Dienstag, 2. August

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Zwei Tage war ich jetzt schon hier und saß immer noch unter Tränen an ihrem Bett. Nach all dem was ich ihr angetan hatte, hatte ich sie nun vermutlich endgültig verloren. "Sie wacht schon auf.", hatte mir meine Mutter mehrmals gesagt. Was wenn nicht, für wen soll ich dann noch leben? Sie war alles für mich. Plötzlich begann das Gerät wie bescheuert zu piepen. Senna rief einen Arzt der nach 5 Minuten sofort kam. Sie versuchte sie wieder zu beleben. Sie schafften es, gezwungener Maßen. Ich sank vor der Zimmertür auf den Boden. Wieder unter Tränen. Die letzten zwei Tage habe ich nicht mehr getan als zu weinen und sie beim schlafen zu beobachten. Manchmal erzählte ich ihr was, was total sinnlos war, aber es half mir damit klarzukommen das sie immer noch nicht da war. Nun saß ich hier, total verzweifelt, total verheult. Ich hatte zwei Tage nichts mehr gegessen weil mir absolut der Appetit vergangen war. "Max, beruhig dich." Doch ich konnte nicht. "Max, sie ist wach!", rief nun meine Mutter. Ich riss meine Augen auf und schaute sie an. Ich rannte zurück ins Zimmer und sie lächelte mich an als wäre nie etwas gewesen. Sie lächelte als wäre sie nie weg gewesen. "Kathy.", sagte ich leise und ging langsam auf sie zu. Sie hielt mir ihre blasse Hand hin und ich ergriff sie. "Du siehst schlimm aus.", sagte sie mit ihrer gebrochenen Stimme. "Ich sehe so schlimm aus weil ich verzweifelt war. Weil ich nicht wusste wann du aufwachst oder ob du überhaupt aufwachst." Gruselige Stille trat ein. Nun hatte auch die letzte Schwester das Zimmer verlassen und wir waren alleine. "Wieso?", fragte ich und ging über die Schnitte an ihren Armen. "Ich kann nicht mehr.", flüsterte sie unter Tränen. "Ich auch nicht aber ich bleibe, für dich." Sie lächelte. Zwar konnte man das nicht ein Lächeln nennen da sie nur leicht die Mundwinkel anhob, aber sie hatte es versucht. "Wie geht's dir meine lebende Leiche?", fragte sie mit einem neckenden Unterton. "Leiche? Ich habe vielleicht 2 Stunden innerhalb zwei Tagen geschlafen. Ich wollte wach sein wenn du aufwachst." "Jetzt bin ich wach und du gehst nach Hause und schläfst dich mal schön aus." Ich schüttelte den Kopf. "Muss vorher sowieso noch was klären. Solang bis ich da machen will bleib ich noch hier." "Und das ist wie lange?" Ich zuckte mit den Schultern. "Ein paar Tage?" Sie schaute mich erschrocken an. "Und warum?" "Weil ich bei dir sein will." Sie kicherte. "Mir geht es gut verdammt." Und nach einer Stunde hatte sie mich überzeugt doch mal nach Hause zu gehen. "Wir sehen uns morgen, wenn du ausgeschlafen hast.", waren ihr Worte bevor ich zur Tür gegangen war und ihr nochmal ein schiefes Lächeln geschenkt hatte. Am Abend lag ich in meinem Bett und überlegte. Wie sollte ich am besten mit Lena reden ohne das diese Frau noch mehr eskaliert? Wer soweit geht das seine Tochter dich umbringt sollte sich wirklich einweisen lassen. Kurz darauf stieg die Wut in mir und dann kam der Hass dazu. "Max, hast du Hunger?" Senna holte mich zurück in die Realität. "Nein aber danke." Sie kam zu mir und setzte sich auf mein Bett. "Das ist jetzt der dritte Tag an dem du nichts gegessen hat, ich verstehe das du aufgewühlt bist und angst hast, aber nicht essen ist auch keine Lösung. Wirklich nicht, Schatz." Meine Mama nannte mich nur einmal im Monat Schatz weil ich das hasste, aber heute gefiel es mir. Es zeigte zum ersten Mal das sich jemand für mich interessiert. "Ich nehm was.", sagte ich nach langem überlegen. Sie lächelte und ging runter in die Küche. Nach ein paar Minuten kam sie mit etwas kleinem zu essen wieder. "Du weißt das ich dir nichts Böses will." Sie hatte mir schon immer viele Freiheiten gegeben. Trotzdem war der Schmerz von meiner echten Mutter getrennt zu sein noch sehr groß. "Wieso hat sie mich nicht weggegeben?" Senna schaute mich an. "Sie hat dich geliebt Max, aber sie hatte keine Wahl. Hätte sie dich behalten wärst du vermutlich genauso wie deine anderen Schwestern schon lange tot. Vermutlich hättet ihr nicht mal einen Monat gelebt." "Wegen Lena?" Sie nickte und klopfte aufs Bett. "Ich gehe mal schlafen, mach keinen Scheiss." Ich nickte und Biss in mein Brot das Senna für mich gemacht hatte. Die Nacht war schrecklich. Ich wachte mehrmals auf, bis ich um 5 Uhr dann den Schlaf aufgab und den Fernseher einschaltete.

The Song of the DeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt