59. Tyler

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Alex kommt in die Küche. Langsam, fast schon wiederwillig, mit gesenktem Blick und hochgezogenen Schultern.

Ich begrüße ihn und frage ihn, wie es war.

„Ganz okay... Tut mir leid, dass ich so spät erst komme."

Ich seufze, klappe die Spülmaschine zu und drehe mich dann zu ihm um. „Schon gut. Soll ich dir noch was zu essen warm machen? Hast du Hunger?"

Er nickt bloß, ich fülle also einen Teller und stelle ihn in die Mikrowelle. Alex setzt sich währenddessen auf einen Hocker am Tresen, der die Küche vom Esszimmer trennt, und sieht mir zu. „Hast du mit John gegessen?"

Ich weiß gar nicht, warum er so unsicher wirkt grade. Das ist absolut nicht seine Art, nicht mal, wenn er Ärger erwartet. Dann ist er nur noch aufmüpfiger, um zu zeigen, dass er keine Angst hat.

Er scheint jedoch zu wissen, dass ich es nicht toll finde, dass er, wenn er unterwegs ist, immer vergisst, dass ich existiere und zuhause auf ihn warte, auch ohne, dass ich es sagen muss. Ich will es ihm nicht vorwerfen, immerhin will ich ja, dass er Spaß mit seinen Freunden hat und er muss dann nicht die ganze Zeit am Handy hängen, um mir zu schreiben. Aber er kann doch wenigstens Bescheid geben, wenn er weiß, dass es später wird. Ich mache mir sonst nur sorgen.

Ich nicke auf seine Frage ihn. „Er hat versucht, mit mir zu reden. Über das Wetter." Mein Nicken wird zu einem Kopfschütteln. „Er meinte irgendwas von damals waren die Sommer noch nicht so heiß in Deutschland bla bla bla... Ich glaube, er weiß, dass ich ihm nicht wirklich zugehört habe"

Alex seufzt. Er wirkt erschöpft, doch erspart uns beiden diese Diskussion trotzdem nicht. „Du versuchst nicht mal, ihm eine Chance zu geben"

Meine Hand schlägt mit einem lauten Knall auf die Ablage. „Ich habe ihm genügend Chancen gegeben!"

Ich atme tief durch, merke an Alex' Blick, dass ich mich im Ton vergriffen habe und entschuldige mich, ehe ich ruhiger weiterspreche. „Ich habe es einfach satt, es ihm so verdammt leicht zu machen, wirklich. Er baut am laufenden Band nur Scheiße und ich muss damit zurechtkommen und ihm alles verzeihen, aber das... Das kann ich ihm nicht verzeihen. Und ich will es ihm nicht verzeihen. Ich will ihn hassen und sauer auf ihn sein und ihm die Schuld geben und ihn für alles Übel auf der Welt verantwortlich machen, weil sonst... Sonst müsste ich mir eingestehen, dass vielleicht nicht er der Böse ist, sondern ich"

Alex rutscht von dem Hocker. Sein Gesichtsausdruck ist total verhärtet, so als trage er eine in Stein gemeißelte Maske. Ich habe keine Ahnung, wie ich so einen seiner Blicke deuten soll. Ich fühle mich, als würde er mich aussperren.

Er kommt auf mich zu, schaltet die Mikrowelle ab, als sie zu piepen anfängt, da die Zeit abgelaufen ist, doch widmet sich danach mir. Stellt sich vor mich, stützt seine Hände links und rechts von mir auf der Ablage hinter mir ab und schaut mich eindringlich an.

„Du bist nicht der Böse. Und John ist es auch nicht. Keiner ist das. Vielleicht habt ihr beide Fehler gemacht, na und? Das kommt vor. Das macht einen nicht zu einem schlechten Menschen... Manchmal passiert einfach scheiße und ich verstehe es, dass du jemandem die Schuld geben willst. John ist mit Sicherheit alles andere als unschuldig, aber ich denke, wir wissen beide, dass er schon genug zu kämpfen hat, auch ohne noch das letzte bisschen Halt zu verlieren, das er von dir bekommen hat... Ich will damit nicht sagen, dass du einfach vergessen sollst, was passiert ist, oder es egal ist, wie du dich fühlst, weil John dich braucht, sondern dir nur bewusstmachen, dass all deine negativen Gefühle auf John abzuwälzen, nicht die Lösung ist." Er seufzt, nimmt eine Hand neben mir weg und legt sie stattdessen an meine Wange, um mit dem Daumen darüber zu streicheln. „Vielleicht kann dir der Psychologe helfen, ein bisschen Ordnung in deinem hübschen Kopf zu schaffen, mh?"

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