließen wir es dabei wie es war. "Du verändert mich Max.", flüsterte sie und richtete sich die Haare, die ich eben noch verwuschelt hatte. "Wir sehen uns morgen." Während sie zu ihrem Haus lief, aus dem Gekreische von drei kleinen Kindern ertönte, sobald sie die Tür offen hatte, wandte ich mich meinem Fahrrad zu. Zuhause angekommen, stellte ich mein Fahrrad in die Garage und ging durch die Tür, die dort direkt in die Küche führte. "Abend Mama.", sagte ich und nahm mir was zu trinken aus dem Kühlschrank. "Wie war dein Tag?" "Ganz gut soweit. War bei Nordström." Sie lächelte, während sie Karotten klein schnitt. "Wie war's?" "Er ist ein netter Mann, um die 65-70 Jahre alt." "Das wichtigste ist das er dir helfen kann." "Das schafft der Mann sicherlich und Lorena auch." Erneut zierte ein wunderschönes Lächeln das Gesicht meiner Mutter. "Seit ihr endlich zusammen ja?" Ich nickte und legte die Scheiben zum restlichen Gemüse in den Kochtopf. Gemüse mit Kartoffelbrei und Schnitzel gab es. Mein Hungergefühl meldete sich jedoch nicht. "Ich hab keinen Hunger Mama.", sagte ich und wollte gerade die Küche verlassen als sie mich stoppte. "Du wirst was essen Max und wenn du es nicht tust, dann werde ich morgen in der Klinik anrufen ob sie noch einen Platz für dich haben." Da ich darauf keine Lust hatte, nahm ich mir einen Teller und aß ihn komplett leer. "Wie geht's Peter?", fragte ich während ich die Spülmaschine einräumt. "Keine Ahnung, ist mir auch egal. Niemand vergreift sich an meinem Sohn." Den Abend verbrachte ich mit zocken und lesen. Als Peter nach Hause kam, zockte ich gerade meine letzte Runde die ich heute Abend machen wollte. "Du bist ein echt freundeloser Mensch." "Ich denke mal das ich mehr habe als du, sonst würdest du nicht ständig hierher zurück kommen." Er zog den Stecker von meiner PlayStation und dann den von meinem Fernseher. "Geh schlafen du Nichtsnutz." Er schloss meine Zimmertür und ich machte wider willig das Nachttischlicht aus. Da ich zu faul war um jetzt alles wieder einzustecken ließ ich das bis morgen warten. Stattdessen schlief ich sofort ein und verschwand mal wieder in die realistische Traumwelt.

- Sorry das es so lang ist aber mir ist so viel eingefallen :D -

The Song of the DeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt