Kapitel 6

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[Rückblick: Vorherigen Winter]

Langsam stieg mir der warme Duft des Himbeer-Brombeertees in die Nase, den ich wieder an die Lippen ansetzte und einen Schluck nahm.
"Es ist so schön mit dir.", sagte Romina und kuschelte sich enger an meine Brust. Ich zog die Wolldecke etwas weiter über uns.
So blieb die Wärme dadrunter und ließ uns nicht frösteln, obwohl es doch eigentlich angenehm in ihrem Zimmer war.
"Find ich auch.", gab ich zurück und küsste zart ihre Stirn.

Draußen war es schon leicht dunkel und feine Schneeflocken tänzelten vor ihrem Fenster umher.
Das war richtiges Weihnachtsfeeling.
Ich mit meiner großen und einzigen Liebe, liegend auf ihrer Couch.
Einmal Stunden nur zu zweit, die ich auch richtig genoss.
Wer weiß, wann die nächste Chance dafür kam?
Da fiel mir etwas wichtiges ein.
"Ich hab was für dich.", sagte ich und stellte die immer noch heiße Tasse auf das Nachtschränkchen.
Vorsichtig schob ich mein Herzblatt von mir weg und sprang auf.
Aus meiner Tasche holte ich ein Kästchen.
"Augen zu.", sagte ich und blickte kurz über meine Schulter, bevor ich zu ihr lief.
"Hoffentlich gefällt es dir."
Ich tat ihr die echtsilber Kette um den Hals, die als Anhänger ein kleines goldenes Kleeblatt trug.
Das bedeutete mir sowas von viel.

Romina öffnete die Augen und fasste sich an den Hals.
Sofort stand sie auf und stellte sich vor dem Spiegel.
Leicht schmunzelnd betrachtete sie mit kritischem Blick die Kette.
"Stimmt was nicht?", fragte ich nach.
Sie schüttelte den Kopf.
"Doch! Dein Geschenk ist total süß und nett, aber..."
"Was aber?", fragte ich und wurde unsicher.
Wieso gefiel ihr das Geschenk denn nicht?
Was wollte sie anstatt der Kette dann haben?

Ich stellte mich hinter ihr und schlang meine Arme um ihren Bauch, damit ich sie an mich drücken konnte.
"Ich hätte etwas anderes erwartet.", gab sie leise zu.
Ich hauchte ihr einen Kuss gegen ihren Hals und schaute über den Spiegel in ihre dunklen blauen Augen.
"Was hättest du sonst erwartet?"
Romina zuckte die Schultern und drehte sich.
"Etwas anderes ebend." Sanft stieß sie mit ihrem Becken gegen meins.
Jetzt verstand ich.
"Das hättest du sowieso bekommen. So einer Schönheit kann man nicht wiederstehen.", brummte ich gegen ihre Lippen, mit denen ich zärtliche Küsse austauschte.
Trotzdem war ich leicht traurig darüber, dass ihr die Kette nicht so gefiel.
Ich musste sie mir schon lange kaufen, denn die war ziemlich teuer gewesen. Wenn meine Mutter wüsste, wieviel das Teil gekostet hatte, dann wäre ich ein toter Mann und wenn sie nur erfahren würde für wem, dann konnte ich von der Brücke springen.
Sie mochte Romina überhaupt nicht.

Unser unregelmäßiger Atem vermischte sich, unsere Hände erkundeten jede Stelle unserer bebenden Körper.
Dieser Winter würde nicht kalt, er war heiß.
Nach und nach fiel ein Kleidungsstück nach dem anderen von unseren Leibern...

Angelique POV

Gespannt hörte ich Harry zu, der mit viel Begeisterung vorlaß.
Er sprach von seinem Winter mit Romina, der Oberzicke.
Es klang ziemlich romantisch, weswegen ich mir die Zwei so vorstellte, wie er es beschrieb. So etwas Tolles wollte ich auch nur zu gern erleben. Aber sowas würde mir nicht gegönnt sein. Noch drei Wochen und heilig Abend stand vor der Tür.
Das machte mich wieder nachdenklich, bis Harry den letzten Satz anfing vorzutragen.

"Ich glaube aber, dass dieser Winter ganz anders wird, als der Letzte. Anders im anderen Sinne. Und ich denke, dass Dinge passieren werden, an denen ich vorher gar nicht geglaubt habe.", beendete er und schaute nach vorne zur Lehrerin, die mit offenden Mund da stand. Sogar die Schüler waren verblüfft. Auch Romina schien ganz aus den Fugen gerissen zu sein.
Ich musste mir ein Lächeln unterdrücken, weil es witzig aussah.
"Habe ich was falsches gesagt?", fing Harry unsicher an.
Unsere Kunstlehrerin schüttelte sofort den Kopf.

"Nein, nein. Es ist nur ziemlich intensiv geschrieben. Kürze deinen Text. Am Besten nimmst du nur die letzten Sätze und versuchst das zeichnerisch auf's Blatt zu kriegen."
Wir sollten unseren Text zeichnerisch darstellen?!
Ich hatte doch kaum etwas geschrieben.
"Nun lese mal bitte vor, was Angelique geschrieben hat.", bat sie höflich.
"Nee! Kann sie selber machen. Ich bin doch nicht ihr Knecht.", protestierte Harry sofort und spannte seinen Kiefer an, der anfing leicht zu arbeiten.
Sah ziemlich aggressiv aus.
Unsere Lehrerin stieß einen Seufzer aus.
"Tue es einfach."
Wieder schüttelte er stur seinen Kopf.

Ich wusste, ich konnte nicht reden.
Totzdem nahm ich meinen Zettel und versuchte einen Ton über meine Zunge rollen zu lassen.
Alles, was ich schaffte, war ein komisches hohes Krächzen, weswegen die ganze Klasse in lautes Gelächter ausbrach.
Peinlich berührt sank ich meinen Blick.
Mir schallte das helle Lachen von Harry in mein Ohr, was noch mehr schmerzte.
Jetzt wünschte ich, reden zu können.

Jemand nahm mir mein Blatt weg.
"Ruhe! Harry ließt es uns jetzt vor.", rief sie laut.
Überrascht schaute ich auf.
Er laß es gelangweilt vor und schob es mir wieder vor's Gesicht.
Könnte ich mich bedanken, würde ich es tun. Von ihm war immer noch kein Danke gekommen.
War das zu viel verlangt?

Die restliche Stunde über kritzelte ich irgendeine schöne Winterlandschaft auf mein Bild und blendete die anderen um mich herum aus.
Sogar Harry, der quer über drei Tische mit einem Kumpel quatschte und schon zum zehnten Mal ermahnt wurde.
Bitte einfach mal Klappe halten!

Die anderen Stunden schienen auch nicht vergehen zu wollen, bis die Schulklingel das Schulaus einläutete.
Endlich!
Sofort sprang ich auf und stürmte aus dem Gebäude.
Nicht, dass mich Zayn und Louis wieder in den schlimmsten Teil der Stadt nach Hause zu Harry schleppten.
Wer weiß, was er dann mit mir anstellt.
Gedroht hatte er mir ja schon, dass ich noch eine unschöne Überraschung erleben werde.
Wann und wo hatte man mir nicht verraten, was noch mehr Angst in meine Knochen jagte.
Vielleicht würden sie an der nächsten Straßenecke auf mich lauern oder mich irgendwann entführen oder so.
Denen traute ich alles zu.
Der eine dealte mit Drogen, der andere kiffte sie oder verkaufte weiter.
Richtige unscheinbare Verbrecher.

"Angelique!", rief Zayn mich von weitem.
Oh, f**k!
Sofort rannte ich los und blickte nicht einmal zurück.
Haut bloß von mir ab, ihr Jungs!
Ich will euch nicht haben.
Wieder kamen mir die Szenen von gestern in den Kopf.
"Ich wollte dir nur ein schönes Wochende wünschen!", klang es hinter mir und ein paar fingen an zu lachen.
Aber da war ich schon um die Ecke verschwunden.
Es wäre mir am Liebsten für immer.

In Hell's KitchenWhere stories live. Discover now