Kapitel 280 - Zwei angeschossene Rehe

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Ravely

Entschlossen stehe ich vor dem Gebäude von Whiteman. Ich habe schon lange überlegt, ob ich endlich diesen Schritt wage, oder einfach abwarte, ob Whiteman sich rühren wird, bezüglich der vielen Hassnachrichten auf mein Buch. Im Internet wurde Whiteman oft genug in den Dreck gezogen und ich fühle mich mehr als verantwortlich dafür, deswegen stehe ich jetzt hier.

Ich werde Whiteman bitten, mein Buch vom Markt zu nehmen und mein Pseudonym Tamara Winfield komplett zu vergessen, indem ich den Verlag verlasse. Es macht keinen Sinn. Die Leute hassen sie und das tut mir und auch der Firma nicht gut. Tamara Winfield war einfach eine grausame Idee, genauso wie dieses bescheuerte Buch. Ich habe lang genug darüber nachgedacht, es muss endlich eine Entscheidung getroffen werden.

Ich öffne die Tür und laufe zu der kleinen Rezeption. „Hallo, ich würde gerne mit Misses Lewis sprechen, wenn das möglich ist", grüße ich die Sekretärin und versuche eine freundliche Miene aufzusetzen, obwohl meine Stimmung mehr als im Eimer ist.

Sie nickt und gibt etwas in ihren Computer ein. Dann sagt sie: „Misses Lewis ist gerade in einem Meeting. Kann ich ihr etwas ausrichten?"

Ich seufze. Na super. Jetzt kann ich die ganze Sache wieder auf morgen verschieben, denn ich muss in fünfzehn Minuten wieder bei der Arbeit im Diner sein. „Sagen Sie ihr bitte, dass Ravely Green sie gerne sprechen würde. Es ist wichtig."

Wieder nickt die Sekretärin. „Ich werde es ihr ausrichten. Kann ich Ihnen sonst noch helfen?"

Trotzig schüttle ich den Kopf und schultere meine Tasche wieder. „Nein, ich-'' Eine Stimme von rechts erweckt meine Aufmerksamkeit.

„Es freut mich sehr, dass wir auf einen Nenner gekommen sind, Mister Styles", höre ich Whitemans Stimme durch den Flur hallen.

Mister Styles? Verwirrt beobachte ich, wie Harry, Zayn, Misses Lewis, Whiteman und ein weiterer Mann durch den Flur kommen genau in meine Richtung.

Harry schüttelt Whitemans Hand. „Ebenfalls, Mister Whiteman. Ich bin mir sicher, Sie werden Ihre Entscheidung nicht bereuen."

Was sucht Harry denn hier? Und Zayn? Und Harrys Anwalt?

„Übrigens wäre es eine Ehre für uns, Sie zu verlegen", redet Whiteman weiter auf Harry ein. „Vielleicht mit einem neuen Buch? Jetzt wo sie bei Black Poe Enterprise fort sind."

Harry lacht. „Ich werde es mir überlegen, aber zuerst sollten Sie sich um Miss Green kümmern."

„Selbstverständlich."

Ich stehe mit heruntergeklappter Kinnlade an der Rezeption und kann meinen Augen nicht glauben. Was zur Hölle ist hier passiert? Von welcher Entscheidung ist hier die Rede?

Sie verabschieden sich und ich kann nicht anders, außer mich mit verschränkten Armen vor den Eingang zu stellen und auf Zayn und Harry zu warten. Sie sind mir eine riesige Erklärung schuldig und sie sollte besser gut sein. Wenn sie sich in irgendetwas eingemischt haben, dann ... Was dann? Harry hat damals noch behauptet, ich hätte mein Leben nicht im Griff und jetzt mischt er sich erneut ein in Dinge, mit denen er nichts zu tun hat.

Harry und Zayn unterhalten sich mit Harrys Anwalt, als sie auf mich zukommen und ich setze eine böse Miene auf.

Zayn entdeckt mich als erster. Seine Augen werden groß, als er mich entdeckt und er stumpt sofort Harry an. Auch er sieht jetzt zu mir. Und auch seine Augen werden groß. Ja, ich muss wirklich wütend aussehen, wenn sie mich so anstarren.

„Raven", grüßt Harry mich etwas überfordert. „Was machst du hier?"

Ich kneife die Augen zusammen. „Die bessere Frage ist doch wohl eher: Was macht ihr hier?"

„Ich musste aufs Klo und nirgends war eine Toilette, deswegen sind wir hier reingegangen", rasselt Zayn runter und ich merke sofort, dass er lügt. Sein Kopf wird rot und seine Stimme höher.

„Lüge", stoße ich empört aus. Ich sehe von Zayn zu Harry. „Wirst du mir die Wahrheit sagen oder mir genauso eine schlechte Lüge erzählen?"

„Ich denke, ich werde mich verabschieden", wirft Harrys Anwalt ein und schüttelt Zayn und ihm die Hand. Mich lässt er aus, da ihm mein böser Blick nicht zu entgehen scheint. Dann macht er sich vom Acker.

„Vielleicht sollten wir rausgehen", sagt jetzt Harry und ich drehe mich um und stolziere aus dem Gebäude. Ich höre noch, wie die beiden etwas sagen, doch kann nicht heraushören, was es war.

Sie können von mir aus gerne behaupten, ich würde überreagieren, aber das tue ich nicht. Zayn mischt sich ständig in meine Sachen ein und Harry hat es früher genauso getan. Und jetzt, bei einer Sache, die ich ganz allein geschafft habe - und zwar Whiteman - sollten sie einfach mal ihre Finger aus dem Spiel lassen. Das ist mein Buch, mein Verdienst und mein Problem, wenn ich mit Whiteman in ein Disput kommen sollte. Nicht ihres. Mein Problem. Meine Sache.

„Also", sage ich, als wir draußen stehen und Harry und Zayn vor mir stehen, wie zwei angefahrene Rehe. „Wer fängt an?"

„Also, das-'', sagen beide gleichzeitig stoppen aber dann und sehen sich an.

„Lass mich besser reden", feixt Harry und ich würde ihm am liebsten sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht wischen. Er sieht zu mir und sein Grinsen verschwindet wieder, als ich versuche so viel Boshaftigkeit, wie es geht, in meinen Blick zu setzen. „Kannst du bitte aufhören mich so anzugucken? Wir haben nichts falsch gemacht", spricht er.

„Das werde ich gleich entscheiden."

Er atmet tief durch. „Zayn und ich haben nur dafür gesorgt, dass du bei Whiteman bleiben kannst und sie dein Buch nicht vom Markt nehmen, mehr nicht."

Ich schließe die Augen. War ja klar. Als könnte ich mich nicht selbst um meine Angelegenheiten kümmern, als wäre ich ein kleines Kind, das Hilfe braucht, mit all diesem Zeug umzugehen.

„Ly, du kannst doch jetzt nicht deswegen sauer auf uns sein", sagt jetzt Zayn.

Ich funkle ihn an. „Du denkst ich habe kein Recht dazu? Das ist mein Buch!"

Harry seufzt auf und dreht sich etwas weg. „Ich wusste es", murmelt er.

„Das ist mein Buch und mein Verlag und mein Problem, das ich mit Whiteman habe!", wüte ich weiter. „Ihr habt euch da nicht einzumischen!"

Zayn runzelt die Stirn. „Wir wollten dir nur helfen!"

„Wie seid ihr denn auf diese schlaue Idee gekommen? Denkt ihr, ich kann diesen Mist nicht selbst klären?"

„Whiteman hat dir Drohbriefe geschickt! Mit Geldstrafen und dem ganzen Scheiß!"

Jetzt erzürne ich noch mehr. „Du hast schon wieder in meiner Post rumgeschnüffelt? Und wann sollen diese Drohbriefe gekommen sein? Ich habe da nichts gesehen!"

Zayn fuchelt schnell ein paar Zettel aus seinem Mantel und hält sie mir hin. „Sie sind gekommen, als ihr in England wart."

Auf hundertachtzig reiße ich ihm die Papiere aus der Hand und sehe darauf. Dann sehe ich zu Harry. „Und du wusstest davon und hast mir nichts gesagt?"

Er hebt unschuldig die Hände. „Ich habe selbst erst vorgestern davon erfahren!"

„Ihr seid echt-'' Ich knülle die Briefe zusammen und schmeiße sie jeweils beiden an den Kopf. „Hört endlich auf euch ständig mit meinem Zeug auseinander zu setzen! Ich will einmal im Leben selbst etwas schaffen und ihr seid mir wirklich keine Hilfe, wenn ihr für mich die Helden spielen wollt! Das nervt!" Aufgebracht ziehe ich mir die Tasche höher über die Schulter und sehe das letzte Mal in die beinahe entsetzten Augen von Harry und Zayn. „Außerdem: Vielleicht war euer ganzer Auftritt ja total umsonst, denn eigentlich wollte ich heute meinen Vertrag mit Whiteman kündigen, wenn ihr zwei Schwachköpfe euch nicht eingemischt hättet!" Ich drehe mich um und stampfe davon.

Erst behauptet er, ich hätte mein Leben nicht im Griff und dann will er es im Griff haben.


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