Beide Beamte nicken, stellen sich uns vor und erzählen uns, wie das hier abläuft. Sie wollen den Unfallhergang rekonstruieren und jedes Detail, das wir ihnen liefern, kann ihnen helfen. Dass sie extra betonen, dass wir nur als Zeugen hier sind und nicht als Verdächtige, jagt mir schon ein bisschen Respekt ein, aber ich weiß, dass wir uns nichts zu Schulden kommen lassen haben, also müssen wir auch keine Angst haben.

„Gibt es denn Verdächtige?", will ich wissen. „Es war ein Unfall, kann man da jemanden wirklich als Täter bezeichnen?"

„Das nicht. Aber der Verursacher des Unfalls hat einen fünf- bis sechsstelligen Sachschaden verursacht, und den Tod von bisher drei Menschen zu verantworten. Wir nehmen diesen Fall sehr ernst und wollen herausfinden, was dazu geführt hat"

Ich nicke verstehend. „Aber jemanden deshalb wegen fahrlässiger Tötung anzuklagen ist schon ein bisschen krass oder nicht?" Ich will eigentlich noch mehr sagen, aber der Polizist unterbricht mich.

„Bist du ein Jura-Ersti oder was soll das Klugscheißen hier?"

Was hat der da grade zu mir gesagt?

„Meine Eltern sind Anwälte", gebe ich zurück und sehe ihm in die Augen. „Und ich habe Ihnen lediglich eine Frage gestellt. Tut mir leid, dass die Beantwortung dieser wohl Ihren Horizont übersteigt. Mein Fehler"

Ich lächele extra nett zum Abschluss, damit er mir keine Beamtenbeleidigung oder sowas anhängen kann. Naja, angehängt wäre es nicht. Ich habe ihn grade schon ziemlich dumm dastehen lassen. Aber er ist selbst schuld, wenn er mich so anpampt. Nur, weil er eine Uniform trägt, lasse ich mir sowas doch nicht gefallen.

Im Gegensatz zu ihm wirkt sein Kollege ziemlich belustigt und gibt sich alle Mühe, sein Grinsen zu verbergen.

„Es geht tatsächlich darum, eine Fährlässigkeit nachzuweisen. In erster Linie wollen wir aber natürlich erstmal verstehen, was denn überhaupt passiert ist. Die Anklage übernimmt dann der Staatsanwalt.", erklärt er mir.

Ich nicke verstehend und auch zustimmend. Das wusste ich. Ich habe mich nur gefragt, wie das Ausmaß des Ganzen ist, falls ein Schuldiger ermittelt wird.

„Aber wie gesagt, ihr seid nur Zeugen. Ihr saßt im roten Audi, oder?"

Matt und ich nicken.

„Wo ist denn euer Fahrer?"

„Der wird grade behandelt.", antwortet Matt. Ich kann Sorge aus seiner Stimme heraushören.

„Okay, dann erzählt einfach mal, was aus eurer Sicht passiert ist"

Mat und ich sehen einander an. Ich erkenne in seinem Blick, dass er nicht anfangen will, also übernehme ich das eben.

„Also für mich war alles ganz normal, bis Tony eben ziemlich krass gebremst hat. Da wusste ich noch gar nicht was los ist und erst, als ich eine Erklärung von Tony wollte, habe ich aus der Windschutzscheibe die ganzen Autos gesehen, die vor uns waren, und die Leute, die ausgestiegen und zum Fahrbahnrand gelaufen sind. Das einzige, was mir aufgefallen ist, war eigentlich nur, dass keiner eine Warnweste angezogen hat. Aber daran haben wir in dem Moment auch nicht gedacht" Ich sehe Matt erneut an und dann wieder den Polizisten, der das Gespräch zu führen scheint. Der andere sitzt nur stumm neben ihm und starrt mich böse an. Aber das sorgt für nichts Anderes als mir Bestätigung zu geben.

„Ja und dann sind wir halt auch an den Fahrbahnrand" Ich zucke mit den Schultern.

Der Polizist nickt und hält meine Aussage wohl für beendet, ehe er Matt fragend ansieht.

„Ehm also ich kann mich auch nur wirklich an einen Knall erinnern und Bremslichter, bevor Tony gebremst hat. Dann habe ich mich eigentlich nur noch auf ihn konzentriert und ähm, er war halt ein bisschen verwirrt, aber er hat ein verletztes Kind in einem der Autos eingesperrt gesehen und uns darauf aufmerksam gemacht und dann ist mein Cousin hin und hat das Mädchen rausgeholt und danach auch ihren Vater, kurz bevor das Auto Feuer gefangen hat"

Anfangs hat er noch etwas nervös gewirkt, aber jetzt schaut er aus großen braunen Rehaugen zwischen dem Polizisten und mir hin und her und wirkt ein wenig aufgeregt. „Das sah so cool aus, wie du ihn hergetragen hast, während das Auto in Flammen aufgegangen ist! Wie so eine heftige Rettung in einem Actionfilm und du bist der Titelheld!"

Ich muss leicht lachen, nicht wirklich wegen dem, was er sagt, sondern aufgrund dessen, wie er dabei rüberkommt. So als sei er wieder 7 und würde mir von seinen neusten Superhelden-Comics erzählen, die mich nie interessiert haben.

Diese Bewunderung in seinem Blick zu sehen, macht mich schon ein bisschen stolz, um ehrlich zu sein. Ich scheine endlich mal was richtig gemacht zu haben.

„Ach, da haben wir ja unseren Helden" Der Polizist lächelt mich an. „Andere haben auch schon sehr begeistert von deiner Aktion erzählt. Ich hoffe du weißt, dass das Mädchen und ihr Papa jetzt ohne dich nicht mehr am Leben wären."

Was erwartet er denn jetzt von mir? Solle ich froh sein und mir auf die Schulter klopfen? Nein, das kann ich nicht. Lana und ihr Papa sind vielleicht lebendig rausgekommen, aber sie haben heute trotzdem einen sehr wichtigen Menschen verloren und daran konnte ich rein gar nichts ändern. Ich bin kein Held, ich habe einfach nur versucht, mein Bestes zu geben. Statt mir das hoch anzurechnen sollten die andere sich lieber schämen, da sie einfach nur dastanden und zugesehen haben. Ich will keine Anerkennung für etwas Selbstverständliches.

Ich schüttele den Kopf. „Lana hat ihre Mama verloren. Und ihr Papa seine Frau. Wenn früher jemand eingegriffen hätte, wäre sie vielleicht jetzt noch am Leben... und soweit ich weiß, kann auch keiner sagen, ob der Mann es schaffen wird. Außerdem habe nicht ich die beiden gerettet, sondern Lana. Wenn sie es nicht geschafft hätte, trotz den größten Schmerzen und einem offenen Bruch am Arm auf sich aufmerksam zu machen, wären sie und ihr Papa jetzt tot. Das sollte man würdigen."

Matt schaut mich an der Seite ganz komisch an, der eine Polizist schnaubt und der andere nickt.

Er fragt uns noch ein bisschen was, schreibt irgendwann auch mal mit, gibt alle Informationen, die er von uns hat, nochmal wieder, um zu überprüfen, ob er alles richtig aufgenommen hat, und lässt uns dann wieder gehen.

Als wir zurück ins Wartezimmer kommen, sehen wir Tony dort sitzen und Matt stürzt sofort zu ihm, setzt sich neben ihn und umarmt ihn.

„Wow, Babyboy, langsam, langsam!" Tony schiebt ihn mit verzogenem Gesicht von sich weg. „Mein Nacken bringt mich grade um"

„Oh sorry... Aber sonst, wie geht's dir? Wirst du wieder?" Matt mustert ihn akribisch.

„Natürlich" Tony lächelt Matt beruhigend an. „Ganz bald bin ich wieder wie neu und bis dahin musst du eben ganz sanft zu mir sein."

Statt mich neben Tony zu setzen, bleibe ich vor ihm stehen und klopfe ihm leicht auf die Schulter. Er versteht, was ich ihm so mitteilen will, lächelt deshalb zu mir hoch, verzieht aber wieder das Gesicht und legt sich die Hand in den Nacken.

„Mann, konnten die dir keine Schmerzmittel geben?", beschwert Matt sich sofort. „Jetzt muss ich echt noch selbst Arzt werden, um mal fähige Leute in dem Beruf zu haben"

Tony lacht leicht darüber. „So ein Arztkittel würde dir bestimmt gut stehen. Und ich erkläre mich gerne als Versuchsobjekt für bestimmte Untersuchenden bereit."

Wir sind hier mit duzenden Fremden auf engstem Raum, die gar keine andere Wahl haben, als das Gespräch mitanzuhören und er macht in jedem Satz sexuelle Anspielungen. Typisch Tony. Aber wenigstens beweist das, dass es ihm wirklich soweit gut geht und das ist die Hauptsache.

Ich fühle mich ohnehin schon schlecht, weil Tony sich überhaupt verletzt hat, als er für mich das Taxi gespielt hat. Er hat uns durch seine Reaktion wahrscheinlich das Leben gerettet. Wie zur Hölle soll ich das jemals wieder gut machen?

Wie zu erwarten bin ich einer der letzten, der drankommt, um sich durchchecken zu lassen. Matt und Tony bleiben trotzdem hier, um mit mir zu warten. Bei mir geht es eigentlich ganz schnell. Ich sage, dass mir nichts wehtut, der Arzt untersucht mich, erklärt mir, dass die Schmerzen des Schleudertraumas auch erst ein paar Tage später auftreten können und ich mich allgemein schonen sollte. Er fragt, ob ich vorsorglich Schmertabletten, mitnehmen will, ich lehne ab und dann darf ich auch schon wieder gehen.

Ich bin echt erleichtert, dass es vorbei ist und will nichts lieber, als Tyler endlich zu sehen. Aber, obwohl es bereits morgen ist, kann ich mich noch nicht ausruhen und mit Ty nachhause gehen. Erst muss ich noch etwas erledigen.

Teach me LoveWhere stories live. Discover now