44. Tyler

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Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so nervös war. So nervös, dass ich das Gefühl habe, ich bekomme keinen Ton raus, so nervös, dass ich mich auf jeden einzelnen Atemzug konzentrieren muss, um nicht zu hyperventilieren, so nervös, dass mein Herz so heftig schlägt, dass ich es bis in den Kopf pochen höre.

Alex hat mich davon überzeugt, dass ich Samira anrufen sollte, um ihr persönlich zu sagen, dass ich mich über die Einladung freue und kommen werde. Gestern war ich dazu nicht wirklich in der Lage, aber nachdem ich seitdem nur noch daran denken konnte, die Stimme meiner Schwester wieder hören zu können, kann ich es eigentlich gar nicht erwarten, bis sie abnimmt.

Anna hat mir gestern Abend, nachdem ich gefragt habe, ihre Nummer geschickt. Jetzt gehe ich in meinem Zimmer auf und ab, während ich mir das Handy ans Ohr halte und innerlich bete, dass das gut laufen wird.

Alex meinte, er will mir ein bisschen Privatsphäre geben. Er wartet im Wohnzimmer darauf, dass ich zu ihm komme und ihm erzähle, wie das Gespräch lief. Ich weiß gar nicht, ob ich das überhaupt überleben werde. Wenn mein Herz weiter so eskaliert, ist das sehr unwahrscheinlich.

„Samira Harris, hallo?"

Oh Gott.

Sie klingt freundlich, neugierig und wunderschön. Mir schießen Tränen in die Augen.

„Hei, ich bin's... Tyler"

Stille.

„Samira?"

Ein Schniefen.

Ich schlucke. Vielleicht war es doch ein Fehler anzurufen. Sie ist wahrscheinlich absolut nicht bereit für ein Gespräch mit mir, das kommt mega überraschend für ist und vielleicht ist es ein total unpassender Zeitpunkt.

Was habe ich mir nur dabei gedacht?

„Tut mir leid, ich wollte nicht... Äh... I-ich wollte mich bedanken, für die Einladung und dir sagen, dass ich gerne kommen würde."

Du bist so peinlich, Tyler. Reiß dich zusammen! Du bist keine 15 mehr! Das ist deine Schwester! Sie will den Kontakt zu dir! Lass sie das nicht bereuen!

Wieder ein Schniefen. „Bist du's wirklich?"

Ich nicke, obwohl sie es nicht sehen kann. Meine Sicht ist total verschwommen und ich versuche ruhig zu atmen. Jetzt bloß nicht anfangen zu heulen. Ich weiß nicht mal, ob das grade gute Tränen im Sinne von Freude oder schlechte Tränen im Sinne von Traurigkeit sind. Ich weiß gar nichts mehr.

„Ja, ich bin's wirklich", bestätige ich.

„Und du willst zu meiner Hochzeit kommen?"

„Sehr gerne"

Ich höre ihr leichtes Lachen. „Du hast keine Ahnung, wie glücklich mich das grade macht"

Ich muss lächeln. Im selben Moment löst sich eine Träne aus meinem Auge und rinnt meine Wange hinab. Wie paradox.

„Ich habe mich sehr über die Einladung gefreut.", berichte ich meiner Schwester, erleichtert, dass sie so reagiert wie sie es tut.

„Bringst du wen mit?", will sie neugierig wissen.

„Meinen Freund, wenn das okay ist. Ich will auch nicht für Unannehmlichkeiten sorgen... Wegen Mum oder so"

Samira schnaubt belustigt. „Mum sitzt im Gefängnis, Tyler. Also keine Sorge, du kannst mitbringen, wen du willst. Ich würde mich freuen, deinen Freund kennenzulernen"

Dass sie Alex kennenlernen will, freut mich extrem, aber ihr erster Satz schockiert mich so, dass ich das grade gar nicht wirklich wahrnehmen kann.

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