74. Tyler

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Dienstage sind für mich immer sehr lange Tage. Total unnötig, wenn man mal bedenkt, dass es die letzte Schulwoche ist und man die Schüler bei diesem Wetter trotzdem dazu zwingen will, sich in die Schule zu setzen. Ich habe also beschlossen, einfach alles umzuwerfen, mit meiner Elften rauszugehen, uns in den Schatten zu chillen und ein paar kurze Gedichte zu lesen, zu denen sie dann ihre Gedanken teilen können.

Das kommt ganz gut an. Der Kurs macht mit, scheint hin und wieder auch seinen Spaß daran zu haben, irgendwas total Sinnloses zu interpretieren und sich alles Mögliche aus dem Arsch zu ziehen, um das irgendwie zu begründen. Das mit anzuhören ist wirklich witzig und beweist auch, dass es ihnen an Kreativität auf jeden Fall nicht mangelt. Schade, dass darauf, das gezielt zu fördern, nicht mehr wert gelegt wird.

Ich habe mich bereits erkundigt, ob ich für nächstes Schuljahr versetzt werden kann. Das sieht allerdings sehr schlecht aus. Die Schule hat ohnehin schon zu wenig Lehrer, grade in meinen Fächern. Außerdem fühle ich mich auch nicht gut dabei, meine Elfte für nächstes Jahr, wenn sie ihr Abi schreiben, irgendwem anders zu übergeben. Ich werde also mindestens noch ein Jahr hierbleiben müssen.

Wirklich schlimm finde ich das nicht. Es ist nur schade, da ich wirklich gerne näher bei Alex gewesen wäre. Aber ich glaube, wir kriegen das trotzdem hin. Ich kann ihn bestimmt oft besuchen an den Wochenenden oder in den Ferien und er hat mit Sicherheit auch mal Phasen, in denen er etwas weniger trainieren muss. Fußballer machen doch auch Urlaub oder?

Kurz vor Ende der Stunde gehen wir wieder ins Gebäude, damit wir unser Zeugs aus dem Klassenzimmer holen können. Die Schüler verabschieden sich von mir, bedanken sich für die coole Stunde und wünschen mir noch einen schönen Tag. Lila und Finn erkundigen sich wieder nach Alex, aber wirklich mehr als gestern kann ich ihnen eigentlich nicht sagen.

„Schreibt ihm doch einfach, er kann euch besser erzählen, was er so macht, als ich" Außerdem weiß ich nicht, wie viel von dem, was er mir erzählt, nur für meine Ohren bestimmt ist. Ich will nichts preisgeben, das Alex eigentlich nur mir anvertrauen wollte.

„Mann, aber er braucht immer ewig, um zu antworten", schmollt Lila.

„Ich werde ihm sagen, dass er sich bemühen soll, dir zu antworten, sobald er deine Nachrichten sieht, okay?"

Lila nickt, seufzt. „Okay, danke". Dann verabschiedet auch sie sich von mir und verlässt mit Finn das Zimmer.

Ich schließe noch die Fenster, nehme dann meine Sachen und sperre grade den Raum zu, als Magnus, einer der übermotivierten Referendare, auf mich zurennt. „Tyler! Tyler! Gut, dass ich dich noch erwische!"

Als er noch ganz neu hier war, habe ich ihn ein bisschen unter meine Fittiche genommen. Das war, bevor ich gegangen bin. Er hat sich total gefreut, als ich wieder da war und hat sich wohl mit den Schülern auch dafür eingesetzt, dass ich zurückkommen durfte. Aber, dass auf ihn irgendwer gehört hat, bezweifle ich. Die meisten finden ihn total nervig und behaupten, er sei viel zu unreif, um Lehrer zu sein. Ich finde, er macht seine Sache ganz gut. Natürlich ist er nicht grade für Problemklassen geeignet, aber die Kleinen mögen ihn und die Großen finden ihn zu süß, um das auszunutzen. Die Pubertiere dazwischen sind das Problem. Aber so geht es den meisten Lehrern. Jugendliche testen in dem Alter nun mal gerne Grenzen aus.

„Was brauchst du?" Wenn Magnus irgendwelche Probleme hat, wendet er sich meistens an mich. Die Ratschläge der anderen sind entweder nicht ernstgemeint oder für ihn absolut ungeeignet. Ich versuche wenigstens, ihm zu helfen, das weiß er. Immerhin ist er nicht dumm.

„Ich wurde gezwungen, in der ersten Ferienwoche mit auf einen mehrtägigen Ausflug zu gehen, aber ich bekomme Angstzustände, wenn ich daran denke, wer alles mitkommt. Bitte sag mir, du hast dich auch angemeldet"

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