Halbdunkel

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Andy kommt gerade aus dem Bad, als das Essen fertig ist. Er schnappt sich einen Topf und bringt ihn zum Tisch und ich nehme einfach den anderen. Zusammen setzen wir uns an den Tisch und fangen an zu essen. Ich betrachte Andy etwas genauer und sehe, dass noch Wassertropfen in seinen Haaren hängen, da er sie nicht ganz trocken gemacht hat. Sein Gesicht sieht angespannt aus und ich kann mir meinen Kommentar einfach nicht verkneifen. „Du siehst ganz schön fertig aus Andy." „Na danke", er lacht. Mit einem Grinsen auf unseren Lippen essen wir einfach weiter.

Zusammen räumen wir den Tisch ab. „Lass uns gar nicht erst irgendwo hinsetzen, sonst wird das nichts mehr mit der Abrechnung." „Genau Andy, geh mal schon mal vor, ich setze uns noch einen Kaffee an, damit wir nicht gleich einschlafen." In Andys Küche kenne ich mich wie in meiner Hosentasche aus, deswegen ist der Kaffee auch schnell angesetzt. Mein Blick fällt auf den Obstkorb und ein bisschen Obst würde jetzt wirklich nicht schaden. Ich hole einen Teller raus und schneide dann einen Apfel auf, eine Nektarine und noch zwei Mandarinen. Mit dem Teller gehe ich zu Andy in sein Arbeitszimmer. „Guck mal ich hab gedacht, dass Vitamine nicht schlecht wären." „Gute Idee. Stell es am besten so hin, dass wir beide rankommen. Ich hab dir schon einen Teil der Unterlagen dort drüben hingelegt." Sein Schreibtisch erstreckt sich über die lange Wand und auf der anderen Seite ist die Wand voller Regale, in denen Ordner aufgereiht stehen. Den Teller stelle ich zwischen uns und schon stecke ich meine Nase in die Unterlagen um sie durchzuarbeiten.

Da wir langsam ein eingespieltes Team bei der Abrechnung sind, dauert es auch nicht mehr so lange. Gemeinsam setzen wir uns in sein Wohnzimmer. Ich mach es mir auf der Couch bequem und Andy setzte sich auf das andere Sofa. Der Teller mit dem Obst ist noch nicht ganz leer, deswegen stellt er ihn noch auf den Tisch. Ich sinke immer tiefer auf die Couch und schon bin ich eingeschlafen.

Als ich wieder wach werde, liegt eine Decke über mir und es ist fastkomplett dunkel in dem Raum, nur eine kleine Lampe auf der Kommode ist noch an.Im schwachen Licht erkenne ich eine Gestalt, die vor dem Fenster steht und nachdraußen sieht. „Andy?", meine Stimme ist nur ein Flüstern. „Du bist ja schonwieder wach." Er dreht sich nicht zu mir um und antwortet mir genauso leise. „Wasist los, warum schläfst du nicht? Du bist doch auch total fertig." „Ich stellemir immer wieder diese eine Frage, aber bekomme einfach keine Antwort." Er hörtsich so gequält an, was mich schon fast fertig macht, deswegen stehe ich vonder Couch auf und gehe langsam auf ihn zu. „Was meinst du? Welche Frage?" Ich legemeine Hand auf seine Schulter und er dreht sich langsam zu mir um. Sein Gesichtwird nur leicht von der Lampe angeschienen und ich erkenne den Schmerz darin. SeineHand wandert langsam zu meiner Wange. „Warum haben wir uns noch nie geküsstMarie?" Also hat er diese Frage nicht nur einfach so gestellt gehabt, als erbetrunken war. „Ich glaube, weil wir Angst haben, dass es zwischen uns etwaskaputt machen würde Andy." Es war meine ehrliche Meinung dazu, denn schon alsdiese Frage seine Lippen das erste Mal verlassen hat, habe ich mir Gedankendarüber gemacht. Meine Oma hat früher zu mir immer gesagt: „Kleine Kinder undBetrunkene sagen immer die Wahrheit." Genau deswegen habe ich seitdem inmanchen Nächten darüber nachgedacht, wie ich Andy auf diese Frage antwortenkann. Seine Hand verlässt meine Wange nicht und von ihr geht eine unglaublicheWärme aus. Er sieht mir tief in die Augen, von denen ich regelrecht gefesseltwerde. Seine zweite Hand wandert an meine andere Wange und dann kommt seinGesicht meinem immer näher. Automatisch schließe ich meine Augen und nachwenigen Sekunden berühren seine Lippen meine.  

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