157. Tyler

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Ich kann gar nicht glauben, dass heute der letzte Tag sein soll, an dem ich Alex sehe. Heute werde ich ein letztes Mal auf diesem Sofa wach, mache mich ein letztes Mal in diesem Bad fertig, bediene mich ein letztes Mal an diesem Kühlschrank... Seltsam, wie befreiend das Gefühl des Abschieds sein kann.

Tony und Matt bleiben noch ein paar Tage hier, und begleiten Alex dann zur Reha. Ich bin ganz froh, dass die drei das zusammen machen. Alex tut es bestimmt gut, sich das alles erstmal mit seinen besten Freunden anzuschauen und von ihnen abgeliefert zu werden, wenn ich schon nicht kann.

Ich muss am Montag wieder arbeiten. Das Wochenende brauche ich dazu, um meinen Stoff vorzubereiten, gerade für meine Zwölfte ist das echt wichtig. Alex versteht das. Er sagt mir schon seit Tagen, dass ich gehen kann und er auch alleine klarkommt, aber ich habe es bis zum letztmöglichen Zeitpunkt hinausgezögert.

Ich kenne mein Löwenbaby doch. Alex will sich nur nicht so vorkommen, als würde er mich aufhalten oder belasten. Aber das tut er nicht und das mache ich ihm auch sehr deutlich bewusst, indem ich erst heute Abend fahre. Egal, ob wir jeden Tag zusammen im Krankenhaus verbracht haben, ob es ihm schlecht dabei ging, ob wir uns angezickt oder diskutiert haben... Die Zeit mit ihm war wirklich schön und ich bin dankbar für jede einzelne Sekunde davon.

Ich freue mich auf das, was jetzt auf uns zukommt. Alex will zwar im Entzug nicht sehr viel Kontakt zu mir, weil er darauf besteht, das alleine durchstehen zu können, aber wir haben vereinbart, einmal die Woche zu telefonieren und, dass er sich jederzeit melden kann, falls er seine Meinung doch ändert. Das wird er zwar nicht, rein, weil sein Stolz es nicht zulassen wird, aber mir war wichtig, dass er weiß, dass ich gerne für ihn da sein würde. Ich verstehe seine Gedanken dahinter aber auch, nachdem er sich mir ausführlich erklärt hat. Er will das alleine schaffen, endlich mal was richtigmachen und dann stolz auf sich sein können.

Meine Versuche, ihn davon zu überzeugen, dass er auch jetzt schon unglaublich viel erreicht hat, kamen nicht wirklich bei ihm an und dann habe ich es irgendwann auch aufgegeben, bevor wir uns noch über sowas streiten. Alex ist so verdammt stur... aber so sehr mich das anstrengt, ich liebe ihn auch dafür, dass er weiß, was er will, und das erreichen möchte, egal, wie schwer es wird und ist.

Alex gibt mir Hoffnung, er lässt mich glauben, dass man alles schaffen kann, wenn man nur hart genug dafür arbeitet. Er inspiriert mich, niemals aufzugeben und ich finde es einfach nur faszinierend, dass ich sowas mit 29 noch von ihm lernen durfte. Das zeigt gut, wie sehr Alex mein Leben bereichert. Ich kann es kaum erwarten, noch viel mehr mit ihm zu erleben, einander und uns selbst zusammen noch besser kennenzulernen und uns ein gemeinsames Leben aufzubauen. Ein Zuhause.

Bei dem Gedanken daran muss ich jedes Mal Lächeln, egal, in welcher Situation. Gerade ist es mal sehr passend, da ich dabei bin, in sein Zimmer zu gehen. So kann ich ihn mit einem Strahlen begrüßen und bekomme dieses ebenso zurück.

Alex lacht leicht, als ich mich zu ihm aufs Bett werfe und an ihn drücke. Er legt das Buch weg, das ich ihm gekauft und aus dem ich ihm bisher immer vorgelesen habe. Er scheint Gefallen daran gefunden zu haben.

„Du freust dich ja schon richtig darauf, mich loszuwerden", Dass er dabei schmunzelt, beweist, dass er es nicht ernst meint.

Trotzdem sehe ich ihn strafend an. „Gar nicht. Ich freue mich auf alles, was kommt, wenn wir dann wieder zusammen sind. Ich habe mir überlegt, schon mal jemanden zu suchen, der die Wohnung kaufen will, im Notfall kann John ja vorrübergehend zu Julian ziehen oder mit mir in eine kleinere und vor allem günstigere Wohnung. Und dann habe ich sicherlich genug auf der hohen Kante, um später was für uns zusammen kaufen. Wo auch immer du möchtest"

„Wow" Er sieht mich überwältigt an. „Ich wusste gar nicht, dass es selbstverständlich ist, dass ich nach der Reha zu dir ziehe..."

„Nicht zu mir", verbessere ich. „Mit mir zusammen. Wir suchen uns eine hübsche Wohnung, die uns beiden gefällt, sobald wir wissen, wo wir hinwollen und dann haben wir unser erstes eigenes zuhause... Oder wenn du willst, dann auch ein kleines Haus, das ist mir ziemlich egal. Hauptsache, du bist drin" Ich drücke ihm einen Kuss auf die Nasenspitze.

Teach me LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt