Kapitel 22

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Angelique POV

In der riesen Aula war die Hälfte des Raumes schon geschmückt und wieder stand ich neben der Metallleiter und musste Harry nach Aufforderung ihm jegliches Zeug nach oben reichen.

Als er damit beschäftigt war, eine lange Gerlande aufzuhängen, schnappte ich mir ein Stift und schrieb auf die Handfläche.

Darf ich auch nach oben?

Kurz rüttelte ich an der Leiter, um mich bemerkbar zu machen.
"Man! Was willst du denn?", fauchte Harry und schaute zu mir runter.
Ich zeigte ihn meine Handfläche.
Da fing er an zu grinsen.
"Nein, darfst du nicht. Die Leiter hält nicht soviel aus. Du bist einfach zu fett."
Ich wandte meinen Blick tief getroffen ab. In meinen Augen bildeten sich Tränen, die ich versuchte zu unterdrücken.
"Gib mir mal ein Nagel."
Ohne Wiederrede reichte ich ihm einen hoch. Er fing an zu hämmern, was durch den ganzen Raum schallte.
Es erinnerte mich an seine Worte, die sich genauso brutal in meinen Kopf hämmerten und sich dann tief in mein Herz bohrten, wo sie nie wieder rauskommen würden und unheilbare Narben hinterließen.

Ich. Das kleine, fette uninteressante Mädchen, auf dem man herumtreten konnte. Das machte doch Spaß, weil ich nie zurück antworten konnte.
Aber wenigstens erging es mir nicht wie andere gemobbte Mädchen, die brutal zusammen geschlagen wurden, was mich äußerst wunderte.
Vielleicht kam das ja noch irgendwann.

"Bring die Leiter weg.", befahl Harry tonlos.
Er riss mich aus den Gedanken.
Ich klappte die Leiter zusammen und hob sie dann hoch. Die war total schwer, weswegen ich sie nur langsam vorwärts brachte und ich aufpassen musste, wohin ich lief.
"Na, Kleine.", sagte Liam und gab mir einen Klaps auf den Hintern, sofort machte ich einen Satz nach vorne und wäre fast in jemanden hinein gelaufen. Erschrocken blickte ich dem Kerl hinterher, den man noch lachen hörte.
  War der ein bisschen dumm?

Ich stellte die Leiter dann in eine Ecke, wo wir sie her hatten und drehte mich um.
"Wir sind fertig.", hauchte Harry und hatte wieder eines dieser falschen Lächeln auf den Lippen.
Seine Größe beängstigte mich manchmal ziemlich oder wenn er dann plötzlich hinter mir stand. Wie ein Geist.
Ich nickte leicht und wollte an ihn vorbei, als er zuerst seine linke Hand gegen die Wand stämmte und sein Arm den Weg versperrte. Als dann auch noch sein rechter Arm dazu kam, stand ich in der Klemme.
Leicht beugte er sich zu mir runter. Ich drückte mich döller gegen die Wand und drehte mein Gesicht weg.
Seine Linke packte unsanft mein Kinn.
"Niemand wendet sich von mir ab.", zischte er und starrte mir ausdruckslos in die Augen. Keine Ahnung, wie lange er es tat, aber dann packte er grob mein Oberarm und verschwand mit mir aus der großen Aula.
Wir waren noch gar nicht fertig gewesen.

"Du dumme Schlampe!", knurrte er und presste mich wieder unsanft gegen die kühle Wand. Weit weg von den anderen.
"Was habe ich da gehört? Du bist zu Louis gerannt?!"
Ich wusste gar nicht von was er sprach und sah dieses dunkle Funkeln in seinen Augen.
"Sei froh, dass du keine blauen Flecke an deinen fetten Arsch hast.", zischte er und griff mir mit seiner Hand an meinem Hintern. Erschrocken drückte ich mich an seinen Körper.
Wieder konnte ich nicht schreien.
"Da kommst du schon von ganz allein."
Erst schlug mir Liam ohne jeglichen Grund auf meinen Popo und jetzt krallte Harry sich auch noch drin fest.
Ich fand das unangenehm und ungewohnt war das auch noch.

"Dich kann man bestimmt dreckig fi*ken.", sagte er und warf seinen Blick auf meine Lippen.
Ich verstand nicht, was er meinte und bekam plötzlich Angst.
"Aber ich steh nicht auf dicke Weiber."
Erleichterung machte sich in mir breit und Harry ließ von mir ab.
"Verpiss dich, Kleine. Heute Abend brauchst du gar nicht auftauchen."

Ohne zu zögern rannte ich den Flur entlang und schnappte mir bei der Garderobe meine Klamotten.
Ich wollte heute Abend sowieso nicht kommen und Louis angelogen hatte er auch, nur ich konnte nichts sagen.
Aber Louis Bescheid geben wollte ich auch nicht. Hatte eher Angst davor, er zwang mich mit zur Feier zu kommen, wo jeder mit jeden rummachte und die Hälfte der Schule mit der anderen Hälfte die Nacht im Bett landen würde.
Bei dem Gedanken erschauderte ich und lief noch schneller nach Hause.

Ich konnte die quälenden Gedanken einfach nicht abstellen.
Alles war mir im Moment etwas zu viel.
Daheim saß ich gedankenverloren an meinem Schreibtisch und starrte auf meine beschriebene Hand von vorhin.
   Darf ich auch nach oben?

Ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen und dachte an den Satz, den er mir zurück gab.
  Du bist zu fett. Soviel hält die Leiter
  nicht aus.

Ich schlug meine Augen wieder auf und versuchte mit meinem Fingernagel die blaue Tinte von der Haut zu kratzen, was weh tat.
So döller ich aufdrückte, umso mehr Tränen trieb ich mir in die Augen, die mir dann die Wange runter liefen.
Nur langsam ging die Farbe ab, bis ich dann aufsprang und mich auf mein Bett schmiss.
Wie jedes Jahr würde ich Zuhause bleiben.
Ich hatte noch nicht mal ein schönes und passendes Kleid.
Harry hatte Recht; Ich war einfach zu fett.

Louis POV

Hoffentlich kam das Mädchen zur Feier, denn nur wegen ihr kam ich, um Schlimmeres zu verhindern.
Wäre schon etwas scheiße, wenn sie dann doch nicht auftauchen würde.
Dann würde meine Sorge umsonst sein, trotzdem durfte es nicht auffällig wirken.

Ich strich den weichen Stoff meines Jacketts glatt und zupfte kurz nochmal an meiner Krawatte umher, bevor ich mir meine Haare ordentlich machte und einen letzten Blick in den Spiegel warf.
  Es kann los gehen.

In Hell's KitchenWhere stories live. Discover now