Kapitel 64

268 11 5
                                    

64

Mein Hunger auf das Gespräch war unberechenbar geworden. Es verlieh mir leichtes Bauchweh, aber ich versuchte meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Louis legte freundschaftlich seinen Arm um meinen Nacken, da ich so klein und es so wahrscheinlich bequem war. Ich fand seine nette Zuneigung schön und freute mich jedes Mal, wenn ich in seine lebensfrohen Augen schauen konnte, die mich immer lieb anschauten. Wenn er lächelte, lächelte ich auch. Das schaffte niemand. Also legte ich auch meinen Arm um seine Hüfte, um besser gehen zu können.

Wir beide liefen langsam nebeneinander vom Vorhof unserer Schule hin auf den Bürgersteig, wo an uns einige Passanten entgegen kamen. Ich bemerkte merkwürdige Blicke, die ich versuchte zu ignorieren. Aber es fiel mir schwer. Ja, auch ein hässliches Mädchen kann mit einem gutaussehenden Jungen befreundet sein. Die Menschen wurden immer oberflächlicher, aber wie man eben sagt; Das Auge isst mit. In diesem Fall schaute man zuerst auf das Äußere, bevor man den Charakter bewertete. Nur es war schwer seine Persönlichkeit zu offenbaren, wenn das Aussehen nicht überzeugte.

Wie machten es Blinde?

Genau, für mich waren sie die einzigen Leute, die nur den Charakter erkennen konnten. Sie gaben nichts auf das Hübsch sein. Sie konnten das Gesicht ertasten und in ihrer dunklen Vorstellung ein Bild erfinden. Aber sie würden nie wissen, wie ihr Lebenspartner aussieht. Manchmal wünschte ich mir, dass man den arroganten und hochnäsigen Leuten die Augen verband, sie damit eine ganze Weile rumlaufen ließ und sie auch auf Dates gehen dürften. Ich wette, dass sie sich in jemanden verlieben würden, wovon sie nie geglaubt hätten. Es würde einen riesen Knall geben. Einfach den Menschen die Augen öffnen.

„Also, ich wollte gern mit dir reden. Ich glaube, den Satz habe ich schon tausendmal gesagt.", begann Louis, der seine Füße immer wieder voreinander setzte. Als würde er auf ein durchsichtiges Seil balancieren. Ich hob meinen Blick zu ihm hinauf. Könnte ich sprechen, dann würde ich ihn bequatschen, bis er alles rausrückt, was ihm auf der Zunge liegt.

„Zuerst, dass ich froh bin, dass sich Harry an dich geschmissen hat und uns auf dich hetzte.", sprach er weiter. Ich zog meine Augenbrauen zusammen. Wollte er etwa sagen, dass er es mochte mich zu veräppeln? „Okay, das klingt ein bisschen bescheuert."

Ein bisschen? Ich schaute wieder auf seine Füße.

„Also, bitte denk jetzt nicht, dass ich es mag dich zu ärgern. Nein, nein! Ganz im Gegenteil. Ich meine, dadurch haben wir uns kennengelernt, auch, wenn der Start ziemlich holprig und doof war. Irgendwann habe ich dann aber gemerkt, dass du gar nicht so schlimm bist, wie Harry uns versucht hat einzutrichtern.", sagte Louis. Zum Ende hin wurde seine Stimme umso härter. Er sollte sich jetzt bloß nicht aufregen. Ich wollte nicht, dass das wie vor ein paar Tagen endete.

„Ich habe dich schon immer gemocht."

Ich spürte, dass er mich ansah und erwartete, dass ich den Blick erwiderte, was ich dann tat. Am liebsten hätte ich gefragt, ob das stimmte. Aber ich versuchte mich davon selbst zu überzeugen, dass seine Worte wahr waren. Es beruhigte mich innerlich, denn er gab mir ein bisschen Kraft, die ich brauchte, die mir meine Mutter aber nie richtig geben konnte. Er und seine Art hoben sich von den ganz vielen anderen Jungs ab und das mochte ich so sehr. Er war ein besonderer junger Mann.

„Und ich will dir jetzt mal etwas anderes erzählen. Nämlich das ganze Zeug mit Harry, was der Dreckskerl vor hatte oder immer noch hat, wo ich nicht richtig durchblicken kann. Aber ich kann es dir ja versuchen zu erklären. Hoffe, du verstehst mich." Somit entflammte in mir so eine starke Neugierde, dass ich meinen Arm umso stärker um seine Hüfte drückte. Das bemerkte er und lächelte leicht. Wir liefen ziellos durch die Straßen. Die Menschen auf den Wegen ignorierte ich völlig und fixzierte mich nur auf Louis.

In Hell's KitchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt