119. Julian

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Ich war schon ewig nicht mehr auf einem Fußballspiel. Das letzte Mal vor mindestens fünf Jahren bei irgendeinem Zweitligisten, weil Lila bei einer Auszeichnung als beste Spielerin des Turniers dafür Karten gewonnen hatte und unbedingt mich mitnehmen wollte.

Klar hat das Spaß gemacht, aber wirklich Geld dafür ausgeben, wenn ich mir Spiele mit dem richtigen Fernsehprogramm auch zuhause anschauen kann, erscheint mir sinnlos.

Eigentlich mag ich Basketball ja auch viel mehr. Lila tut zwar immer so als hätte ich nur ihretwegen vom Fußball zum Basketball übergesiedelt und da ist schon was dran, aber sie war natürlich nicht der einzige Grund. Ich bin zwar klein und tollpatschig, aber schnell und wendig und so ungeschickt ich mit den Füßen bin, so geschickt bin ich mit den Händen. Basketball passt einfach besser zu mir.

Trotzdem sehe ich mit Fußball natürlich nicht auf Kriegsfuß. Ich spiele das auch immer noch oft in meiner Freizeit, wenn ich mit Lila und unseren gemeinsamen Freunden rausgehe und so behindert stelle ich mich da gar nicht an, finde ich.

Letztens habe ich mit John Basketball gespielt. Das war richtig unfair. Ich dachte echt, ich hätte eine Chance gegen ihn, aber er musste sich einfach nur vor mich stellen und hin und wieder die Arme bewegen und ich war einfach nur aufgeschmissen. Ich kam weder um ihn rum, noch konnte ich über ihn in den Korb werfen, weil er nur die Arme heben musste und der Ball dann abprallte.

War echt eine scheiß Idee von mir, sich als Zwerg mit meinem Riesen anzulegen, aber irgendwie dachte ich, John ist nicht so flink und sein Alter wendet sich vielleicht gegen ihn, wenn wir uns zusammen sportlich betätigen... Aber keine Chance. Mein Freund hat's einfach drauf.

Mir ist bewusst, wie dämlich ich jedes Mal grinse, wenn ich an ihn denke. Ich werde ja oft genug darauf hingewiesen. Aber ich kann daran nichts ändern und ich verstehe auch nicht, warum ich das sollte. John macht mich glücklich, das ist doch schön.

Um ehrlich zu sein, war ich anfangs noch nicht ganz so überzeugt davon, wirklich mit ihm zusammen zu sein. Also so wirklich richtig mit ihn offiziell meinen festen Freund nennen und dass jeder davon weiß und so.

Ich bin nicht davon ausgegangen, dass mein Outing doch so ein großer Schritt für mich wäre, als ich meine Gefühle für John entdeckt habe. Es war jetzt auch keine große Überwindung oder wirklich schlimm für mich, aber ein bisschen Angst hatte ich schon. Nicht direkt vor den Reaktionen dazu, sondern wohl eher vor den Folgen für mich selbst. Weil ich wusste, dass das ein Schritt ist, den ich nicht mehr rückgängig machen kann. Ich finde alles, was ich mit John habe, einfach so unglaublich toll, dass ich nicht riskieren wollte, es zu überstürzen und es dann irgendwann zu bereuen.

Aber John ist jetzt mein fester Freund und ich finde das extrem schön. An unserem Umgang miteinander hat sich nicht wirklich viel geändert. Wir machen so gut wie jeden Tag was zusammen, aber geben uns auch unseren Raum. Wenn wir beieinander sein wollen, was wir meistens wollen, melden wir uns und machen ein Treffen aus, manchmal schauen wir spontan beieinander vorbei und manchmal nehmen wir uns auch Zeit für uns selbst und der andere versteht das.

Das ist total neu für mich. Meine Freundinnen haben mir bisher immer eine Szene gemacht, wenn ich einen Abend mal alleine sein wollte und dann musste ich mich immer dafür rechtfertigen und die Vorwürfe, die daraufhin auf mich eingeprasselt sind, abwehren. Dabei lag es nie an ihnen oder daran, dass ich keine Lust auf sie hatte, sondern echt nur daran, dass ich manchmal von der Arbeit wirklich überanstrengt war und Zeit für mich gebraucht habe, um meine Batterien wieder aufzuladen.

John versteht das. Er bietet sich zwar als Bediensteter an und meint, er könnte mich versorgen und massieren und dafür sorgen, dass ich mich schön entspannen kann, aber er schlägt das nicht jedes Mal vor, sondern hat es einmal getan und seitdem als dauerhaftes Angebot so stehen lassen. Ich weiß, ich müsste nur ein Wort sagen und er würde zu mir kommen und mir jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Manchmal, wenn ich alleine in meinem Bett liege und darüber nachdenke, dann kann ich kaum glauben, wie viel Glück ich mit ihm habe.

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