Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich schon bereit dazu bin, das zu erfahren. Falls Luna echt meine Tochter ist, ist das ein krasser Einschnitt in mein Leben, dem ich sicherlich noch nicht gewachsen bin. Aber nur, weil ich so feige bin, sollte ich nicht darauf hoffen, dass Luna ihren leiblichen Vater niemals kennenlernen wird... Fuck, ich könnte echt dringend Beistand gebrauchen. Oder einfach die Möglichkeit, meinen Kopf ein bisschen zu sortieren. Gerade stürmt da so viel durch und reißt mich mit sich, dass ich gar keinen Boden unter den Füßen mehr spüre und auch nichts finde, an dem ich mich zeitweise festhalten kann.

Ich sitze auf meinem Bett, sehe auf meinen geöffneten Chat mit Lucy und überlege mir, was ich schreiben soll. Wenn sie weiß, dass das Ergebnis da ist, wird sie es sofort wissen wollen, aber ich glaube, ich muss mich erst noch ein bisschen seelisch darauf vorbereiten.

Noch einen Tag, beschließe ich. Einen Tag nehme ich mir und dann schreibe ich Lucy und wir treffen uns und ich erfahre, ob ich Vater bin.

Gerade, als ich mein Handy wieder weglege, klopft es an meine Zimmertür und wenige Sekunden später steckt meine Mum ihren Kopf rein. „Kann ich kurz reinkommen? Ich brauche deinen Rat"

Zwar schockiert mich das ziemlich, doch trotzdem nicke ich. Als würde ich sie wegschicken, wenn sie meine Hilfe braucht. Ich frage mich nur, bei was sie mich schon um Rat fragen könnte. Meine Mum ist perfekt. Sie kann alles und sie weiß alles und ich bin nur ihr schwuler Versagersohn, der Männer fickt und einem Ball hinterherrennt.

Von meinen Gedanken ahnt sie nichts. Sie kommt in mein Zimmer, schließt die Tür wieder hinter sich und geht ein paar Schritte auf mich zu. „Ich treffe mich gleich mit einem alten Freund. Kann ich das anziehen?"

Dass sie mich das fragt, beweist mal wieder perfekt, dass sie keine Freunde hat, an die sie sich mit sowas wenden könnte. Alles, was sie hat, sind Geschäftsbeziehungen.

Warum sie immer alle Leute von sich schiebt, weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, es ist eine Art Abwehrmechanismus zum Selbstschutz. Eigentlich ist sie mir da sogar ziemlich ähnlich, nur, dass ich den Schein, nicht ganz alleine zu sein, doch immer gebraucht habe. Und irgendwie hat es sich ja doch geholt, gewisse Freundschaften zuzulassen, nur habe ich eben erst Jahre später herausgefunden, dass ich auf meine Freunde zählen kann und die mich aus was für Gründen auch immer echt mögen.

Ich glaube, meine Mum hat einfach Prioritäten gesetzt. Ihr ist die Arbeit am wichtigsten, denn das kann sie kontrollieren und es hängt nur von ihr selbst ab. Alles andere, was sie hatte, die Beziehung zu ihrer Familie, die zu alten Freunden, die zu meinem Dad und die zu mir, ist alles in die Brüche gegangen... Und wer weiß, vielleicht ist sie auch einfach nicht der Mensch für ein soziales Leben. Sie wirkt zumindest sehr zufrieden so wie es jetzt ist. Daher wundert es mich so, dass sie sich mit irgendeinem Typen treffen will.

„Wer ist denn dieser alte Freund?", hake ich misstrauisch nach.

„Ich glaube nicht, dass du dich an ihn erinnerst."

„Dann versuch doch meine Erinnerung aufzufrischen"

Die glaubt doch nicht ernsthaft, ich lasse mich so leicht abspeisen. Ich muss schon wissen, mit wem meine Mum sich da trifft. Wenn sie sich solche Gedanken um ihr Outfit macht, muss da irgendwas dahinterstecken.

Sie verdreht leicht die Augen. „Erinnerst du dich noch an Tina? Sie hat früher oft auf dich aufgepasst und-"

„Ich erinnere mich"

Ach du scheiße, was kommt denn jetzt?

Meine Mum nickt. „Ich treffe mich mit Aaron, ihrem Bruder"

Teach me LoveWhere stories live. Discover now