Kapitel 12

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12

Louis POV

"Komm jetzt!", brüllte der Lockenkopf, bevor die Haustür laut zurück in das Schloss fiel.
Immer noch völlig neben der Spur stand ich Mitten in meinem Zimmer und hatte meine Augen zu, als beide weg waren.
Unkontrolliert arbeitete mein Kiefer, weswegen sich ein Zähneknirschen daraus entwickelte.

Wieso hielt ich Harry nicht auf und ließ das hilflose Mädchen, das nicht mal nach Hilfe schreien konnte, wenn es soweit wäre, mitgehen?

Ich musste echt dumm sein, um die Situation nicht zu erkennen. Schließlich hatte ich vier jüngere Schwestern, bei denen ab und zu auch die Alarmglocken in meinem Hirn los gingen. Auch wenn ich leicht aggressiv und arrogant rüber kam. Niemand kannte mich richtig und das war auch gut so.
Minute um Minute stand ich regungslos und ganz versteift da, bis ich meine Augenlider öffnete und mein Blick auf das leere Bett fiel, wo vor nicht langer Zeit Angelique mit mir drin gelegen hat.
Das war eigentlich ein schönes Gefühl gewesen so dicht neben ihr zu liegen und ihren leichten Atem gegen mein Kinn.
Oder wie sich regelmäßig ihr Brustkorb hob.
Gedankenverloren ging ich bis zur Bettkante und ließ mich langsam auf die Matratze gleiten.
Es war noch ein bisschen warm, was extrem angenehm war.

Ein leichter Duft von Rosen stieg mir in die Nase, das von der Kopfkissenseite kam, wo das Mädchen draufgeschlafen hatte.
Genau der Gleiche, der aus der Kammer kam, als ich gestern die kleine Holztür öffnete.
Es kribbelte leicht, wesswegen ich das Kissen in die Hände nahm und ich daran roch.
Tief saugte ich den Geruch ein, denn noch nie brannte sich sowas so schnell in mein Kopf ein und kein Mädchen vor ihr hatte so einen Eigengeruch.
Er machte irgendwie süchtig.
Dabei schloss ich meine Augen, um es noch intensiver zu genießen.
Das war besser als Alkohol und Kippen.
Vielleicht sogar besser als mit einem Weib zu schlafen.
Wieder flammte in mir diese Wärme nahe des Herzens auf, weswegen ich leicht verkrampfte. Eine völlig andere Erfahrung.

Schließlich ließ ich mit einem Sturm voller verschiedenen Gefühle meinen Kopf in das Kissen fallen.
"F**k!", sagte ich und schlug mit der Faust in die Matratze, bevor ich mich in den Bezug krallte.

Das bekommst du zurück!

Mit kochender Wut und diesen Drang, sprang ich wieder aus dem Bett und zog mich stürmisch an.
Mir war es im Moment egal, ob meine Haare verwuschelt waren oder nicht.
Denn ich musste nur etwas erledigen.
So ein Verräter in der Gruppe zu haben war wie ein blinder Passagier auf einen Kreuzfahrtschiff und so jemanden schüttelte man nicht so leicht ab oder ließ ihn über Bord gehen.

Unterwegs hatte ich mir schon die dritte Zigarette angezündete und rauchte sie nicht, sondern inhalierte.
Tiefe und kräftige Züge ließen mich etwas relaxen. Trotzdem war ich immer noch auf 180 und die Ohrpfeige von Harry blieb auch nicht ohne Folgen.
Im ganzen Durcheinander tauchten wieder die Bilder von gestern Abend in meinem Kopf auf.
Wie sie dort mit ihren gelockten und zerzausten Haaren lag. Ganz friedlich.
Meine Vorstellung breitete sich auf einen perversen Zweig aus, den ich versuchte durch ein leichtes Kopfschütteln abzubrechen, um auf den nächsten Gedanken zu hüpfen.
Aber irgendwie klappte es nicht.
Eher mischten sich noch die grausamen Szenen unter.
Wir schoben Angelique wie eine Schachfigur von einem Feld zum Anderen und wieder wo anders hin.

Kurz vor Liam's Haus, trat ich meine Kippe aus und musste mich beherrschen nicht gleich auszuticken.
Zögernd klingelte ich und wartete geduldig, dass man mir die Tür öffnete.
Aber nichts da. Das Brett vor mir blieb verschlossen.
Na toll.
Ich hatte jetzt auch kein Bock ihm irgendwie hinterher zu rennen, weswegen ich dann wieder ging und mich entschied, durch die morgige kalte Luft zu spatzieren.
Den Kragen meiner Jacke zog ich etwas höher, als mir ein eisiger Wind entgegen kam.
War doch frischer als gedacht.

Ich wusste nicht wohin mich mein Verstand brachte und merkte, dass ich in der Straße war, wo das Haus des Mädchens stand.
Hoffentlich begegnete ich nicht ihrer Mutter.
Wieso musste ich plötzlich so oft an sie denken?
Als ich meinen Blick hob, fiel mir eine bekannte Gestalt ins Auge.
Meter von mir entfernt lief Angelique mit gesenkten Blick und immer noch zersausten Haaren.
Hoffentlich hatte Harry ihr nichts angetan.
Doch umso näher ich kam, bemerkte ich eine knallrote Wange, die sie versuchte mit ihren Haaren zu verdecken.
Schon der kühlen Luft hatte sie leicht angerötete Wangen und eine rotgefärbte Nasenspitze. Sogar ihre Lippen waren schon leicht lila.
Ich wollte sie zuerst aufhalten, als sie tonlos an mir vorbei lief und zu ihrem Haus abbog.
Mitleidig blieb ich stehen und beobachtete sie.

Als ihre kleine Hand klopfte, ging sofort die Tür auf und ihre Mutter schlang erleichtert ihre Arme um den kleinen Körper.
Was sie jetzt alles durchleben musste.
Kurz sank ich meinen Blick auf meine Füße.
Vielleicht sollten wir einfach den Spieß heimlich umdrehen.
Einfach Harry denken lassen, dass ich tue, was er sagt.
Einfach mal anders spielen.
Nicht nur er hatte die besten Karten in den Händen, die man ihm aber schnell wegziehen konnte.

Schnell lief ich weiter und machte mich auf den Weg nach Harry.
Vielleicht war ja Liam dort und die anderen auch.
Aber im Moment wollte ich mir einfach nur die zwei Idioten vorknöpfen.

Weiße Atemwolken stiegen empör, die sich in einem kleinen Wirbel auflösten und der Wind wog sachte die Baumkronen der Baume, die nur noch aus einzelnden Ästen bestand.
Selbst die bogen sich mit der Wehung nach links oder rechts.

In Hell's KitchenWhere stories live. Discover now