145. Alex

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Die Zeit ist ein seltsames Paradoxon. Je mehr man sie genießt, desto weniger scheint man davon zu haben und je schneller sie vergehen soll, desto länger zieht sie sich dahin.

Seit Tyler mir klargemacht hat, dass er gerne wieder mit mir zusammen sein will, aber erst nachdem ich Fußball endgültig und ganz offiziell hingeschmissen habe, bin ich gegangen. Die Stimmung zwischen uns war sowieso dahin und allgemein hat es sich in dem Moment einfach nicht mehr gut angefühlt, bei ihm zu sein.

Ich kann einfach nicht verstehen, wieso der einzige Mensch, dessen Unterstützung ich brauche und will, sie mir verweigert. Er weiß doch genau, dass ich es beim Fußball nicht leicht habe. Statt mir mal zur Seite zu stehen, macht er es mir nur noch schwerer. So viel zu er will nur das Beste für mich. Er will das Einfachste für sich, mehr nicht.

Wahrscheinlich wäre es ihm am liebsten, ich würde wieder bei ihm einziehen, den ganzen Tag zuhause auf ihn warten, seine Hausfrau spielen und mein Leben komplett nach ihm richten. John war gegen Ende auch auf alle erdenklichen Arten abhängig von Tyler und der hat dagegen nie wirklich was getan. Mich finanziell auf seinen Einnahmen auszuruhen, wäre mein erster Schritt in diese Richtung und das will ich unbedingt vermeiden. Auch, wenn ich mir sehr sicher bin, dass Tyler sich darüber nicht beschweren würde. Er braucht das echt dringend, dieses Gefühl, nützlich zu sein und anderen was Gutes zu tun. Aber nicht mit mir. Ich will auf eigenen Beinen stehen. Ich muss Tyler, meinen Eltern und auch mir selbst beweisen, dass ich das kann.

Nachdem ich bei Tyler gegangen bin, habe ich zwei Tage bei Lila verbracht, aber ihre Energie wurde mir ziemlich schnell eindeutig zu viel und ich hatte keine Lust mehr auf Menschen im Allgemeinen, vor denen ich mich nicht verstecken kann. Ich brauche einfach meine Zeit für mich und die bekomme ich am besten bei mir zuhause, in meinem Zimmer, wo ich wieder der Lion sein kann, der ich schon immer war.

Mir einzubilden, ich hätte nur meine Probleme, die ich mit 15 oder 16 schon hatte, tut manchmal sogar ganz gut. Dass sich die Scheiße in meinem Leben seitdem nur exponentiell gesteigert hat, zeigt immerhin, dass ich sowas durchstehen kann.

Seit einer Woche bin ich wieder zuhause. Meine Mum habe ich in der Zeit kaum gesehen und wenn doch, haben wir genauso wenig miteinander geredet wie sonst auch.

Sie wollte natürlich wissen, wie mein Date mit Ty war, weil sie dachte, ich lasse mich die nächsten Monate zuhause nicht mehr blicken und bin dann nur noch bei ihm, aber hingegen aller Erwartungen hat sie gar nicht zufrieden gewirkt, als ich meinte, dass es nicht so aussieht, als würden wir in naher Zukunft auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

Sie hat kaum eine Reaktion gezeigt und nur wortlos genickt, aber allein, dass kein gehässiger Kommentar kam, hat mir gezeigt, dass sie sich darüber absolut nicht gefreut hat. Wer weiß, vielleicht liegt ihr das Wohlbefinden ihres Sohnes ja doch am Herzen und sie hat mir angesehen, wie sehr mich das alles mitnimmt.

Gesagt hat sie aber nichts und vielleicht ist das auch gut so. Mit ihr reden würde ich darüber ohnehin nicht und allgemein kennt sie mich, glaube ich, dann doch gut genug, um zu wissen, dass ich nur hier bin, um meine Ruhe zu haben.

Seit gestern Mittag weiß ich aber, dass das nicht ewig so weitergehen kann. Auf kurz oder lang muss ich gestehen, dass ich hier bin und mit Leuten reden. In dem Fall Lucy und Nico.

Das Ergebnis des Vaterschaftstests ist mit der Post gekommen. Seitdem liegt der Brief ungeöffnet auf meinem Nachtkästchen, da ich mich nicht traue, ihn zu öffnen. Ich habe beschlossen, dass wir ihn zusammen aufmachen sollten, immerhin interessiert uns das Ergebnis alle und es betrifft uns auch alle. Jetzt muss ich Lucy und Nico nur noch schreiben, dass wir uns treffen sollten.

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