Kapitel 42

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Mit lautem Getrampel stieg meine Mutter die Treppen zu meinen Zimmer empor und bevor ich mich versah und Angelique erneut verstecken wollte, wurde die Tür aufgerissen.

Mit großen Augen begegnete ich den wütenden Blick meiner Mutter, die anscheinend bald zu platzen schien. Aber dafür war ihr Kopf noch nicht rot genug, wie ich bemerkte.

Ihre Augen wanderten durch den Raum, bis sie ihre harten Gesichtszüge entspannte. Ich folgte ihren Blick. Anscheinend hatte sie das Mädchen entdeckt, die sich hinter mich verstecken wollte.

Hatte sie etwa Angst? Ich hatte eher Angst, dass sie einfach rausgeschmissen werden würde.

"Wer ist das denn?", fragte meine Ma eher freundlich und kam auf uns zu.

Ich trat beiseite, damit das Mädchen sichtbar wurde, die sich gerade eine Haarsträhne hinter ihr Ohr strich und ihre Lider gesenkt hielt.

"Eine aus meiner Klasse.", sagte ich etwas nervös und bemerkte erst jetzt, dass ich mir dauernd durch meine verstrubbelten Haare fuhr. Die Situation war mir unangenehm, weil ich sie vorher unter meinem Schreibtisch gezwungen habe.

"Und wie ist sie hier rein gekommen? Gerade stand sie nicht da.", entgegnete mir meine Mutter mit erhobener Stimme und stemmte ihre Hände gegen ihre Hüfte.

Gleich kam der böse Fingerwackler, den sie jedes Mal brachte, wenn ich Mist gebaut hatte.

Ich verdrehte meine Augen und stieß einen genervten Seufzer aus.

"Ich habe sie unter dem Schreibtisch versteckt.", sagte ich und zeigte mit meinem Finger dahin.

"Und wieso?", fragte sie hartnäckig weiter und ich musste mich wieder mal zusammenraufen, um nicht in die Luft zu gehen. Immer diese Fragen. Schließlich waren wir hier nicht in einem Gebiet mit Spionen.

Oder doch?

"Weil ich nicht wollte, dass du sie siehst! Man sieht doch, wie du austickst.", versuchte ich ihr beizubringen.

"Und keine Angst. Sie ist keine Romina. Sie ist ein normales Mädchen."

Meine Ma nickte leicht und behielt ihren Blick bei dem Mädchen, was etwas unsicher drein sah. Keine Ahnung wie man sich als stumme Person in solchen Momenten fühlte. Ich hätte mir gewünscht einfach nur im Erdboden zu versinken oder unsichtbar zu sein. Ehrlich gesagt war sie schon unsichtbar. Niemand gab ihr Aufmerksamkeit.

Meine Mutter drängte mich beiseite und streckte Angelique ihre Hand hin, die sie zögernd schüttelte. Die blauen Augen schwangen zu mir herüber.

"Schön dich kennenzulernen. Ich bin Harrys Mutter. Und du?", fragte sie und lächelte.

"Ma, sie ist stumm. Sie kann nicht reden.", sagte ich und stellte mich wieder vor dem blonden Mädchen.

Meine Mutter sah mit großen Augen zu mir auf und schien schwer zu schlucken.

"Ist das ein Problem?"

"Nein." Sie schüttelte ihren Kopf.

"Gut.", sagte ich, "Ihr Name ist Angelique."

Ich lächelte mit sanften Gesichtszügen zu dem Mädchen runter, bei der sich aber kein einziger Muskel regte.

Hatte ich was falsches gemacht?

"Schöner Name.", sagte meine Mutter und lief wieder zurück zur Tür.

"Ich lass euch dann mal allein."

Einige Sekunden später fiel die Tür in ihre Fassung und wir waren allein.

Ich schob meine Hände in meine Hosentaschen und strich schnell eine Locke beiseite. Vielleicht sollte ich mal zum Frisör gehen. Langen und still standen wir uns gegenüber.

In Hell's KitchenUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum