147. Tyler

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Sich zu wünschen, dass es denen, die man liebt, gut geht, ist nur menschlich.

Ich freue mich deshalb jedes Mal, wenn ich sehe, wie glücklich John mit Julian ist und so langsam habe ich auch keine Befürchtungen mehr, dass er jeden Moment total abstürzt. Klar hat er auch mal leichte Durchhänger, aber seine Stimmung ist jetzt schon seit Monaten relativ stabil und ich glaube auch, das wird so bleiben.

Nur manchmal nervt es mich wirklich extrem, wenn er und Julian hier sind und ich mir stundenlang ihre viel zu lauten Gespräche und ihr Lachen anhören muss. Ich habe keine Ahnung, wie zwei Menschen so viel Spaß miteinander haben können. Die sind durchgehend am Reden, manchmal habe ich das Gefühl, sie holen nicht mal wirklich Luft und allgemein versuche ich alles, um ihre Energie von mir fernzuhalten. Mich in meinem Zimmer zu verschanzen oder im Büro, um zu lesen oder zu arbeiten, hat nicht wirklich was gebracht. Musik hören oder mir das Kissen auf die Ohren pressen genauso wenig. Also bleibt jetzt nur noch die Flucht.

Ich will schon länger wieder auf Nick zugehen und einfach mal nach ihm sehen. Prinzipiell will ich ihm gerne Zeit geben herauszufinden, ob er mit mir befreundet sein kann, aber ich glaube, es spricht nichts dagegen, mal zu überprüfen, ob es ihm gut geht. Außerdem habe ich noch ein Weihnachtsgeschenk für ihn, das den ursprünglich versprochenen Kuss ersetzen soll.

Irgendwie vermisse ich ihn. Oder wohl eher die Möglichkeit, mich durch ihn abzulenken und mal auf andere Gedanken zu kommen. Sonst ist es ja immer das Gleiche. Überall schwirrt nur Alex in meinem Kopf herum, egal, wo ich bin und was ich tue. Ich brauche unbedingt eine Pause von alle dem. Ich will mich nicht mehr ständig so fühlen als müsste ich bei ihm sein, wenn er mir nicht auch nur den kleinsten Anhaltspunkt darauf gibt, dass er mich bei sich haben möchte. Vor allem nach unserer unschönen Verabschiedung vor einer Woche.

Er hatte es ziemlich eilig zu gehen. All meine Bitten und Versuche, ihn davon zu überzeugen, ruhig zu bleiben, sich nochmal zu setzen und ausführlich mit mir über alles zu reden, hat er schlichtweg ignoriert.

Es war mir wichtig, dass er versteht, dass ich mich nicht nur aus Spaß so dagegen sträube zu akzeptieren, dass er weiterhin Fußball spielt. Ich weiß doch, dass er all das nicht so sieht wie ich und dass ihm seine Gesundheit wahrscheinlich auch deutlich weniger am Herzen liegt als mir. Aber er hat selbst gesagt, dass zumindest Erfolg und Ruhm total unwichtig sind und nur seine Gefühle für mich zählen. Dass er sich dennoch davor scheut, den Fußball an den Nagel zu hängen, beweist, dass es dabei für ihn um viel mehr geht als nur das. Und auch das wusste ich schon. Ich wünschte nur, wir könnten offen miteinander reden und versuchen, zusammen eine Lösung zu finden, sowie früher und nicht einfach voreinander weglaufen und dann wochenlang nicht mehr miteinander reden. Wie sollen wir so jemals wieder eine funktionierende Beziehung führen?

Nein, Tyler, hör auf! Du hast dir jetzt genug den Kopf zerbrochen! Du gehst jetzt raus, nimmst mal kurz am richtigen Leben Teil und dann kannst du wieder in Gedanken versinken!

Ich muss mich regelrecht dazu zwingen, aber es funktioniert und nur das ist, was zählt.

Das Geschenk für Nick packe ich ein altes Papier von dem Geschenk, das Julian mir zu Weihnachten gemacht hat. Ich habe mich echt schlecht gefühlt, weil er mir etwas geschenkt hat, aber ich ihm nicht, aber es konnte doch keiner ahnen, dass er auf die Idee kommt, mir was zu schenken!

Da das Geschenkpapier echt schön war und ich es beim Öffnen nicht kaputt machen wollte, ist es noch ganz gut in Schuss und ich kann es daher unauffällig wiederverwenden. Die Umwelt wird es mir danken.

Bevor ich gehe, will ich John noch Bescheid geben, dass ich jetzt dann weg bin, daher klopfe ich energisch an seine Zimmertür und öffne sie dann, als ein lachendes „Herein!" ertönt.

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