32. Tyler

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Am Freitag gebe ich Alex noch eine Führung durch die Stadt und am Samstag ist er dann auch schon mit Lila in einem Kaffee verabredet. Mein Angebot, ihn hinzufahren, lehnt er ab. Er will laufen und ist dankbar um jedes Bisschen Bewegung, das er bekommen kann.

Kurz hat er auch versucht, mich davon zu überzeugen mitzukommen, aber ziemlich schnell hat er begriffen, dass ich da nicht mit mir diskutieren lasse. Ich will zwar wirklich gerne, dass das mit ihnen klappt, aber das soll nichts mit mir zu tun haben. Sogar relativ entspannte Lehrer wie ich legen Wert auf ein Stückchen Professionalität. Viele andere unterstellen Lila ohnehin schon die ganze Zeit, dass sie nur so gute Noten bei mir hat, weil sie sich damals für mich eingesetzt hat. Dass es auch darum ging, dass sie selbst Homosexuell ist und sie somit auch sich selbst verteidigen wollte, sehen die irgendwie nicht wirklich ein.

Jedenfalls muss es nicht unbedingt sein, dass ich mit ihr und meinem Freund Kaffeetrinken gehe und ich bin mir sicher, die zwei kommen super ohne mich zurecht.

Das bedeutet allerdings, ich bin alleine mit John. Gestern Abend bin ich ihm kurz im Bad begegnet, aber abgesehen davon scheint er sein Zimmer schon länger nicht verlassen zu haben. Nicht zum Essen, nicht zum Trinken, für gar nichts. Ich sehe quasi vor Augen, wie er die ganze Zeit einfach nur dalag und nichts gemacht hat außer halt so zu existieren. Aber damit ist jetzt Schluss.

Ich klopfe zwar an die Tür, warte aber nicht auf eine Antwort, weil ich weiß, dass die nicht kommen wird. Meine Vermutung bestätigt sich. Mal wieder liegt John einfach nur unter seiner Decke begraben da und vegetiert so vor sich hin.

Ich gehe zu ihm. „Hei, Jonny. Weißt du welcher Tag heute ist?"

Er brummt nur und zieht sich die Decke über den Kopf, so als bilde er sich ein, wenn er mich nicht sieht, könne ich ihn auch nicht sehen und würde einfach wieder verschwinden. Aber so leicht mache ich es ihm ganz bestimmt nicht.

„Der Tag, an dem wir einen Star Wars Marathon machen. Yaaaay!" Ich rüttele leicht an ihm herum, aber er reagiert nicht.

„Komm schon, ich habe einen genauen Zeitplan dafür, damit wir restzeitig fertig sind, ohne meinen Schlafrhythmus zu zerstören. Daran müssen wir uns aber auch halten" Ich ziehe ihm die Decke weg, aber schon währenddessen richtet er sich auf und schreit mich an.

„Mann, Tyler, verpiss dich!" Er schaut mich sauer an, sodass ich zusammenzucke und zurückweiche. „Wieso kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen, verdammte Scheiße?! Nur, weil dein Spielzeug jetzt weg ist und dir langweilig ist, musst du nicht denken, ich unterhalte dich, bis er wieder da ist" Er nimmt sich die Decke und verkriecht sich wieder darunter.

„So ist es doch gar nicht", murmele ich schockiert und enttäuscht. Aber nicht nur das. Ich fühle mich auch ertappt, weil ich weiß, dass es eben doch so ist. Wenn ich meine Zeit mit Alex verbringe, verschwende ich meist keinen einzigen Gedanken an John oder daran, wie es ihm wohl grade geht. Ich wollte weniger an ihn und mehr an Alex denken und das habe ich getan. Aber dabei habe ich John komplett ausgeblendet, deutlich mehr als geplant und gewollt.

„Es tut mir leid, Jonny" Ich streichele über die Stelle der Decke, von der ich vermute, dass sich darunter seine Schulter befindet. „Aber ich weiß doch auch nicht, was ich machen soll, ich will nur alles richtig machen"

Er erwartet Dinge von mir und Alex erwartet Dinge von mir und ich erwarte von mir, allen beiden alles davon zu ermöglichen, doch irgendwie kriege ich nichts so wirklich auf die Reihe, ganz egal, was ich versuche.

John schnaubt leise. „Du solltest endlich begreifen, dass du nicht alles richtig machen kannst. Dieses richtig und falsch, wie du dir das vorstellst, gibt es nicht... Hör auf, so krampfhaft zu versuchen, ein guter Mensch zu sein. Das schaffst du eh nicht und es fuckt einfach nur ab"

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