Unser Klassenlehrer kam hinein marschiert und knallte die Tür zu.
Seine Aktentasche rumpelte dumpf auf dem Lehrerpult auf.
"Schlechte Laune?", brummte Liam, der vor Niall saß und sein Handy unter dem Tisch versteckt hielt.
"Noch so eine unsoziale Bemerkung und ich fülle zum zehnten Mal eines der tollen Zettel für sie aus.", drohte unser Lehrer mit schwingender Gehässigkeit.
Jetzt war Ruhe.
Unbemerkt zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche und spielte damit rum.
Die ganzen 45 Minuten würden wieder chillig werden.
Minuten zum nicht Zuhören und Pennen.
So ein sinnloses Schwafeln.

"Zettel raus! Name, Klasse und Datum.", sagte er.
Ich schreckte auf und sah zur Tafel.

Test

Stand ganz groß vorne an der Tafel.
Dadrunter notierte er gerade die Aufgaben. Scheiße, ich hatte nicht einmal gelernt.
Meine einzige Chance war das stumme Mädchen. Toll!
Sie gab mir ohne ein Wort ein Blatt mit einem Kugelschreiber.
Ohne zu zögern schrieb ich meinen Namen drauf. Erst wollte ich fragen, ob ich abgucken konnte, aber sie war ja schon so in sich gekehrt und wer war ich dann bitte, wenn ich sie fragen würde.

Ich lag halb über den Tisch und tippte an meinem Handy rum.
Zum ersten Mal kamen keine Wiederworte von einem Schüler.
Wunderte mich nicht.
Unser Lehrer saß ganz vorne und schrieb irgendetwas auf. Wenn ich so halb über den Tisch lag, konnte er mich nicht mehr sehen.
Der Stift von Angelique ritzte sich über ihr weißes Papier.
Ununterbrochen und nur dann, wenn sie die Aufgabe an der Tafel lesen musste.

Plötzlich wurde es ruhig neben mir. Verwundert drehte ich meinen Kopf zu ihr.
Das vollgeschriebene Blatt schob sie zu mir rüber, sah aber gleich wieder weg.
Gelangweilt schrieb ich alles ab.

"Noch fünf Minuten!"
Jetzt beeilte ich mich etwas und war bei dem letzten Satz, als mir wieder die grausamen Fragen aufkamen, die mich quälten.

Tat sie das aus Mitleid, Angst oder Freundlichkeit?
Hätte sie es auch einfach so getan?

Ich setzte den letzten Punkt, als es hieß, dass wir den Stift wegpacken sollten und legte unsere Blätter übereinander, die ich am Rand der Platte legte.
Ein Schüler sammelte die Teste ein.
Jetzt hieß es wieder entspannen, was ich auch tat. Nur träumte ich vor mich hin und verdrängte das Mädchen etwas weiter nach außen. Ich brauchte ebend meinen Platz.
Es überraschte mich ziemlich, wie ruhig und aufmerksam sie da saß und nach vorne starrte.
Wo andere sich meldeten, blieb ihr nur ein schweres Schlucken.
Das war schon echt eine extreme Einschränkung, die mir jetzt erst bewusst wurde.
So langsam.
Ich durfte nicht anfangen sie zu mögen.
Ein fataler Fehler, denn dann ließ ich auch sie zurück.

Angelique POV

Als es klingelte, sprang Harry einfach auf, schnappte sich seine Jacke und Tasche.
Ohne ein kleines Danke lief er neben seiner Freundin her, was ich liebend gern gehört hätte.
Aber nein. War ja klar.
Ich schnapptw mir dann auch meine Sachen und lief meiner Klasse hinterher.
Jetzt hieß es erneut überleben.

Im Kunstraum setzte ich mich wieder neben Harry, der aber bei Romina stand.
Ganz dicht.
Beide knutschte sie sich wieder ab.
In diesem Moment wünschte ich mich Blind und Taub.
Einfach, damit ich die Dinge nicht mehr ertragen muss, die mich fertig machen.
Zu wissen, dass man dies und das nie machen oder sagen kann, ist wie ein schrecklicher Albtraum aus den man nicht aufwacht.
Man ist für immer gefangen.

Ich hörte kaum zu und starrte auf die große vollbemalte Tischplatte, als jemand ein weißes Blatt Papier hinlegte.
"Schreibt einfach mal auf, wie ihr euch den Winter vorstellt. In ein paar Sätzen.", sagte die Lehrerin.
Ich nahm einen Bleistift.
Aber wozu, wenn ich nicht wusste, wie ich meinen perfekten Winter beschreiben sollte?
Harry schrieb und schrieb und schrieb.
Bestimmt irgendeine perverse Vorstellung mit Romina. Das würde ich ihm total zutrauen.
Ich kirztelte einfach nur irgend etwas drauf.

Mein perfekter Winter sieht so aus, dass

Mehr fiel mir dazu nicht ein.
Als ich auf das Blatt von Harry sah, war ich verblüfft. Schon eine ganze Seite voll geschrieben.
Also er war bestimmt doch nicht so ein krasser Typ und konnte vielleicht ein zarter Kloppi werden.
Das war sicher süß, wenn er dich in die Arme nahm und man seine Lippen spürte. Sein warmer Atem die Stirn streifte und man ganz tief wusste, man ist sein Mädchen. Mit den Gerüchen von Tee, Zimt und leckeren Keksen.
Mich durchzog eine Gänsehaut bei dieser wundervollen Vorstellung, die aber niemals in Erfüllung gehen würde.
Niemals.

"Kommt nun zum Schluss.", sagte unsere Lehrerin.
"Wer will zuerst vorlesen?"
Neben mir streckte Harry seinen Arm in die Höhe, weswegen er drangenommen wurde.
Kurz räusperte er sich, bevor er anfing vorzulesen.

Mein perfekter Winter sieht so aus, dass das schöne Mädchen...

In Hell's Kitchenحيث تعيش القصص. اكتشف الآن