77. Tyler

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„Du hast mir gar nicht erzählt, wie es in der Therapie war" Ich weiß, diese Feststellung kommt sehr früh dafür, dass John am Dienstag seinen Termin hatte. Aber gleich am selben Tag wollte ich ihn nicht bedrängen und den nächsten wollte ich ihm auch noch Zeit geben. Eigentlich habe ich gehofft, vielleicht erzählt er von selbst was. Hat er aber nicht getan. Und dann habe ich es irgendwie einfach vergessen. Bis heute.

„Was soll ich erzählen?", fragt er ahnungslos. Er wirkt ein bissen überrascht, hat wohl nicht damit gerechnet, dass ich ihn darauf ansprechen werde.

„Ich weiß nicht. Hast du das Gefühl, es wird was bringen? Verstehst du dich gut mit der Psychologin? Sowas halt"

„Mh..." John scheint nachzudenken. Ich sitze einfach nur da und sehe ihn erwartungsvoll an, versuche aber, ihm seine Zeit zu geben.

Würde ich ihn nicht so verdammt gut kennen, wüsste ich wahrscheinlich nicht mal, dass er grade fieberhaft nachdenkt. Er sitzt neben mir auf dem Sofa, schaut auf den Fernseher, hat den Arm auf der Lehne und dreht sich einzelne Haarsträhnen ein, bis sie sich locken und dann kämmt er sie mit den Fingern wieder glatt. Er wirkt nicht so, als würde er das mitbekommen, macht es also sicherlich nicht mit Absicht. Trotzdem tut er das schon seit Jahren. Wohl ein Beweis dafür, dass manche Dinge doch gleichbleiben, egal, wie sehr sich alles andere verändert.

„Es war ganz ok, schätze ich. Also sie ist ganz nett und ich habe mir auch Mühe gegeben, aber... Ich weiß nicht."

„Hast du schon einen neuen Termin?" Somit kann ich ihn unauffällig fragen, ob er vorhat, wieder hinzugehen. Er scheint das nicht zu bemerken.

„Ja, nächste Woche gleich wieder am Dienstag"

„Okay." Ich nicke verstehend.

Für mich klingt das nach einem Erfolg. Ich meine, vor ein paar Wochen wollte er nicht mal darüber reden, eventuell einen Psychologen aufzusuchen und hat sich geweigert, mit dem aus dem Krankenhaus zu reden, aber jetzt geht er freiwillig hin und bemüht sich sogar.

Er scheint verstanden zu haben, dass es nur zu seinem Besten ist. Und er scheint den Willen gefunden zu haben, sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen. Das ist ein großer Schritt. Er hat es verdient zu hören, dass ich ihm das hoch anrechne.

„Ich bin stolz auf dich, Johnny"

Die Hand in seinen Haaren bleibt plötzlich ruhig, als er das Gesicht zu mir dreht, erneut mit überraschtem Gesichtsausdruck. „Wirklich?"

Ich nicke. „Ich weiß, dass das schwer für dich ist. Es macht mich stolz, dass du es trotzdem durchziehst. Klar wird nicht von heute auf morgen alles perfekt, aber ich glaube daran, dass du mit kleinen Schritten in die richtige Richtung wieder du selbst werden kannst" Zuversichtlich lächele ich ihn an.

Was ich sage, ist lieb gemeint und wirklich ehrlich, aber trotzdem zieht John die Augenbrauen zusammen und schüttelt den Kopf. „Das will ich nicht. Ich will besser sein als das." Er sieht entschlossen dabei aus. Ich kann nicht anders als ihm zu glauben und das wiederum macht mich umso stolzer. Johnny ist bereit, wieder zu kämpfen.

Gerade, als ich ihm antworten will, klingelt mein Handy und wir beide sehen auf den Tisch vor uns, wo Alex' Bild aufleuchtet. Ich sehe fragend zu John, da dieses Gespräch grade wirklich wichtig ist, doch er lächelt bloß und meint, dass ich rangehen soll.

„Aber tu mir den Gefallen und behaupte, wir hätten gekuschelt.", grinst er dabei.

Ich verdrehe die Augen, während ich nach meinem Handy greife und in Richtung meines Zimmers gehe. „Das werde ich nicht tun"

Ich höre noch wie John: „Bitteeeee!" schreit, aber ignoriere es, um den Anruf meines Freundes anzunehmen.

„Hei Löwenbaby"

Teach me LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt