Kapitel 284 - Schlimmer als ein Kind

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Bald ist Collide vorbei :(

Ravely

Ein leichter Druck auf meiner Hüfte weckt mich auf und ich öffne langsam die Augen. Emerald tapst ungeduldig auf mir und Harry rum, während er seinen Arm um mich liegen hat und gar nicht zu merken scheint, dass Emerald wahrscheinlich kurz vorm verhungern ist. Er ist natürlich nicht kurz vorm verhungern, aber stellt sich jeden Morgen so an.

„Das tut er schon die ganze Zeit", brummt Harry mit seiner kratzigen Morgenstimme hinter mir.

Sofort erhöht sich mein Puls und ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen. Stimmt ja. Harry ist hier bei mir. Als mein Freund. Dem ich jetzt sagen kann, dass ich ihn liebe. Ich drehe mich in seinem Arm um und sehe ihn an, wie seine Augen noch geschlossen sind und seine langen Haare ihm im Gesicht liegen.

Noch total zerknautscht öffnet er die Augen. Schmunzelnd zieht er mich enger an seine Brust. „Guten Morgen, Baby", haucht er auf meine Lippen.

Ich drücke meine Lippen auf seine und genieße den Moment komplett. Das ist der schönste Morgen in den letzten drei Monaten, definitiv. Und ich muss es ausnutzen, deswegen sage ich: „Ich liebe dich."

Harry streicht mir über den nackten Rücken. „Ich liebe dich. Ist es eigentlich jeden Morgen in deiner Wohnung so scheiße kalt?"

Ich kichere. „Leider ja. Aber wenn du aufstehst und die Heizung anmachst, könnte es wärmer werden."

„Nein, ich passe", murmelt er und vergräbt sein Gesicht in meinem Haar. „Hier ist es warm."

Doch Emerald macht uns einen Strich durch die Rechnung. Er versucht ständig auf Harry zu springen und gönnt uns keine Sekunde in Ruhe. Schließlich steht Harry stöhnend auf und geht in die Küche, worauf Emerald ihm glücklich folgt.

„Man, das ist fast schlimmer als ein Kind", ruft Harry aus der Küche und ich höre, wie er umher werkelt. „Verdammter Kater."

„Hey!", rufe ich zurück und ziehe die Decke höher, weil es ohne ihn so kalt ist. „Emerald wohnt hier. Er hat mehr Rechte als du." Harrys Handy klingelt auf dem Nachttisch und ich sehe darauf. „Anne ruft an!", lasse ich ihn wissen.

„Gehst du bitte kurz ran? Ich komm gleich."

Nickend nehme ich ab. Anne wird sich sowieso schon denken, dass wir wieder ein Paar sind, wenn Harry so viele Tage in New York bei mir verbringt, also kann ich es ihr theoretisch auch jetzt gleich sagen. „Hi Anne", grüße ich sie glücklich.

„Oh", ertönt eine männliche Stimme. Sie kommt mir bekannt vor, jedoch kann ich sie im ersten Moment niemanden zuordnen. „Ich wollte mit Harry sprechen. Ist er nicht da?"

„Wer ist denn da?", frage ich.

„Natürlich, stimmt ... Hier ist Pete. Harrys Vater."

Sofort bleibt mir die Luft weg. Harrys Vater? Das letzte Mal habe ich ihn gesehen, da ist er weinend aus Annes Krankenzimmer gegangen, weil Harry ihn aufs Übelste beleidigt hat. Wieso ruft er mit Annes Nummer an? „Oh, hallo Pete", gebe ich mit krächzender Stimme zurück und versuche freundlich zu klingen. Meine Gefühle ihm gegenüber sind durcheinander. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn mögen sollte oder nicht. „Ich, ähm, also – Moment mal kurz." Ich drücke das Handy in die Decke, während Harry aus der Küche gelaufen kommt.

„Was ist los?", fragt er, als er meinen entsetzten Blick sieht.

„Dein Vater ist am Handy."

Augenblicklich erstarrt er. „Mein Vater? Ich dachte, dass Mum dran ist."

„Keine Ahnung", sage ich hektisch. „Anscheinend hat er mit ihrer Nummer angerufen. Hier." Ich halte ihm das Handy entgegen.

Für einen kurzen Augenblick denke ich, dass er nicht mit Pete reden möchte, doch ich kenne Harry. Er würde niemals einen Streit so enden lassen, vor allem nicht, wenn es um seine Familie geht. Dafür ist er einfach zu harmoniebedürftig. Argwöhnisch nimmt er es und hält es sich ans Ohr, geht währenddessen zur Heizung und dreht sie auf. „Hallo", sagt er in die Leitung.

Ich beobachte neugierig, wie er sich an die Bettkante setzt. Ich frage mich, was Pete möchte. Hoffentlich möchte er sich einfach nur entschuldigen.

„Ja", redet Harry ins Handy. „Nein, wieso? – Aha – Das steht noch nicht fest." Plötzlich sehe ich, wie er sich anspannt. Er schweigt, Pete scheint zu reden. Um was geht es da? Irgendwann quetscht Harry durch zusammenpresste Kiefer hervor: „Wie viel?"

Ich schlucke schwer. Das ist kein gutes Zeichen. Es scheint wieder um Geld zu gehen.

„Bis wann?", fragt er wieder. „Nein, ich werde über Silvester bleiben – Das ist mir egal – Nein – Okay, ich werde dir Bescheid geben – Ja – Tschüss." Dann legt er mit gereizter Miene auf.

Ich setze mich auf. „Was war los?"

„Gott verdammt, dieser Mann macht mich irre", zischt er und zerquetscht beinahe das Telefon in seiner Hand. „Er hat eine Klage am Hals und kann die Geldstrafe für den Unfall nicht bezahlen."

„Oh", mache ich und verstehe sofort. „Er will Geld."

„Was auch sonst?" Aufgebracht steht er auf. „Für eine andere Scheiße bin ich ja nicht da. 3500 Pfund für einen verdammten Alkoholiker, der sich sowieso nie ändern wird."

„Hat er sich wenigstens entschuldigt?"

„Ja, hat er. Mehrmals."

„Und wirst du sie annehmen?"

Harry geht auf die Klamotten neben dem Bett zu und zieht sich sein Pullover über den Kopf. „Ich will es nicht, aber ich muss."

„Wieso musst du? Niemand zwingt dich dazu."

„Ich tue es für mich", sagt er und setzt sich wieder auf die Bettkante, zieht sich seine Jeans über. „Es würde keinen Sinn machen ständig Stress mit ihm zu haben. Er ist selbst so eine einsame Seele und immer noch mein Vater. Ich kann ihn einfach nicht allein lassen."

Ich lächle und setze mich hinter ihn, während er sich seine Schuhe anzieht, lege meine Arme um meine Schultern. „Das wusste ich schon damals", flüstere ich ihm zu und küsse seinen Nacken und Hals. „Aber wo willst du hin?"

Er seufzt. „Zur Bank. Ich muss das Geld überweisen. Natürlich muss er kurz vor knapp anrufen. Dann auch noch mit der Nummer meiner Mutter, weil er Angst hatte, ich würde sonst nicht abheben."

„Reg dich nicht auf", spreche ich ihm zu und fahre durch sein wildes Haar. „Heute Nachmittag können wir ganz viel Zeit miteinander verbringen, ganz viele schöne Dinge tun und dann vergisst du das wieder. Versprochen."

Mit gerunzelter Stirn sieht er über seine Schulter zu mir. „Wieso erst heute Nachmittag?"

„Ich muss gleich ins Diner, aber nur für zwei Stunden, dann bin ich wieder da."

„Und dann tun wir viele schöne Dinge?"

Ich küsse ihn liebevoll. „Versprochen."

Eine Stunde später stehe ich auch schon glücklich und munter im Diner hinter dem Tresen und kann mich nicht aufhalten, jede Sekunde an Harry zu denken. Wie schön der gestrige Abend war, unsere Nacht und dass wir einfach wieder zusammen sind. Vor allem male ich mir Silvester mit ihm aus. Es kann nur romantisch werden. Geplant war, es mit Zayn und den anderen zu verbringen, aber eigentlich habe ich mehr Lust darauf mit Harry allein die Nacht zu sein und so ins Jahr 2016 zu starten. In den Neuanfang zu starten, den wir unbedingt brauchen.

Als ich gerade Harry auf eine schmutzige Nachricht antworten will, erklingt die Glocke der Eingangstür und eine Frau betritt das Diner.

Mir fällt beinahe das Handy aus der Hand.

Angie.


Forever Collide 3 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt