101. Tyler

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Zur Feier des hundertsten Kapitels, bekommt ihr heute nochmal eins!🙌🍻

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Es war eine unglaublich große Überwindung für mich, Alex anzurufen. Ich habe drei Tage gebraucht, um mich mental darauf vorzubereiten. Ununterbrochen habe ich mir überlegt, was ich wie sagen werde und alle möglichen Varianten eines Gesprächsverlaufes durchgespielt.

Dass ich genau weiß, dass bei Alex rein gar nichts vorhersehbar ist, macht mich nur noch nervöser.

Jetzt stehe hier, halte mir mit einem leichten Zittern mein Handy ans Ohr und beiße mir nervös auf die Unterlippe, da Alex nicht antwortet, nachdem ich ihn begrüßt habe. Aufgelegt hat er aber auch nicht.

Ich beschließe, nochmal was zu sagen. Vielleicht hat er mich nur nicht richtig gehört oder keine Ahnung... Aber noch länger dieser Stille zu lauschen, wird mich auf Dauer verrückt machen.

„Alex?" Ich verfluche es, wie unsicher ich dabei klinge.

Eben war ich noch total stolz, dass ich meine Aufregung so gut überspielen konnte. Aber kein Wunder. Ich habe die Begrüßung auch lange genug einstudiert.

Ich habe sogar John gefragt, ob ich das so sagen kann und er hat sich einen Spaß daraus gemacht, mich zu kritisieren und mir zu sagen, er wird sich das und das denken, wenn ich das so und so mache. Also haben wir einen gesamten Nachmittag lang geübt. Er hat dabei Alex' Rolle übernommen und obwohl ich ziemlich schnell gemerkt habe, dass John das nicht ernstgenommen hat und Alex nichts von dem sagen würde, was John gesagt hat, wollte ich alle Möglichkeiten mindestens einmal geprobt haben.

Jetzt merke ich erst, wie dämlich das war. Ich rufe nur meinen Ex-Freund an. Das ist kein Grund, so ein Drama zu schieben.

Ich bin erleichtert, als ich dann endlich was von ihm höre, auch, wenn es nur ein überfordertes „Ääähhh" ist.

Dann ist es wieder kurz still, bis er weiterredet. „Äh ja. Hi. Hei. Äh... Alter, bin ich behindert" Letzteres murmelt er nur noch ganz leise. Das war wohl nicht für meine Ohren bestimmt.

Trotzdem habe ich es gehört und es bringt mich zum Schmunzeln. Er ist nervös. Er ist nervös, weil ich ihn angerufen habe. Ich löse das in ihm aus. Es ist total absurd, wie glücklich mich das grade macht.

Wieder ist kurze Stille zwischen uns. Sunny nutzt diese Gelegenheit offensichtlich, um zu fragen: „Wer ist das?". Ich höre seine Stimme aus dem Hintergrund.

Vielleicht habe ich einen schlechten Zeitpunkt für meinen Anruf erwischt. Aber andererseits will ich ihn nur fragen, wann ich ihm seine Sachen vorbeibringen kann und keinen Telefonsex mit ihm haben oder über sonst irgendetwas Verräterisches mit ihm reden.

„Niemand"

Alex' Antwort zu Sunny reißt mich sofort wieder aus meinen Gedanken, bevor ich mich darin verlieren kann.

Niemand. Ich bin ein Niemand. Das von der Person zu hören, die man liebt, tut echt verdammt weh.

Eigentlich habe ich nie großen Wert daraufgelegt, Jemand zu sein. Doch früher war ich ganz automatisch Jemand. Als jeder im Dorf mich kannte, weil man über meine Familie oder meine Sexualität hergezogen hat.

Das hat mir gereicht. Ich will nicht, dass jeder meinen Namen kennt und weiß, wer ich bin. Aber ich will auch kein Niemand sein. Vor allem nicht für Alex.

„Wie beruhigend. Dann redest du also mit den Stimmen in deinem Kopf?", höre ich weiter von Sunny.

„Nein, mit Tyler"

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