127. John

1.4K 107 36
                                    

„Erklärst du mir jetzt, wieso wir uns verpissen mussten, nur, weil Lion da war?" Ich sehe meinen Freund fragend an, während wir zusammen die Treppen runterlaufen.

Ich war ja dafür, den Aufzug zu nehmen, aber Juli hat so eine seltsame Angst vor Aufzügen oder eher davor, darin stecken zu bleiben und dann bei dem Versuch rauszukriechen in Zwei geteilt zu werden, daher laufen wir lieber elf Stockwerke rauf und runter jedes Mal, wenn wir zu mir gehen.

Jeder andere mit diesem Problem könnte meiner Meinung nach gerne alleine die Treppen laufen, während ich entspannt den Aufzug nehme, aber Juli begleite ich gern, so anstrengend das manchmal auch ist. So bleibe ich wenigstens in Form.

„Ist doch klar, dass sie was zu klären hatten", meint er, konzentriert darauf, die Treppen zu gehen ohne mal wieder eine zu verfehlen und somit hinzufallen. „Und selbst wenn nicht, sollten sie auch so ein bisschen Zweisamkeit haben dürfen, nachdem sie so lange getrennt waren."

„Also haben wir voll umsonst zwei Stunden lang gekocht? Um Zweisamkeit zu haben, hätten sie auch einfach in Tylers Zimmer bleiben können"

Das checke ich nicht. Man kann es echt übertreiben mit Rücksichtnahme und so. Juli ist einfach zu gut, Lion und Tyler wissen das wahrscheinlich nicht mal zu schätzen, da sie keinen Gedanken daran verschwenden. Und das schlimme ist, Juli will nicht mal, dass man sowas von ihm zu schätzen weiß. Er tut das echt aus reiner Gutmütigkeit – Etwas, worüber ich nur den Kopf schütteln kann.

„Das Essen können wir heute Abend auch noch essen, da schmeckt es bestimmt noch genauso gut. Außerdem können wir so früher zu mir und helfen, den Weihnachtsbaum zu dekorieren. Ich muss verhindern, dass Lila den schön schmückt und dann behaupten kann, dass sie das ganz alleine gemacht hat. Ich kann das viel besser!"

„Aber soll ich wirklich mithelfen? Das ist doch ein Familiending oder?"

Ich bin mir echt unsicher, ob ich da nicht fehl am Platz wäre. Klar würden Julis Eltern mich wie immer nett behandeln, aber ich bin so oft bei ihnen, dass es sie irgendwann einfach stören MUSS. Weihnachtsbaumschmücken kommt mir schon wie etwas vor, das man hauptsächlich familienintern macht.

Und ich weiß ja nicht mal, ob ich das kann. Tyler und ich haben uns nur, wenn wir Lust hatten, so einen kleinen Weihnachtsbaum von höchstens einem Meter ins Wohnzimmer gestellt, er hat eine Lichterkette darum herumgemacht und das war's dann auch schon mit dem Schmuck. Ich in total ungeübt, was dieses Familienzeugs angeht.

„Hä natürlich, grade deswegen!"

Juli versteht gar nicht, worüber ich mir hier Gedanken mache. Das bringt mich zum Lächeln, da es für ihn so selbstverständlich ist, mich als Teil seiner Familie zu sehen. So als würde ich da wirklich dazugehören.

„Ich habe noch gar kein Weihnachtsgeschenk für deine Mama", muss ich gestehen, greife dabei nach seiner Hand, einfach, weil ich sie grade gerne halten will. Mit seiner anderen Hand hält er sich weiter am Geländer fest und schaut immer konzentriert darauf, wo er hintritt.

„Ich auch nicht. Lass uns behaupten, du hättest mich geschwängert, dann freut sie sich bestimmt"

Das verwirrt mich so sehr, dass ich lachen muss, auch, weil mir die Vorstellung von einem schwangeren Juli gut gefällt. Mit so einem süßen, kugelrunden Bauch und wie er mich rumkommandiert, um das Kinderzimmer einzurichten... Das steht ihm bestimmt sehr gut.

„Weißt du, dass man Sex haben muss, um geschwängert werden zu können?", versichere ich mich amüsiert.

Juli verdreht die Augen und macht einen genervten Ton. „Weißt du, dass man dafür einen Uterus haben muss? Und allgemein weibliche Geschlechtsorgane, die ich sicherlich nicht habe?"

Teach me LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt