81. Julian

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Mögt ihr Überraschungen?

Ich bin da total zwiegespalten.

Klar freue ich mich, wenn unerwartet etwas Tolles passiert. Meistens sind das Zufälle, die einem ganz gelegen kommen.

Wenn jemand dagegen eine Überraschung für mich plant, um mir eine Freude zu machen, fühle ich so einen starken Zwang, Dankbarkeit zu zeigen, dass ich mich gar nicht wirklich freuen kann, selbst, wenn mir die Überraschung wirklich gefällt.

Erst letztens hatte ich eine Situation, die mich ziemlich überrascht hat. Es war eine gute Überraschung. Aber trotzdem habe ich mich nicht getraut, die Freude darüber auch zu zeigen. Ich kam mir total ertappt vor, obwohl ich nach außen hin wohl ziemlich cool geblieben bin.

Seitdem freue ich mich quasi ununterbrochen. Anscheinend merkt man mir das auch an.

Meine Arbeitskollegen glauben, dass ich wieder kiffe, weil ich ständig mit einem Dauergrinsen herumlaufe und so motiviert bin wie lange nicht mehr. Ich schleppe mich nicht mehr auf den Bau und hantiere lustlos herum, sondern habe wieder wirklich Spaß an meinem Job.

Auch das war eine Überraschung für mich. Eigentlich habe ich die Ausbildung nur gemacht, um gut Geld zu verdienen, damit ich mir mein Studium später selbst finanzieren kann.

Ich wollte das eigentlich gar nicht, aber ich wollte meinen Dad nicht enttäuschen und habe den Deal mit ihm gemacht, die Ausbildung in seinem Unternehmen zu machen, sie auch zu beenden und dann, wenn es mir danach immer noch nicht gefällt, hat er mir versprochen, mich auf jedem anderen Weg zu unterstützen.

Ich will nicht von ihm verlangen, für etwas zu bezahlen, hinter dem er nicht steht. Also spare ich mein Geld, seit ich es verdiene, um mir mein Studium und alles, was damit zu tun hat, selbst zu finanzieren. Immerhin wohne ich noch zuhause und muss auch keine Miete bezahlen, also konnte ich über die Jahre gut was ansparen, auch wenn man als Auszubildender sicherlich nicht reich wird.

Seit ich die Ausbildung abgeschlossen habe, verdiene ich deutlich besser, was auch damit zusammenhängt, dass ich den ganzen Tag arbeite und meine Überstunden meistens ausbezahlt bekomme.

Nach all den Jahren habe ich gefallen an der Arbeit als Maurer gefunden. Ich mag es, mich körperlich anzustrengen und dann hinterher das Ergebnis, von dem, was ich geschaffen habe, vor Augen zu haben.

Meine Kollegen sind die besten, die man sich nur vorstellen kann. Wir haben erstaunlich viel Spaß auf der Arbeit. Bei uns wird es nie langweilig. Wir verstehen uns alle super, wohl auch dem Umstand geschuldet, dass die meisten, die hier arbeiten, privat mit meinem Dad befreundet sind. Die haben mich quasi mit aufgezogen. Die Belegschaft ist also eine einzige große Familie. Ich mag das. Nur so kann ich da auch wirklich aus mir rauskommen.

Ich weiß ja auch nicht, was mit mir los ist. Bei Leuten, die ich nicht kenne, bekomme ich die Fresse nicht auf und bei Bekannten oder Freunden bin ich der allseits beliebte Partykönig. Wahrscheinlich liegt es daran, weil die alle wissen, was für einen Schaden ich habe und ich das bei Fremden nicht unbedingt zeigen will. Die verurteilen mich dann nur und geben mir gar nicht die Chance zu beweisen, dass auch mehr in mir steckt als ein verrückter Spinner, der für jeden Scheiß zu haben ist.

John hat eine ganz andere Seite von mir kennengelernt. Er kennt Gedanken von mir, die ich vor anderen niemals ausgesprochen hätte, nicht mal meinem besten Freund. Er kennt die Seite von mir, die ich nur ganz besonderen Leuten zeigen kann. Er weiß, was mir etwas bedeutet und er weiß, was mich glücklich macht und er weiß, was mich verletzen kann. Und ich finde das auch noch schön.

Die positive Überraschung, die ich eben schon erwähnt habe, war Tylers Bitte an mich, nach John zu sehen, während er weg ist. Ich wusste nicht mal, dass er überhaupt meine Nummer hat, geschweigedenn, dass er weiß, dass ich etwas mit John zu tun habe. Aber, als er meinte, dass ihm aufgefallen ist, dass ich mich ziemlich gut mit John verstehe und dass es sehr nett von mir wäre, wenn ich die nächsten Tage ein bisschen nach ihm schauen könnte, habe ich mich sehr gefreut.

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