Tag X

26 5 0
                                    

„Wir haben uns das ganze Wochenende darum gekümmert, dass es irgendwie weiterging, aber gedankt wurde mir das nie. Daniel machte sich nicht einmal die Mühe irgendwie an Arbeit zu kommen und ließ sich immer mehr gehen. Immer öfter ging er mit seinen „Kumpels" aus und machte einen drauf. Zu der Zeit begann mein 2.Ausbildungsjahr und der Leiter unserer Abteilung war krank. Da sich die anderen Abteilungsleiter nicht auch noch darum kümmern konnten, fing ich an die Versandabteilung selber zu leiten und bekam den neuen Azubi zugeteilt. Wir verstanden uns richtig gut und schnell stellte sich heraus, dass er in dem Block neben mir wohnte, so dass wir auch nach der Arbeit öfter noch quatschten. Da wir die gleichen Arbeitszeiten hatten und er morgens immer so schlecht aus dem Bett kam, bot ich ihm an zu klingeln und das wir dann zusammen zur Arbeit fahren können und er fand das auch eine gute Idee. Als Daniel das mitbekam konnte ich mir permanent Beschuldigungen anhören, dass ich etwas mit dem habe und fremdgehe."


„Wie alt war der Azubi denn da?" Danny sieht mich skeptisch an. „Kurz bevor er 18 geworden ist. Sein Opa hat ihn sonntags immer zu seine Wohnung gefahren." „Dein Ex war eifersüchtig auf so einen Milchbubi? Da ich weiß das du Abitur gemacht hast, warst du doch mindestens 20 zu dem Zeitpunkt." „ Um genau zu sein war ich 21, denn ich habe zwischen durch noch ein freiwilliges ökologisches Jahr gemacht, weil ich nicht genau wusste was ich machen wollte und erstmal etwas für die Natur machen wollte. Jedenfalls fand ich es erst gar nicht so schlimm, weil es mir auch irgendwie schmeichelte, dass er eifersüchtig war und ich dachte eh nicht, dass er diese Beschuldigungen ernst meint. Als ich ihn eines Abends anrief, lallte er nur noch in den Hörer und es waren noch mehr Stimmen zu hören. An diesem Abend sagte er so abartige Sachen, dass ich einfach zwischendurch auflegte, mich danach in mein Bett legte, obwohl es erst 18Uhr war und einfach weinte bis ich einschlief. Am nächsten Tag wusste er nicht einmal mehr, was er erzählt hat und er fragte auch gar nicht nach, warum ich einfach aufgelegt habe. Da fing es an, dass ich mir meiner Gefühle nicht mehr sicher war, aber anstatt gleich Schluss mit ihm zu machen, ging ich ihm erstmal aus dem Weg. Es war ein Dienstagabend, als mein Handy klingelte. Meine Mutter war am anderen Ende und meinte nur, dass ich sofort nach Hause kommen soll, weil mein Vater gestorben ist. Dieses Gespräch zog mir so den Boden unter den Füßen weg. Ich weiß noch, dass ich Daniel angerufen habe und meine Arbeitskollegin, aber was genau ich wem erzählt habe, weiß ich nicht mehr. Ich habe schnell meine Klamotten zusammengepackt und bin dann zum Auto. Bis heute kann ich mich nicht an diese Fahrt nach Hause erinnern, nur das ich fast noch ein Reh mitgenommen habe, kurz bevor ich zu Hause war und da fielen mir die Worte meiner Mutter von dem Telefonat ein. Aber fahr vorsichtig, nicht das dir auch noch etwas passiert. Als ich zu Hause ankam, waren meine Tante, mein Onkel und mein Cousin schon da. Ich stieg aus meinem Auto und meine Füße gaben unter mir nach. Nik kam sofort zu mir, aber anstatt mir beim aufstehen zu helfen, ließ er sich neben mir ins Gras fallen und nahm mich einfach nur in den Arm. Keiner sagte irgendetwas, wir weinten einfach nur zusammen."


Danny hält am Straßenrand an und wühlt in seiner Jackentasche herum. Er zieht ein Packet Taschentücher aus seiner Jacke und reicht es mir. Ich habe gar nicht gemerkt, wie mir die Tränen über die Wange gelaufen sind. „Komm mal her", sagt er und zieht mich in eine Umarmung. Ein Schluchzen entfährt meiner Kehle. Beim erzählen habe ich mich so sehr in die ganze Situation wieder hinein versetzt, dass die ganzen Gefühle in mir erneut hochbrodeln. Diese Gefühle hatte ich immer tief in mir verschlossen, weil ich stark sein musste, so dachte ich es zumindest immer.


Home sweet homeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt