Sonntag, 19. Juni

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Es war eine lange Nacht gewesen. Ich hatte Max überredet bei mir zu bleiben, was mich ein wenig beruhigte. Aber nachdem ich 5 mal aus dem selben Albtraum aufgewacht war, wurde Max mürrisch. "Passiert dir das oft?", fragte er am Morgen verschlafen. "Ja seid ich bei meinem Vater wohne." Er strich mir durch meine Haare. "Siehst süß aus wenn du verschlafen bist." Ich seufzte ironisch. "Ich meins ernst. Und das du dich nicht schminkst finde ich auch gut." "Ich bin ein Naturkind. Ich verstecke nichts." Er grinste. "Und das ist gut so." Nachdem wir richtig wach waren, gingen wir nach unten und machten uns Frühstück. Mein Vater war wie immer arbeiten also waren wir alleine da seine Freundin noch nicht bei ihm eingezogen war. "Du redest im Schlaf.", sagte ich leicht lachend. "Was hab ich gesagt?" "Das du mich liebst." Er lachte laut. "Ziemlich früh, wir sind grad mal einen Tag zusammen." Das Lachen verging ihm und er wurde rot. "Naja, man muss sich ja lieben um zusammen zu kommen." Ich ließ mein Brötchen liegen. "Warum isst du nichts?" "Bin nicht hungrig." Er schaute mich ungläubig an. "So dünne Mädchen wie du können nicht behaupten das sie keinen Hunger haben. Beiß wenigstens mal ab." Ich schüttelte den Kopf. "Warum nicht?" "Ich möchte nicht, ganz einfach.", sagte ich motzig. Er verdrehte die Augen und Stütze sein Gesicht in seine Hände. "Tut mir ja leid aber ich kann und möchte nichts essen." Er schaute mich an. "Du bist ein wunderschönes Mädchen, du hast eine traumhaft tolle Figur die sich viele Mädchen wünschen, du hast ein atemberaubendes Gesicht. Nur weißt du was mir auffällt? Deine Mundwinkel Lächeln, deine Augen weinen. Du zeigst deinen inneren Schmerz nicht, stattdessen denkst du wir alle glauben dir deine falsche gute Laune. Ich kenne dich vielleicht erst ein paar Wochen aber ich merke das es dir schlecht geht. Dich belastet das alles sehr und ich kann verstehen dass du dich allein gelassen fühlst aber muss du das wirklich an Essen auslassen? Dir Schaden ein paar Kilo mehr nicht, glaub mir." Ich schaute ihn schweigend an. Was er gesagt hatte löste in mir einen so starken Schmerz aus das ich begann zu weinen. "Okay tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen." Er stand auf und nahm mich in den Arm. "Das war zu viel Ehrlichkeit.", stotterte ich vor mich hin. "Lieber zu viel als zu wenig." Er wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. "Vergesse niemals wie man richtig lächelt." "Das hast du ja schon längst getan." Er schaute mich an und sagte nichts mehr. Er kniete nur vor mir und schaute mich an. Nach ein paar Minuten rutschte auch ihm die erste Träne über seine Wange. Dann folgten mehr, bis ich vor lauter Tränen seine Augen kaum noch sehen konnte. "Warum weinst du?", fragte ich und zog sein Gesicht an meins. "Es ist schwierig in einer Adoptivfamilie aufzuwachsen die gespalten ist. In der du beiden Eltern total egal bist und machen kannst was du willst. In der du dir vorkommst als wärst du total unnötig geboren worden. Allein der Punkt das meine Mutter mich nicht wollte, tut weh. Aber.." Er unterbrach seinen Satz da die Tränen zu viele wurden. "Aber was?", sagte ich angespannt. "Aber wenn man dann noch von seiner zweiten Familie verachtet wird, tut das noch viel mehr weh." Er ging aus der Hocke und setzte sich auf die Couch. "Ich kann nicht ganz nachvollziehen wie es dir geht, aber ich kann verstehen das es nicht einfach ist. Aber du musst es akzeptieren wie die Lage ist. Ich meine, deine Adoptiveltern lieben dich, da brauch man gar nicht fragen. Nur solltest du ihnen auch die Chance geben es dir zu zeigen." Nach dem Satz brach großes schweigen ein. Er lehnte sich nach hinten und mich an seine Schulter. Er wusste nicht, wie schlecht es mir zu dem Zeitpunkt schon ging. Hätte ich gewusst wie weit er ging, hätte ich schon früher alles beendet.

The Song of the DeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt