Kapitel 32

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Ich mochte es einfach nicht, wenn man jemanden um Aufmerksamkeit drang und schon wusste, man bekam sie.

Nur diese Aufmerksamkeit war von Angst und Unsicherheit geschaffen, die mit einer Prise Schweigen gesalzen wurde. Wer würde schon gerne in dieser missgelegenden Lage stecken, in der sich momentan das arme Mädchen befand? Mein persönliches Empfinden dazu war mit gemischten Gefühlen geprägt, die einerseits aufriefen zu helfen und andererseits mich davon abhielten und zwangen, mich nicht einzumischen. Ich steckte auch in der Zwickmühle, zusammen teilten ich und das Mädchen einen Raum, der unsichtbar um uns gelegt wurde. Nur gab es noch eine Tür, durch der zu jeder Tages- und Nachtzeit der Junge eindrang, den wir beide nicht mehr mochten. Er zerstörte alles! Mich nicht so stark, wie er es bei seinem Opfer tat, was ich anfangs schon mit innerlich kaputt trampelte. Aber zum Glück hatte mich der Vernunft und mein Verstand nicht ganz verlassen und öffnete mir die Augen, was aber auch daran hatte gelegen, dass ich noch Schwestern hatte und sich diese Flamme meines Beschützerinstinktes entfachte. Jedenfalls hatte Harry dieses rote Band aus den Händen verloren, was ihn wieder normal werden ließ.

Unser Lehrer stampfte auf die Zwei zu und zerrte den körperlich schweren Harry von dem Mädchen, was sofort aufstand. "Was tut ihr hier denn?!", brüllte er. "Das ist Sportunterricht und euren Matratzensport könnt ihr daheim beenden." Dem Mädchen stieg die Röte ins Gesicht und stand mit gesenktem Blick dort. Harry fing nur an zu lachen, wie die Restlichen aus unserer Klasse.
"Tut mir Leid. Ich hab die nicht gesehen, weil die so klein ist.", redete er sich mal wieder raus und fuhr sich durch sein gelocktes Haar. Damit stellte er das Mädchen bloß und schob die ganze Schuld auf sie. Man hatte doch klar und deutlich gesehen, dass er sich extra fallen gelassen hatte. Richtig dumm und kindisch von ihm.
Der Lehrer nickte nur und warf seinen Blick kurz hin und her, bevor er wieder durch seine Trellerpfeife pustete. "Alle auf ihre Position! Es geht weiter!", rief er und stellte sich wieder an den Rand.
Wir rutierten, weil meine Mannschaft den Punkt gemacht hatte und jetzt stand ich auch am Netz. Romina musste ausscheiden und setzte sich auf die Bank, dafür kam Zayn wieder rein und hatte den Aufschlag, der gut über das Netz ging. Sofort wurde der von Harry zurück gepasst. Diesmal ging es hin und her, selbst unser Sportlehrer bekam große Augen. Ab und zu schlug ich den Ball auch in die gegnerische Mannschaft, nur das Mädchen stand mit hochgezogenen Schultern dort. Das war definitiv unglaublich scheiße, ausgegrenzt zu werden.

Angelique POV

Ich fragte mich andauernd, wieso ich eigentlich hier stand. Als dann endlich der Ball das andere Feld berührt hatte, sprang Harry rufen mit einem Yes in die Luft. Meine Mannschaft klatschte kurz in die Hände. Jetzt wurde er wieder als Held gefeiert, wie immer. Ich verdrehte nur die Augen und nahm den Platz des großen Mädchens ein, die jetzt ganz außen stand und ich direkt am Netz in der Mitte. Hier hatte man auch eine der größten Aufgaben.

Dafür kam Zayn wieder ins Spiel und hatte Aufschlag, der locker über das Spielnetz ging. Im Moment hatte ich keine Lust mehr zu spielen.
Hier hing nicht mal eine Uhr, um noch die letzten Minuten hinab zu wimmern oder zu beten, dass der Tick Tack Zeiger etwas schneller tickt. Der Volleyball hüpfte wieder von einem Spielfeld zum anderen, bis er das gegnerische Spielfeld berührte. "Wechseln!", rief der Sportlehrer, weshalb ich rausging und mich auf die Bank setzte. Das große Mädchen konnte wieder rein. Gedankenverloren stützte ich meinen Kopf und musste an die alten Sportunterrichtzeiten denken. Was mir peinliches schon passiert war und weshalb ich zum grauen Mauerblümchen wurde. Ab da an nannte man mich Tollpatsch und warf mir noch abwertendere Begriffe gegen meinen Kopf.

                 F L A S H B A C K

Die Sonne stand hoch am Himmel und ließ den Erdboden brutzeln. Ich saß weiter oben auf der Tribüne, von hier aus konnte man über das ganze Fußballfeld schauen.
Mein Blick ließ ich umher schweifen in der Hoffnung ihn zu sehen, aber die waren sich sicherlich umziehen. Es wurde immer voller. Die meisten Jugendliche hatten Popcorn dabei, die sie am Stand gleich an der Ecke gekauft hatten und noch ein kühles Getränk. Ich hatte mir extra nichts geholt, sonst würde man mich wieder beschimpfen und mein Körper würde weiter in die Breite gehen. Auch wenn der Tag heiß war, saß ich in langer Hose und im T-Shirt da. Ich beneidete die anderen Mädchen mit ihrem flachen Bauch und dünnen Beinen, wozu sie so süße Kleider anzogen und ihre Haare offen oder geflochten trugen. Jeder Junge schaute ihnen hinterher. Es war so ein blödes Gefühl zu wissen, man ist überflüssig. Vor mich setzten sich zwei Mädchen, die aussahen wie vom Cat Walk. Ihre schokobraunen Haare hingen in sanften Locken über die Schulter, ihre purpurroten Lippen strahlten in der Sonne und ihre eisblauen Augen zogen ihre Aufmerksamkeit nur so auf sich. Ich sah auf meine blonden Haare, die ich heute ausnahmsweise offen trug. Aber die Zwei vor mir brachten mich noch tiefer. Ich nahm mein Haargummi aus der Hosentasche und band sie mir zu einem Zopf zusammen. Ich hätte es wissen müssen. Ich machte mir nur unnötig Hoffnung, dass mich auch mal jemand ansah und wenn es nur aus den Augenwinkeln war.
Ich zupfte an meinem T-Shirt herum und horchte auf, als der Schiedsrichter pfiff. Die Lautsprechern knisterten kurz, bevor eine altbekannte Stimme über unseren Köpfen schallte.
"Herzlich Willkommen zum alljährlichen Fußballspiel!", sagte er und die Menge jubelte los. "Wir hoffen auch diesmal auf tolle Spielerfolge und wünschen Zuschauen als auch den Spielern viel Spaß! Wie ihr wisst, tritt jede Klasse bis zum Finale an."
Mir huschte ein Lächeln über die Lippen, als die erste Klasse das Spielfeld betrat. Er, mit den wundervollen Augen, die in den Sonnenstrahlen smaragdgrün schienen und dieses schmelige Lächeln, worauf jedes Mädchen stand. Jede versuchte ihn zu angeln, aber er blitzte jede ab. Ich traute mich sowas gar nicht und stand im dunkelsten Schatten.
Er ließ seinen Blick zu mir herüber schweifen und winkte, wobei sich unsere Blicke trafen und ich schnell wegsah. Unter mir saß nämlich seine Klasse und erst jetzt bemerkte ich, dass vor mir Romina saß. Das Mädchen mit den wundervollen Haaren. Ich beneidete sie so sehr für ihr Aussehen.
Sie warf ihm ein Kuss zu, weshalb er stehen blieb und tat, als würde er es fangen. Er warf ihr ebenfalls einen Luftkuss zu. Jeder tuschelte, dass die beiden zusammen wären und es bestätigte sich gerade.
Ich hob ein Stück meine Hand und stellte mir vor, es würde mir in die Handfläche fliegen. Aber so war es nicht.
"Bist du mit ihm zusammen?", fragte ein Mädchen. "Ja, natürlich. Er ist total heiß.", antwortete Romina und warf ihr Haar zurück. Ich musste mir die aufsteigenden Tränen zurück halten und hielt meine Lider gesenkt. Nie würde ich eine Chance bekommen.
Wieder erklang der Pfiff des Richters und das Spiel ging los. Ich jubelte nicht, wenn sie ein Tor schossen und vermied es ihn anzuschauen. Nicht, dass sich noch unsere Blicke vereinten. Das wäre zu peinlich.
Als es dann Halbzeit hieß, standen die Meisten auf und ich auch. Vorsichtig stieg ich die Metalltreppen runter, wobei mir jemand Orangensaft ins Gesicht kippte. Ich blieb erschrocken stehen und wollte gerade weiter gehen, da bekam ich hart einen Ball gegen meinen Kopf geschossen. Es tat so weh.
Unter der Orangenmaske kamen mir die Tränen und in meinen Ohren brummte wieder das laute Lachen der anderen. Mit schnellen Schritten machte ich mich davon und stieß ungeschickt gegen eine Person, die sich umdrehte und anfing zu lachen.
"Was ist denn mit dir passiert?", fragte er. Ich erkannte die Stimme und mir stieg sofort die Schamröte in das Gesicht. Bitte nicht er auch noch. Im Moment ging alles nur noch schief.

        F L A S H B A C K    E N D E

"Angelique. Ey, Kleine!" Ich sah auf und schaute in grüne Augen. "Es ist Pause.", lächelte er. Ich schaute an ihm vorbei und bemerkte eine leere Sporthalle.
Meine Hände umfassten den Rand der Bank.
"Du kannst was trinken gehen, wenn du willst." Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und sprang auf. Ich huschte an ihm vorbei und schaute kurz zurück. Wieder eine peinliche Situation.

In Hell's KitchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt