Kapitel 289 - Unachtsam

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Niedergeschlagen sehe ich aus dem Fenster. Ich hätte Zayn gerne bei mir gehabt, wenn ich meine verbrannte Wohnung betrachte. Dieses Gefühl, das ich in mir spüre, wenn ich hier jetzt bei Harry bin, ist seltsam. Plötzlich plagt mich wieder das Gewissen, das er mich damals angelogen hat und mich immer noch anlügt, indem er sagt, dass er nie etwas mit Angie hatte. Wenn ich das Gespräch mit Angie heute Morgen nicht geführt hätte, würde ich mich jetzt an seine Seite kuscheln, doch ich tue es nicht. Auch wenn das Geschehnis mit dem Brand grausam ist, kann ich diese Sache einfach nicht ignorieren.

Wir verlassen das Taxi und laufen das Treppenhaus hoch zu meinem Apartment. Es riecht so widerlich verbrannt und Bilder von den Flammen schießen mir in den Kopf. Ich werde in Tränen ausbrechen, wenn ich jetzt meine Wohnung sehe. Wie konnte ich nur so unkonzentriert sein und einfach einschlafen, während ich koche? Ich will es nicht, doch ich schiebe den Grund für meine Unkonzentriertheit auf das Gespräch mit Angie und die Tatsache, dass Harry ein Lügner ist. Die ganze Zeit konnte ich an nichts anderes denken, das hat mich einfach aus dem Konzept gebracht.

Harry schließt die Tür zu meiner Wohnung auf und ich erwarte das Schlimmste. Am liebsten würde ich seine Hand halten, doch gleichzeitig will ich es nicht. Es ist seltsam. Alles ist zu niederschlagend und traurig.

Wir betreten das Apartment und ich beginne augenblicklich zu zittern, als ich durch den Flur in meine Küche sehe. Oder was davon noch übrig geblieben ist. Es liegt viel Sand auf den Regalen und dem Boden, den die Feuerwehr wohl benutzt haben muss. Alles ist schwarz. Die Regale über dem Herd sind komplett zerstört, es hängen nur noch Fetzen an den Wänden. Die Tapete ist abgebrannt, der Boden hat Löcher, all die Deko existiert schon gar nicht mehr, sondern ist nur noch ein Haufen Asche.

Ich muss mir die Hand vor den Mund halten, um nicht laut aufzuschreien. Und das nur, weil ich unachtsam war.

„Baby, wir bekommen das wieder hin", redet Harry auf mich ein und drückt mich an sich. „Ich verspreche es dir."

Ich gehe nicht auf seine Umarmung ein, sondern winde mich heraus und gehe zu dem Bücherregal, das genau neben der Küche stand. Es ist zum größten Teil verbrannt. Es tut so weh, so etwas zu sehen. Schniefend ziehe ich Wenn die Nacht am stillsten ist heraus und würde am liebsten erneut in Ohnmacht kippen, als ich erkennen muss, dass ich es wohl nie wieder lesen werden kann. Die Seiten sind Asche, nur noch das Hardcover hat überlebt. Gerade so.

Ob das wieder ein Zeichen ist? Harry hat es mir damals geschenkt. Jetzt ist es verbrannt. Jetzt sind wir glücklich und schon wird alles wieder zerstört. Es ist unmöglich für mich, nicht zu denken, dass das Schicksal erneut mit mir redet.

„Ich kann dir ein neues besorgen", sagt Harry und taucht neben mir auf. „Ich kann dir all deine Bücher neu besorgen."

Ich schüttle nur erschöpft den Kopf und lege das Buch zurück zu den anderen verbrannten Büchern. Es würde keinen Sinn machen. Es ist nicht mehr das Gleiche. Nichts scheint noch zu sein, wie es früher mal war. Ganz früher.

„Aber sieh doch", sagt Harry wieder und geht zu meinem Schreibtisch und Couch. „Hier ist fast alles in Ordnung. Die wichtigsten Dinge sind noch ganz."

Wieder sage ich nichts darauf. Ich fühle mich wie ein leeres Vakuum. Es könnte schlimmer kaum sein. Ich kann hier nicht mehr leben und weiß nicht, wo ich jetzt hin soll. Ich werde Zayn fragen müssen. Zu Harry möchte ich nicht.

„Wie konnte das eigentlich passieren?", fragt Harry wieder, während ich wieder zur Küche gehe, die Schutt und Asche betrachte.

„Ich war unkonzentriert", sage ich monoton und betrachte einen kaputten Bilderrahmen, in dem Zayn und ich waren.

Harry seufzt. „Du bist zu oft müde von der Arbeit."

„Nein. Ich war nicht müde. Ich war unkonzentriert."

„Okay?" Er klingt skeptisch. „Und wieso?"

Ich lege den Bilderrahmen weg und streiche ausdruckslos über die abgebrannte Kante der Arbeitsplatte. „Etwas hat mich beschäftigt."

Harry kommt mir einen Schritt näher. „Wovon redest du?"

Ich bleibe stehen, drehe ihm weiterhin den Rücken zu und sehe auf den Boden unter meinen Füßen. Tja, ich rede davon, dass er lügt. Lügt und lügt, über all die Zeit, in der ich einfach nur die Wahrheit wissen wollte.

Ich versuche es zu stoppen, doch der Gedanke daran, was Harry wirklich getan hat, lässt mich einknicken. Ich beginne zu schluchzen. Mal wieder. Wegen ihm.

„Was ist los?", fragt Harry jetzt nachdrücklicher und kommt mir näher, berührt mich jedoch nicht. „Raven, ich sagte doch, dass wir das hinbekommen. Wirklich."

Ich schüttle mit zusammengekniffenen Augen den Kopf. „Wir bekommen gar nichts mehr hin."

Kurz schweigt er. Dann fragt er: „Was meinst du?"

Ich drehe mich zu ihm um, versuche den Kloß in meinem Hals runterzuschlucken. Harrys Blick zeigt pure Verwirrung. „Ich habe mit Angie gesprochen."

Verwirrung wird durch Missachtung ausgetauscht. Er rümpft die Nase und die Falte zwischen seinen Brauen wird größer. „Und was bedeutet das?", fragt er. „Wirst du mich jetzt wieder verlassen?"

Mir schnürt sich die Kehle zu. Er klingt so aggressiv. „Was?", krächze ich.

„So denkst du doch oder nicht?", spuckt er und geht um den kleinen Tresen herum zur Couch, wo seine Tasche steht. „Ich hätte es mir eigentlich auch denken können. Du hast mit ihr gesprochen, sie hat dir Scheiße erzählt und du glaubst ihr, weil du so ... so scheiße naiv bist." Er ist wütend, greift nach einer Hose über meinem Stuhl und stopft sie in die Tasche.

Ich sehe ihm hilflos dabei zu und kann meine verletzte Seite nicht unterdrücken. „Ich bin nicht naiv", hauche ich schniefend.

„Dann beweis mir das Gegenteil und sag mir, dass du unsere Beziehung weiterführen kannst." Sein Blick durchbohrt mich.

Sorry

Forever Collide 3 Where stories live. Discover now